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US-Drogenpolitik: Wahlkampfpolemik oder ehrlich gemeinte Strategie?

| Bild: © n.v.

Nixon hat versagt. Der Präsident, der 1972 martialisch den Kampf gegen die Drogen ausrief, scheint, zumindest rückblickend betrachtet, keines seiner Ziele erreicht zu haben. Wie wir bereits vergangenen Mittwoch berichteten (lesen Sie den Artikel hier), haben Wissenschaftler nun das bestätigt, was viele schon seit längerem befürchtet haben: die „Law & Order“ Politik zeigt keine Wirkung, das Geschäft mit Heroin, Kokain und Co. ist einfach viel zu lukrativ. Insgesamt sind die Preise sogar gesunken, die Qualität ist gleichzeitig angestiegen – ein Schlag ins Gesicht eines jeden konservativen Verfechters harter Strafverfolgungsmethoden.

Amerikas längster Krieg ist also verloren. Und der wird vor allem im eigenen Land ausgefochten: ganze Bevölkerungsgruppen werden diskriminiert, kriminalisiert, drangsaliert – und teilweise wegen geringster Vergehen bis zu ihrem Lebensende in hoffnungslos überfüllte Gefängnisse gesteckt. Und jetzt soll alles umsonst gewesenen sein – und doch wird weitergemacht. Trotz der Ungerechtigkeit, der Ineffektivität und den hohen Kosten von ca. 80 Milliarden US-Dollar jährlich, die allein für die Gefängnisse aufgebracht werden müssen. Und wie ist es eigentlich zu erklären, dass die größten Marktradikalen und Prediger der uneingeschränkten Freiheit und Selbstverantwortung des Menschen ausgerechnet in Sachen Drogenpolitik geradezu militant prohibitionistisch denken? Diejenigen Konservativen, die sich momentan auf das Grundrecht auf Selbstbestimmung berufen, die Gesundheitsreform von Barack Obama im Kongress blockieren und einen „Government Shut Down“ für ihre Zwecke instrumentalisieren? 1)

Um dies zu erklären muss man in der amerikanischen Geschichte ein Stück zurückgehen. Das Ende der 60er Jahre war vor allem von Protesten, sozialen Unruhen und Drogenkriminalität geprägt. Die weiße Mittelschicht war der Politik der liberalen Demokraten längst überdrüssig, die seit der „New Deal“ Ära Franklin D. Roosevelts unablässig davon predigten, dass die Wurzeln der eben genannten Problematiken in der amerikanischen Gesellschaft an sich begraben liegen – nämlich in der dramatisch hohen sozialen Ungleichheit, in dem latenten Rassismus und in der Armut und Perspektivlosigkeit der Jugend. Viel bequemer als eine Teilschuld bei sich selbst zu suchen (und sein Verhalten gegebenenfalls zu ändern), war es doch, den Drogenabhängigen und den Protestlern eine individuelle Verfehlung, eine moralische Armut und Lasterhaftigkeit zu unterstellen – der natürlich nur mit harter Strafe und Disziplin begegnet werden konnte.

Der Republikaner Richard Nixon stieß also in einer breiten Bevölkerungsschicht (der sog. „Silent Majority“) auf offene Ohren. Bereits 1968, im Wahlkampf gegen Lyndon B. Johnson, konnte Nixon mit einer Politik der harten Hand punkten und sich als eine Art Sheriff profilieren, der, wenn er denn an die Macht käme, endlich für die Einhaltung von Gesetz und Ordnung sorgen würde. Es funktionierte. Nixon wurde Präsident und schaffte es sogar, die Dominanz der Demokraten in den Südstaaten zu brechen. Nach einer eher glücklosen ersten Amtszeit versuchte er 1972 erneut in die gleiche Kerbe zu schlagen und startete während seiner Wiederwahlkampagne den „War On Drugs“: mit tatkräftiger Unterstützung der Medien  gelang es ihm, Drogenkonsumenten nun vollständig zu kriminalisieren. Drogen wurden – von diesem Zeitpunkt an bis heute – als eine ernstzunehmende Gefahr für die weiße, amerikanische Zivilisation und ihren Nachwuchs wahrgenommen und die Schreckensvision eines drohenden Anarchismus wurde von den Politkern des Landes regelmäßig als effektive Wahlkampfhilfe genutzt – und wer nicht mitmachte, der verlor, wie Jimmy Carter 1981. Nixon trat also eine Art Trend los, der sich im Laufe der Zeit stetig zuspitzte. Hatte Nixon noch mehr als die Hälfte des staatlichen Etats für die Drogenbekämpfung in Resozialisierungsprojekte und Prävention investiert, folgte 1981 mit Ronald Reaggan ein Präsident, mit dem der Drogenkrieg innenpolitisch endgültig zu eskalieren drohte: in seiner Amtszeit wurde das Strafmaß von Kokain und der damals neu aufkommenden „Teufelsdroge“ Crack  auf ein Verhältnis von 1:100 festgelegt und es wurden Gesetze verabschiedet, die Richter dazu verpflichteten, drastische Mindeststrafen für den Besitz und Vertrieb von kleinsten Mengen an Rauschmitteln und die Todesstrafe gegen so genannten „Drogenbarone“ zu verhängen. Doch erst mit Bill Clintons „Three Strikes And You Are Out”-Regelung fand die Spirale des Populismus seinen absurden Höhepunkt: Wer seitdem dreimal hintereinander wegen des auch noch so geringsten Vergehens in den Strafvollzug eingeliefert wurde, beibt lebenslänglich eingesperrt. 2) 3)

Ein wichtiger Grund für die harte und doch uneffektive Drogenpolitik der USA ist also ausgemacht: da eine „Law & Order“ Politik in weiten Teilen der amerikanischen Bevölkerung gut anzukommen schien, war es schlicht politisch opportun, sich das Image eines „harten Hundes“ zuzulegen. Nixon hat es vorgemacht, viele andere zogen nach. Resozialisierungs- oder Präventionsmaßnahmen hingegen konnten getrost vernachlässigt werden, politisch konnte man damit – außer vielleicht der Unterstützung einiger Intellektueller – kaum etwas gewinnen.

Doch in jüngster Zeit geben mehrere Ereignisse durchaus Anlass zur Hoffnung: der aktuelle US-Präsident Barack Obama, der das Wort „Drogenkrieg“ wie kein anderer zu meiden scheint und der mit dem „Fair Sentencing Act“ zumindest einige der härtesten Gesetzgebungen etwas entschärfte, wurde erst im letzten Jahr wiedergewählt. Der riesige Schuldenberg zwingt viele Bundesstaaten dazu, Häftlinge, die wegen geringer Drogendelikte verhaftet wurden, vorzeitig aus dem Gefängnis zu entlassen. Einige Bundesstaaten wie Colorado haben gar den Privatgebrauch von Marihuana legalisiert. Zudem ändern sich die Mehrheitsverhältnisse: die weiße „Silent Majority“ aus den 70ern ist keine Mehrheit mehr. Ehemalige Minderheiten werden in Zukunft verstärkt die Agenda der  Drogenpolitik bestimmten. Das Ende des Drogenkriegs – zumindest so wie wir ihn heute kennen – scheint also nur noch eine Frage der Zeit zu sein.

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. dradio: No Drugs No Future – 9.10.2013
  2. The Atlantic: Nixon Addiction Crime – 9.10.2013
  3. Alternet: Drug War Legacy – nicht mehr verfügbar

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