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Die Geschichte der Kokapflanze: Nun zu Unrecht verteufelt? (Teil 2)

| Bild: © n.v.

Im ersten Teil haben wir bereits dargestellt, dass es sich beim Kauen von Kokablättern durchaus um eine indigene Tradition handelt. Allerdings kommt der Kokapflanze in den Andenregionen darüber hinaus eine große Bedeutung zu, die sich keineswegs durch westliche Repressionspolitik verringern lässt. Stattdessen ist der Status der Pflanze als „nationales Kulturgut“ sogar in der Verfassung garantiert. 1)

Dieser der Pflanze zugesicherte Status entspricht durchaus dem Stellenwert bei den Bauern. Koka wird von ihnen als eine harmlose, gesegnete, gesunde und preiswerte Frucht betrachtet, die im Gegensatz zu Kokain nicht zu verteufeln ist. Albertina Torres, eine Kokabauerin berichtet davon, dass Koka die Arbeit erleichtert und gegen Magenschmerzen, Entzündungen, Höhenkrankheit hilft. Außerdem ist der Anbau von Koka deutlich lukrativer als der von Zitrusfrüchten. Während Zitrusfrüchte lediglich einmal im Jahr blühen, können die Kokabauern jährlich drei bis vier Ernten einfahren. 2) Dazu kommt der 100 Mal höhere Verkaufspreis von Kokablättern. 3) Die Bauern legen außerdem großen Wert darauf, dass sie die Blätter nach der Ernte trocknen und verkaufen, anstatt in die Kokainproduktion einzusteigen mit der sich ein Vielfaches verdienen ließe. 2)

Die bereits beschriebenen betäubenden und schmerzlindernden Eigenschaften der Kokapflanze sorgten dafür, dass sie bis in die Zwanziger-Jahre des vergangen Jahrhunderts vermehrt als pflanzliches Arzneimittel eingesetzt wurde. Erst wenn sie durch synthetische Wirkstoffe ersetzt werden kann, verliert sie ihren guten Ruf. Auf einmal soll die Pflanze die Ursache für die Kokainsucht von Millionen von Konsumenten sein. Dem Transnational Institute zufolge, das sich u. a. der Analyse der internationalen Drogenpolitik widmet, ist die Kokapflanze Opfer eines Fehlurteils geworden. So ist die Wirkung des Kokablatts mit der von Kokain nicht zu vergleichen, da Kokain weniger als 1 Prozent der 14 Alkaloide ausmacht, die aus dem Kokablatt extrahiert werden können. Der geringe Gehalt an Kokain hat zur Folge, dass das reine Kokablatt keine Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem hat, da das Kokain im Verdauungstrakt vollständig abgebaut werden kann. Vielmehr wird die Kokapflanze dafür bestraft, Ausgangsstoff von Kokain zu sein. 4)

Um das Kokain aus dem Kokablatt zu extrahieren, sind diverse chemische Prozesse notwendig, die in Giftküchen in den Tropen oder in Armenvierteln durchgeführt werden. Die internationale Verbotspolitik scheint immer obskurere Züge anzunehmen, wenn man zusätzlich berücksichtigt, dass Kokablätter ebenso als Nahrungsmittel fungieren können wie Weizen oder Mais. Sogar der Einsatz bei Diabetes oder Parkinson scheint möglich, allerdings ist eine notwendige Erforschung bislang verboten. 5)

Allerdings darf trotz dieses Chancenpotentials der Kokapflanze nicht vergessen werden, dass die Verbotspolitik zumindest teilweise ihre Berechtigung hat. 2010 zeigten Satellitenbilder 31.000 Hektar an Kokaplantagen in Bolivien. Abgesehen davon, dass lediglich 12.000 Hektar vom Staat genehmigt wurden 2), dürfte bei einer jährlichen Erntemenge von ca. 30.000 t 6) offensichtlich werden, dass Boliviens zehn Millionen Einwohner 7) nicht der Lage sind, diese riesige Menge an Kokablättern zu kauen. Zusätzlich erscheint das Engagement des bolivianischen Staatsoberhaupts in einem vollkommen anderen Licht, da Morales zugleich Präsident einer Gewerkschaft ist, die überwiegend Kokabauern aus Chapare vertritt, deren Kokablätter jedoch ungenießbar sind, sich dafür durch einen höheren Kokaingehalt vorzüglich für die Kokainproduktion eignen. 1)

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Kokarausch – Tagesanzeiger – aufgerufen am 30.08.13
  2. Kraut der Götter – Gift der Gringos – Süddeutsche – aufgerufen am 30.08.13
  3. Kokarausch – Tagesanzeiger – aufgerufen am 29.08.13
  4. Kokapflanze als Opfer – Monde diplomatique – aufgerufen am 30.08.13
  5. Kokapflanze als Opfer – Monde Diplomatique – aufgerufen am 30.08.13
  6. Kokawirtschaft – Klett – aufgerufen am 30.08.13
  7. Länderinfos Bolivien – Auswärtiges Amt – aufgerufen am 30.08.13

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