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Präsidentschaftswahlen in Chile: Bachelet kündigt einen „tief greifenden gesellschaftlichen Wandel an“ – auch in der Drogenpolitik?

| Bild: © n.v.

Wirtschaftlich betrachtet geht es Chile blendend. Seit 2010 herrscht ein konstant hohes Wirtschaftswachstum zwischen vier und fünf Prozent, die Arbeitslosenquote steht auf dem historisch tiefstem Stand (5,7 %), das Pro-Kopf-Einkommen übertrifft das der Mehrzahl der Länder der Region um die Hälfte. 1) Chile ist das lateinamerikanische Land mit den besten makroökonomischen Zahlen – zugleich aber das mit der unzufriedensten Bevölkerung. Als hauptverantwortlich gilt hierbei die große soziale Ungerechtigkeit. 2)

Vergangenen Dezember wurde die 62-jährige Sozialistin Michelle Bachelet zur Präsidentin gewählt. 3) Bachelet ist nicht irgendjemand, sie ist so etwas wie ein politischer Superstar: Die erste Frau an der Spitze des chilenischen Verteidigungsministeriums, von 2006 bis 2011 die erste Präsidentin Chiles, im Anschluss Leiterin der Uno-Frauen-Organisation in New York, weil die Verfassung eine sofortige Wiederwahl ausschließt, und jetzt, nach Verstreichen dieser Karenzzeit, sogar die erste Ex-Präsident*In, die seit der ersten freien Präsidentschaftswahl nach der Pinochet-Diktatur im Jahr 1989 wieder ins Amt gewählt wurde. Dabei erhielt sie 62% der Stimmen, ihre konservative Gegnerin Evelyn Matthei 38%. 2) 1) 4) Bachelet hat vieles vor: Sie verspricht nicht weniger als einen „tief greifenden gesellschaftlichen Wandel“, den „Abbau der Ungleichheit und mehr soziale Gerechtigkeit“ durch eine wirtschaftliche Entwicklung, „die endlich allen zugutekommt und nicht nur einigen wenigen“. 1) Als wesentliche Maßnahmen plant sie eine Steuerreform, die Reiche stärker belasten soll, wodurch Einkommen und Vermögen wieder ausgeglichener in der Bevölkerung verteilt sein sollen. Eine neue Verfassung, die die 1980 von Ex-Diktator Pinochet Geschaffene ablösen soll, ist ein weiteres Ziel.

Auch im Umgang mit Marihuana deutet sich ein fundamentaler Wandel an: Denn die in Lateinamerika aufkommenden Rufe nach einer Legalisierung, die Uruguay kürzlich als erster Staat umgesetzt hat, machen auch vor Chile nicht halt. 5) Momentan steht dort Marihuana auf der Liste harter Drogen 6). Bachelet hatte im Wahlkampf 2013 jedoch angekündigt, jene Einstufung neu prüfen zu wollen. 1) 7)

Das Wahlergebnis erscheint wie ein eindeutiges Votum für „ein anderes Chile“. Doch die großen Hindernisse dürfen dabei nicht außer Acht gelassen werden: Die Wahlbeteiligung war mit 41% erschreckend niedrig. 2) Ein Umstand, der verdeutlichen könnte, dass nicht nur Bachelet womöglich weniger Unterstützung in der Bevölkerung genießt als angenommen – sondern auch die politischen Strukturen selbst. 8) Die Mehrheitsverhältnisse in beiden Kammern des Kongress lassen für die neue Regierung auch keine Verfassungsänderung zu. Es gilt also, Oppositionspolitiker zu überzeugen. Und längst nicht nur die: Das Regierungsbündnis umfasst sage und schreibe sieben Parteien, mit durchaus unterschiedlichen Positionen und Zielen, darunter auch die Kommunisten. 9) 10)

Bachelets großer Reformdrang scheint also auf tönernen Füßen zu stehen. Schwer abzusehen bleibt deshalb an dieser Stelle, ob diese angekündigten, elementaren Veränderungen tatsächlich umgesetzt werden können. Und auch, welchen Stellenwert angesichts der angekündigten Mammutaufgaben Reformen in der Drogenpolitik überhaupt beigemessen werden. Der Wille hierzu wurde zumindest artikuliert.

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Welt.de: Chiles neue Präsidentin will „tief greifenden Wandel“
  2. Basler Zeitung: Michelle Bachelet will ein anderes Chile
  3. Spiegel.de: Präsidentschaftswahl in Chile – Sozialistin Bachelet triumphiert
  4. Süddeutsche.de: Pinochet-Putsch vor 40 Jahren – Chiles Trauma des 11. September  
  5. Santiago Times: Drug reform in Chile: Legalize it? – nicht mehr verfügbar
  6. Drug Law Reform – Chile
  7. Students For Sensible Durg Policy: Legalization Enthusiasm on the March in Latin America – Artikel nicht mehr verfügbar
  8. Welt.de: Chiles neue Präsidentin will „tief greifenden Wandel“
  9. Quetzal: Chile: Michelle Bachelet als Präsidentin wiedergewählt
  10. Chile: Schwieriges Mandat für Michelle Bachelet in Chile

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