Zum Inhalt springen

Friedensverhandlungen in Kolumbien: Straflosigkeit als Preis für den Frieden?

| Bild: © n.v.

Die FARC verfolgte einst Ziele wie die Bekämpfung sozialer Ungleichheit, des Imperialismus und der Oligarchie. Doch im Laufe der Jahre hat sich das gewandelt und der Profit stand immer mehr im Vordergrund. Dabei haben sie auch nicht vor Entführungen, Zwangsrekrutierungen oder Morden zurückgeschreckt. Seit ca. 1980 sind sie aus demselben Grund auch in den Drogenhandel verwickelt. (wir berichteten) Doch das soll sich nun alles ändern. Seit Oktober 2012 finden im kubanischen Havanna Friedensverhandlungen zwischen der FARC und der kolumbianischen Regierung statt. Bisher haben sie sich in den Punkten Landreform, politischer Teilhabe und illegaler Drogenhandel einigen können. Im Moment befinden sie sich im Gespräch über die Entschädigung der Opfer.

Am 6. November letzten Jahres wurde die politische Partizipation der FARC beschlossen, obwohl sich laut der Umfrage vom „Observatorium Demokratie in den Anden“ der Universität von Bogotá 59% die Friedensgespräche wünschen, sprechen sich 69% der 1.500 Befragten gegen eine Teilnahme der FARC am politischen Leben aus. In den betroffenen Konfliktregionen lag die Ablehnung sogar bei 83%. Die Einigung soll es ehemaligen FARC Mitgliedern ermöglichen mit einem „provisorischen“ Mandat, besonders vom Krieg betroffene Regionen in der Abgeordnetenkammer des Kongresses zu vertreten. 1) Sofern demobilisierte Guerillakämpfer keine Verbrechen wie Völkermord, Vertreibung, Geiselnahmen oder Rekrutierung von Kindersoldaten begangen haben, dürfen sie ein politisches Amt übernehmen. Wenn der Friedensvertrag bis zu den Oktoberwahlen im nächsten Jahr unterschrieben sein sollte, werden die Guerillas der FARC erstmals die Möglichkeit der politischen Teilhabe bekommen. 2) Werden damit alle Gräueltaten der FARC einfach vergessen? Gewährt man den ehemaligen Kämpfern, Mördern und Entführern von heute auf morgen Amnestie? An sich verbieten internationales Recht und die kolumbianische Verfassung Amnestien für schwere Verbrechen, doch hier wird anscheinend eine Ausnahme zu Gunsten des Friedens gemacht. 3) Da stellt sich die Frage, ob dies wirklich gerechtfertigt ist.
Für die FARC ist die Rückkehr in die Politik auf jeden Fall ein großer Erfolg, denn militärisch waren sie auf dem Tiefpunkt ihrer Geschichte und nun erhoffen sie sich, sich durch die Politik wieder zu rehabilitieren. 4) Das wird aber gar nicht so leicht werden, denn selbst unter weiten Teilen der Linken fehlt ihnen die Unterstützung und die bisherigen Alliierten Kuba und Venezuela drängen auf ein Ende des bewaffneten Konfliktes. Die FARC hofft, dass mit dem Abschluss des Friedensvertrages die Stigmatisierung der Linken als Guerilla-Sympathisanten ein Ende findet und somit ihr Stimmenanteil wächst. 5)

In den Verhandlungen im Mai hat die FARC versprochen, alle Minen, die sie aus Sicherheitsgründen um die Kokafelder gelegt hatten, zu entfernen und auf die Besteuerung von Drogenanbau bzw. –herstellung zu verzichten. Außerdem wollen sie Bauern ermutigen andere Pflanzen anzubauen. Von der Regierung fordern sie die Glyphosat-Besprühung der Kokafelder zu beenden. Bisher war die FARC ein wichtiger Akteur sowohl in der Drogenherstellung als auch im Drogenhandel und nutzte dies als Haupteinnahmequelle. Zusammen mit kriminellen Banden haben sie nahezu alle Drogenanbaugebiete beherrscht, unter anderem auch die Regionen Catatumbo, Meta-Guaviare und Nariño, welche bekannt sind für den Kokaanbau. 6) Der ehemalige Präsident Uribe bezeichnet die FARC als größtes Drogenkartell der Welt. 7) Wenn das stimmen sollte, bedeutet ein Friedensvertrag dann das Ende für den Drogenhandel? Fachleute bezweifeln dies, denn weder Regierung noch FARC können das Gesetz von Angebot und Nachfrage beeinflussen. Es ist gut möglich, dass sich der Kokaanbau in andere Gebiete oder Länder verlagert. Peru beispielsweise produziert schon heute mit 300 Tonnen pro Jahr die gleiche Menge an Kokain wie Kolumbien. Solange es genügend Nachfrage gibt und den Kokabauern keine Alternative geboten wird, wird es sowohl in Kolumbien als auch in anderen Ländern Kokainproduktion geben. 7)

In den letzten beiden Verhandlungspunkten müssen sich die Parteien noch auf ein Programm zur Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration der FARC Mitglieder einigen und entscheiden, ob es eine Volksabstimmung zum Friedensvertrag geben soll. Der Friedensvertrag würde für viele ehemalige FARC Kämpfer auch ein Ende ihrer Untergrundexistenz bedeuten. Vielleicht waren sie früher Bauern, doch ihre Felder sind nun verwüstet oder werden von anderen genutzt, oder sie haben als Kindersoldaten nichts anderes als Töten gelernt. Wie geht man mit solchen Menschen um? Die Gesellschaft wird sie nicht mit offenen Armen empfangen, sondern ihnen ängstlich oder feindlich gegenüberstehen. Um diese schwierige Aufgabe zu bewältigen hat Präsident Juan Manuel Santos ein neues „Post-Konflikt-Ministerium“ geschaffen, das sowohl Wiedereingliederungsprogramme aufstellen als auch Sicherheits- und Menschenrechtspolitik koordinieren soll. 2) Zusätzlich bleibt die Frage offen, wie effektiv eine Entwaffnung in einem Land sein kann, in dem der Zugang zu Waffen ein leichter ist. 3) Es gibt noch viele ungeklärte Fragen in diesen Friedensverhandlungen und man kann nur hoffen, dass sie in den nächsten Monaten ausgiebig besprochen werden.

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Deutsche Welle: Frieden schaffen mit Waffen – zuletzt aufgerufen am 03.09.2014
  2. Deutsche Welle: Friedensgespräche: Die Stolpersteine – zuletzt aufgerufen am 03.09.2014
  3. Heinrich-Böll-Stiftung: Kolumbien: Nach Santos Wahlsieg bleiben Hürden im Friedensprozess – zuletzt aufgerufen am 03.09.2014
  4. Der Tagesspiegel: Kolumbiens Präsident vermeldet Erfolge in den Verhandlungen mit den Rebellen – zuletzt aufgerufen am 03.09.2014
  5. Friedrich Ebert Stiftung: Abkommen ja, Frieden nein? – zuletzt aufgerufen am 03.09.2014
  6. Frankfurter Allgemeine: Farc und Regierung gehen gemeinsam gegen Drogen vor – zuletzt aufgerufen am 03.09.2014
  7. Neue Zürcher Zeitung: Farc-Guerilla schliesst sich Kampf gegen Drogen an – zuletzt aufgerufen am 03.09.2014
Schlagwörter:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert