Der kürzlich veröffentlichte Sammelband NarcoZones – entgrenzte Märkte und Gewalt in Lateinamerika bietet einen Überblick über die globalen Geschäfte mit dem Geld der Kartelle Mittelamerikas. Hier werden dem Leser die Drogenkartelle als global agierende Unternehmen vorgestellt, deren Delikte sich über den Drogenhandel hinaus auf Prostitution, Waffengeschäfte, Organhandel und Menschenschmuggel ausweiten. Neben der Unterwanderung politischer Ämter und der Ausübung roher Gewalt setzen sie auch auf soziales Engagement. So investierten sie beispielsweise gezielt in die Infrastruktur von Armenvierteln mehrerer mexikanischer Bundesstaaaten. Calderóns gescheiterter War on Drugs richtet sich so auch indirekt gegen die Bevölkerung Mexikos. Die Medien berichten weltweit täglich über brutale Ermordungen im Zusammenhang mit dem Drogenkrieg. Das Buch beleuchtet jedoch auch die kulturanthroplogische Seite des Konflikts und kommt zu dem Schluss, dass explizite Gewalt in Mexiko keine gesellschaftlich verankerte Norm darstellt, sondern durch die Kartelle gezielt inszeniert würde, um die Bevölkerung einzuschüchtern. Organisierte zivilgesellschaftliche Aktionen können den Drogenkrieg nicht stoppen, auch wenn mutige Akteure vergangenes Jahr Calderón in den Haag wegen Völkermordes anzeigten, um auf die große Zahl unschuldiger Opfer – nicht zuletzt im Zusammenhang mit der zunehmenden Militarisierung des Landes – aufmerksam zu machen. Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit der globalen Verflechtung der Geldgeschäfte. Edgardo Buscaglia wirft der deutschen Regierung vor, nur unzureichend gegen die Investitionen der großen Kartelle vorzugehen, die ihr gewaschenes Geld in einem rechtssicheren System anlegen müssen. So würden die Investoren nur mangelhaft überprüft: Deutsche Einkaufszentren könnten beispielsweise mit dem Blutgeld eines mexikanischen Kartells errichtet worden sein.
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