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Von der Bürgerwehr zum Drogendealer – Wie die kolumbianischen Selbstverteidigungsgruppen zu Kriminellen wurden

| Bild: © n.v.

Am 18. April nahm die kolumbianische Polizei mehrere Personen fest, die unter Verdacht stehen, Drogen per Flugzeug von Kolumbien nach Panama und Honduras geschmuggelt zu haben. Die Verdächtigen, darunter auch ein Pilot, gelten als Anführer eines Netzwerkes, das den transnationalen Kokainhandel für die kriminelle Gruppierung Los Urabeños durchführte. Nach Angaben der kolumbianischen Behörden hat das Netzwerk bereits über sechs Jahre mit der neo-paramilitärischen Vereinigung in diesem Bereich zusammengearbeitet. 1)

Bereits drei Tage später wurden in einer groß angelegten Aktion 72 mutmaßliche Mitglieder der Urabeños festgenommen. Dario Antonio Usuga („Otoniel“), der Anführer der organisierten Verbrecher, konnte jedoch bisher nicht gefasst werden. Er ist heute einer der letzten großen kolumbianischen Drogenbosse, der nicht tot ist oder hinter Gittern sitzt. 2)

Die Urabeños sind eine der ambitioniertesten, skrupellosesten und aggressivsten Organisationen von Drogenhändlern in Kolumbien. Sie entstanden aus der berüchtigten paramilitärischen Vereinigung AUC (Autodefensas Unidas de Colombia). Wo immer ihre Mitglieder auftauchen, steigt die Mordrate sprunghaft an.

Die AUC wurde Mitte der 90er Jahre als loser Zusammenschluss regionaler Selbstverteidigungsgruppen gegründet. Mit dem gemeinsamen Ziel, die linksgerichteten Guerilla-Rebellen zu vertreiben und die nationale Sicherheit wieder herzustellen, kämpften sie zunächst auch mit der Unterstützung des kolumbianischen Militärs gegen die FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia). Nachdem die Guerilla-Gruppen zunehmend Kontrolle über Drogenregionen suchten, wurden die Auseinandersetzungen jedoch immer mehr zu einem Kampf über das Vorrecht zur Kokainproduktion. Statt die Zivilbevölkerung zu schützen, kam es immer wieder zu Massakern an Menschen, denen eine Partisanenschaft mit der FARC vorgeworfen wurde. Schnell wuchs die AUC zu der weltweit größten Organisation von Drogenhändlern an. Bevor es jedoch zu einem Showdown mit US-amerikanischen und kolumbianischen Truppen kommen konnte, trat die paramilitärische Gruppe in Friedensverhandlungen mit der Regierung Kolumbiens ein. Bevor diese jedoch im Jahr 2006 beendet wurden, spalteten sich verschiedene kriminelle Gruppierungen ab, die unter der Bezeichnung  BACRIM (bandas criminales) zusammengefasst werden und zu denen auch die Urabeños zählen. Das Erbe der Paramilitärs belastet Kolumbien noch heute. Mitglieder der AUC hatten den Staat und politische Parteien infiltriert, wie Untersuchungen zeigten. Die Tradition der Korruption untergräbt und demoralisiert weiterhin die kolumbianische Regierung und bleibt ein wesentlicher Faktor für die fortwährende Gewalt im Land. 3)

Nach Angaben der kolumbianischen Polizei sind die Urabeños mit nahezu 3.000 Mitgliedern ungefähr zehnmal größer als die nächstgrößte neo-paramilitärische Vereinigung. Die herausragende Stellung der gefürchteten Organisation unter den BACRIM (bandas criminales) ist nicht nur durch ihre personelle Stärke bedingt, sondern auch durch ihre außerordentliche militärische Disziplin. Indem die Zivilbevölkerung gewaltsam unterdrückt wird und lokale Straßengangs unter Vertrag genommen werden, sichert sich „Otoniel“ die strategisch günstige Stellung an der karibischen Küste von Kolumbien. 4)

Auch die erfolgreichen Einsätze des kolumbianischen Militärs gegen rivalisierende Gruppen begünstigten den rasanten Aufstieg der Urabeños. Bei weniger Konkurrenz und gleichzeitig mehr freien Territorien konnte die neo-paramilitärische Vereinigung exponentiell anwachsen und ihren Einfluss vergrößern. Dabei beschränkt sich das Geschäft der kriminellen Bande nicht allein auf den Drogenhandel. Die illegale Verbreitung von Kokain macht nur die Hälfte ihrer Einnahmen aus. Die Urabeños verfügen über vielfältige kriminelle Einnahmequellen, wie beispielsweise Erpressung, Auftragsmord oder illegaler Kohleabbau. 5)

Es ist nicht wahrscheinlich, dass dieser neueste Schlag die kriminelle Vereinigung ins Wanken bringen wird. Solange die Urabeños diszipliniert zu ihren Waffenbrüdern halten, ist eine Zerschlagung der Gruppe nicht in Sicht. Die Festnahme von „Otoniel“ könnte hingegen zu einem „Thronfolgerstreit“ oder einer Spaltung führen, wodurch sich den kolumbianischen Behörden mehr Angriffsfläche bieten würde. Andererseits könnte sich die Regierung nach einer Spaltung aber auch mit mehr feindlich gesinnten Gruppierungen konfrontiert sehen. Die Erfassung des Drogenbosses muss dennoch höchste Priorität bleiben.

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. InSightCrime: Colombia Dismantles Urabeños Drug Plane Network – aufgerufen am 27.4.2015
  2. Colombia Reports: Offensive against Urabeños show a results, even though boss ‘Otoniel’ remains elusive – aufgerufen am 27.4.2015
  3. InSightCrime: AUC – aufgerufen am 28.4.2015
  4. InSightCrime: Urabeños – aufgerufen am 27.4.2015
  5. Los Angeles Times: Colombia’s Urabeños criminal gang traffics in mayhem – aufgerufen am 27.4.2015

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