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Kolumbien ändert den Kurs in der Drogenpolitik

| Bild: © Tifonimages - Dreamstime.com

Es gibt viele Stimmen, die die Effektivität des Drogenkriegs und die militärische Härte, mit der viele Regierungen gegen die Drogenkartelle vorgehen, hinterfragen und kritisch bewerten. Viele der Kritiker sehen die Legalisierung von Drogen als eine Lösung. Aber gibt es auch einen dritten Weg?

Der Drogenkrieg in Lateinamerika hatte partielle Erfolge. Zwischen Mitte des 19. Jahrhunderts und Mitte der 1980er Jahre kamen Kokablätter und Kokain hauptsächlich aus Peru und Bolivien. Die Produktion verlagerte sich allerdings nach Kolumbien, als der amerikanisch geführte Drogenkrieg anfing in Peru und Bolivien erste Erfolge zu zeigen, beispielsweise durch Eradikationsprogramme. Im Jahr 2000 wurden als Resultat geschätzte 90 Prozent der Kokablätter in Kolumbien produziert.

Partielle Erfolge finden sich oft im Kampf gegen Drogen – auch in Kolumbien. In den 1990er Jahren gelang es dort durch militärisches Vorgehen und Verhandlungen die zwei wichtigsten Kartelle zu zerschlagen, das Medellín und das Cali Kartell. Obwohl einige große Kartelle (z.B. das Kartell del Norte del Valle) in dem Land weiter operieren konnten, führte die Auflösung der Medellín und Cali Kartelle zu einer Zersplitterung der kriminellen Netzwerke. Um die 300 kleineren Drogenschmuggelorganisationen, cartelitos genannt, füllten das entstandene Vakuum. Sie sind jedoch weitaus schwieriger aufzuspüren und zu bekämpfen, als ihre großen Vorgänger. Des Weiteren stiegen Guerrillas und paramilitärische Einheiten in den Kokaanbau und seine Weiterverarbeitung ein, beispielsweise die Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC). Die FARC ist eine Gruppe linker Guerillas, welche sich bereits in den 1960er Jahren zusammenschloss, um das damalige Regime zu bekämpfen. Es kam zu Gebietsstreitigkeiten und die Gewalt geriet außer Kontrolle. Kolumbien wurde Anfang des neuen Millenniums zu einem der gefährlichsten und gewalttätigsten Länder der Welt. 1)

Ein Problem ist, dass die Ursachen des Kokaanbaus meist sozialer Natur sind. Die Kokapflanze ist genügsam und bietet den Bauern wenigstens eine kleine Einnahmequelle. Den Leuten in entlegenen Regionen bleibt zum Überleben oft nichts anderes übrig als Koka anzubauen – sie sind bitterarm. Trotzdem ist der Verdienst durch den Kokaanbau gering. Der Grundstoff der Kokainproduktion wird nur mit ein bis zwei Prozent des später in den USA erzielten Großhandelspreises bezahlt.

Trotzdem sind es sehr oft auch die Armen, die im Drogenkrieg eine Zielscheibe sind. Eradikationprogramme beispielsweise schaden hauptsächlich den Bauern und entziehen ihnen jegliche Lebensgrundlage. Es wurden nicht nur Kokasträucher aus dem Boden gerissen, sondern es kam auch zur Besprühung mit Herbiziden aus dem Flugzeug. Dies hatte jedoch gravierende Folgen: Große Flächen des Regenwaldes wurden zerstört, genauso wie von Bauern zur Selbstversorgung genutzte Felder und Projekte, die von internationalen Hilfsorganisationen gefördert wurden und die Bauern beim Umstieg von Koka auf andere Agrarpflanzen unterstützen sollten. Die Besprühung hatte nicht nur schwere ökologische Folgen, auch die Gesundheit der Bevölkerung wurde angegriffen. Zudem eskalierte der Konflikt mit den Guerillas, die sich infolgedessen auf die Seite der Bauern stellten. Der Anbau von Koka hingegen wurde nicht verhindert – er verlagerte sich in andere Gebiete. 2)

Heute ist Kolumbien eines der Länder, welches nicht nur auf den Drogenkrieg setzt , sondern auch versucht Ursachen statt Symptomen zu bekämpfen. Das Land setzt auf wirtschaftliches Wachstum sowie Armutsbekämpfung. Es muss möglich sein, sein Lebenseinkommen außerhalb krimineller Gangs und den Kartellen zu verdienen. Nur dann wird deren Einfluss anfangen abzunehmen. 3)

Aktuell scheint Kolumbien auf einem guten Weg zu sein, was das wirtschaftliche Wachstum und die Armutsbekämpfung angeht. Kolumbien ist nun, nach Brasilien und Mexiko, die drittgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas. 4) Unter anderem durch einen Arbeitsanstieg im Tourismussektor fiel die Arbeitslosenquote im Oktober letzten Jahres auf 7,8 Prozent – die niedrigste Quote seit 1995. Zudem hat sich die Inflation verlangsamt. Die Kosten für Unterkunft sowie Essen fielen und infolge stiegen Verbraucherpreise 2013 nur um 1,76 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – so langsam wie schon seit 1955 nicht mehr. 5)

Gleichzeitig bemüht sich die Regierung Kolumbiens um Friedensverhandlungen mit den FARC Guerillas. In Kuba finden bereits seit dem Herbst 2012 Friedensgespräche statt. In zwei von fünf Gesprächspunkten, „ländliche Entwicklung“ und „politische Teilhabe“, herrscht derzeit Konsens. Einigungen zu den Punkten „Drogen, Entschädigung für die Opfer und Beendigung des bewaffneten Konflikts“ stehen noch aus. 6)

Nichtsdestotrotz, Kolumbien existiert nicht in einem Vakuum. Wenn der Kurs Erfolg zeigt und weniger Koka in Kolumbien angebaut und weiterverarbeitet wird, dann ist das noch lange keine Garantie, dass der Drogenhandel in Lateinamerika geschwächt oder gar besiegt wird. Man konnte in der Vergangenheit schon oft beobachten, wie sich Anbau und Produktion verlagerten und neue Akteure die alten Nischen besetzten. Dennoch ist eine positive Entwicklung Kolumbiens vielleicht der Stein, der eine größere Welle des Umdenkens ins Rollen bringt und Nachbarländern als Vorbild dienen kann.

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Woodrow Wilson International Center for Scholars/Latin America Program, August 2012: Drug trafficking and organized crime in the Americas: major trends in the twenty-first century – aufgerufen am 17.04.14
  2. Der Freitag, 09.04.14: Kolumbien: Landraub und Bürgerkrieg – aufgerufen am 17.04.14
  3. The Observer, 08.02.14: The lesson from Latin America: we need to rethink the drugs war – aufgerufen am 17.04.14
  4. International Business Times, 25.03.14: Colombia surpasses Argentina as Latin America’s third-largest economy due to inflation, currency changes, GDP growth – aufgerufen am 17.04.14
  5. Bloomberg, 19.12.14: Colombia’s economy expands at fastest pace in six quarters – nicht mehr verfügbar
  6. Auswärtiges Amt, März 2014: Kolumbien: Innenpolitik – aufgerufen am 23.04.14

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