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Wahlen in El Salvador: eine gespaltene Gesellschaft

| Bild: © n.v.

Sie blockierten die Straßen, versperrten sie mit brennenden Autoreifen und dicken Baumstämmen: Die Anhänger der republikanisch nationalistischen Arena-Partei um den Kandidaten Norman Quijano weigerten sich vehement, das Ergebnis der diesjährigen Wahlen in El Salvador anzuerkennen. 1) Denn in einer Stichwahl siegte ihre Gegnerpartei FMLN – jedoch nur mit einer sehr knappen Mehrheit von gerade einmal 6.500 Stimmen. Quijano machte vor seinen Anhängern deutlich, er wolle sein Recht zu regieren mit seinem Leben verteidigen und suchte sogar die Unterstützung der Streitkräfte. Internationale Wahlbeobachter beurteilen die Wahl jedoch als fair und transparent 2) und schließlich steht der Sieger offiziell fest: Salvador Sanchez Cerén von der FMLN – ein ehemaliger Guerillaführer. 3)

Der hauchdünne Unterschied von gerade einmal 0,22 Prozent spiegelt die Gesellschaft El Salvadors wieder. Die beiden Parteien polarisieren das Land und halbieren die Bevölkerung grob in zwei Gruppen: die FMLN als Vertreter der Linken, Arena als Vertreter der Nationalistischen, Neoliberalen. Die eigentliche Brisanz der Situation ist jedoch besser vor dem Hintergrund des Bürgerkriegs zu begreifen, der von 1980 bis 1991 andauerte, bei dem über 75.000 Menschen getötet wurden und in dem sich im Grunde ähnliche Gruppen wie heute gegenüberstanden. 4)

Ungleiche und ungerechte Machtverhältnisse sowie die große Schere zwischen Arm und Reich lösten Ende der 70er Jahre Unmut in der Bevölkerung aus – doch der eigentliche Auslöser für den Bürgerkrieg war die Ermordung des Erzbischofs Óscar Arnulfo Romero. Der Mord an ihm wird den Todesschwadronen zugeschrieben – einem Killerkommando, dessen Mitglieder auch zu den Gründern der Arena-Partei gehörten. Nach dem Tod Romeros fanden die Guerillabewegungen vermehrt Zulauf und begannen, mit Gewalt gegen das Militär und die Regierung vorzugehen. Die verschiedenen Guerillagruppen schlossen sich schließlich zusammen und gründeten die FMLN. Einer der Hauptkommandeure: Sanchez Cerén. Am Ende des Krieges konnte sich keine der Kriegsseiten als alleiniger Sieger sehen. 5) 6)

Jetzt stehen sich die Gruppen wieder gegenüber und im schlimmsten Fall könnten die Unruhen eskalieren. Dabei ist El Salvador bereits mit großen Problemen konfrontiert. Schon ohne bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen beiden Parteianhängern ist die Gewaltrate extrem hoch, zeitweise kamen 14 Menschen täglich ums Leben, oft Zivilisten, die sich nur am falschen Ort aufhielten. 7) Hauptsächlich verantwortlich für einen Großteil der Verbrechen wie Mord, Menschenhandel oder Zwangsprostitutionen sind brutale Jugendgruppen, die Mara-Banden. Die Gründe für die hohe Gewaltbereitschaft der Gangs sind – wie zu erwarten – die hohe Arbeitslosigkeit, die Armut, die miserablen Bildungschancen und die sich daraus ergebende Perspektivlosigkeit. 8)

Die selben Faktoren begünstigen auch den Drogenschmuggel durch El Salvador. Das Land liegt wie seine Nachbarn Honduras und Guatemala auf direktem Weg zwischen den Produzentenstaaten von Kokain und Marihuana (Kolumbien, Peru und Bolivien) und dem Hauptabsatzmarkt USA. Über 95 % der Drogen werden vermutlich durch Zentralamerika in die nördlichen Staaten geschleust. Zudem bieten sich ideale Vorausetzungen für den Drogenschmuggel: 40 % der Bevölkerung in El Salvador lebt in Armut, die Gesellschaft ist gespalten und gewaltbereite Gruppen dominieren die Straßen. Auch die verantwortliche Drogenbehörde ist schlecht ausgerüstet und unterfinanziert.  9)

Die Drogenpolitik der verschiedenen Narco-Staaten trägt die Handschrift des jeweiligen Präsidenten. Interessant wird nun, welchen Weg der ehemalige Guerillaführer Sanchez Cerén in El Salvador einschlagen wird und ob er die bereits bestehende Kooperation mit den USA fortstetzt. Das Land ist ökonomisch abhängig von den USA, es wird also schwer werden, sich z.B. in Drogenbekämpfungsmaßnahmen zu distanzieren. 10) Jedoch darf man nicht vergessen, dass die Armut und Perspektivlosigkeit der Bevölkerung der Nährboden für einen florierenden Drogenschmuggel sind. Um diesen zu bekämpfen, müssen gleichzeitig soziale Ungerechtigkeiten eliminiert werden. Sanchez Ceréns Vorgänger hat bereits Sozialprogramme wie z.B. eine Gesundheitsreform oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Jugendliche mehr oder weniger erfolgreich eingeführt. Doch – auch um den Drogenhandel nicht weiteren Spielraum zu ermöglichen – wird vorerst die größte Herausforderung sein, den Dialog mit der Arena Partei zu suchen und ein erneutes Ausbrechen des Bürgerkrieges zu vermeiden.

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. EPO: El Salvador: Prosteste gegen Ergebnis der Stichwahl; erschienen am 13.03.2014; aufgerufen am 20.03.2014 

  2. SpiegelOnline: Politkrimi in El Salvador: Konservative und linke zerren an Wahlergebnis; erschienen am 12.03.2014; aufgerufen am 20.03.2014
  3. Frankfurter Allgemeine: Ehemaliger Guerillero wird Präsident von El Salvador; erschienen am 18.03.2014; aufgerufen am 20.03.2014
  4. Bundeszentrale für politische Bildung: El Salvador: jüngste Geschichte und Gegenwart; aufgerufen am 20.03.2014
  5.  SpiegelOnline: Politkrimi in El Salvador: Konservative und linke zerren an Wahlergebnis; erschienen am 12.03.2014; aufgerufen am 20.03.2014
  6. Bundeszentrale für politische Bildung: El Salvador: jüngste Geschichte und Gegenwart; aufgerufen am 20.03.2014
  7. TAZ: Den Armen die Hand gereicht; erschienen am 01.02.2014; aufgerufen am 20.03.2014
  8. Zeit Online: Pakt mit dem Teufel in El Salvador; erschienen a, 16.05.2012; aufgerufen a, 20.03.2014 
  9. Embassy of the United States: El Salvador: International Control Stategy Report 2011; aufgerufen am 20.03.2014
  10. North Country Public Radio: El Salvadors New President faces gangs, Poverty and Instability; erschienen am 19.03.2014; aufgerufen am 20.03.2014 

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