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Ein argentinischer War on Drugs könnte schwerwiegende Folgen haben

| Bild: © Jmrobledo - Dreamstime

Im Zuge der Präsidentenwahl in Argentinien am 25. Oktober 2015 verkündeten alle drei Kandidaten, dass sie mit harter Hand gegen die Produktion, den Handel und den Konsum von Drogen vorgehen werden. Während Daniel Scioli und Mauricio Macri Maßnahmen wie die Aufstockung der Polizei und Eradikation ankündigen, spricht sich Sergio Massa explizit für militärische Maßnahmen aus. Dies ist kritisch zu sehen: Eine „Haudrauf“-Methode kann ein komplexes Problem wie den Drogenhandel nicht lösen. Statt die Strukturen von organisierter Kriminalität ausfindig zu machen, könnte eine militärische Offensive einen Angriff auf die eigene Bevölkerung bedeuten. 1) Besonders im Hinblick auf Argentiniens Geschichte wirkt eine Militärintervention bedrohlich: Unter der blutigen Gewaltherrschaft des Militärs in den 1970er Jahren verschwanden etwa 30.000 Menschen. 2)

Die Drogenverbreitung in Argentinien ist eine große politische und soziale Herausforderung. 25 Prozent der argentinischen Bevölkerung zwischen 15-64 Jahren haben mindestens einmal Kokain konsumiert. Das lateinamerikanische Land ist der drittwichtigste Kokain-Exporteur nach Europa. In Laboren wird aus der Koka-Paste Kokain und das Nebenprodukt „paco“ hergestellt, das hauptsächlich ärmere Leute konsumieren. 3) Aus der zunehmenden Verbreitung resultieren Ängste, dass der Drogenschmuggel, der mit Gewalt und organisierter Kriminalität einhergeht, vor allem die ländlichen Regionen zusehend beherrscht. 2013 wurde bekannt, dass Polizeioffiziere in den Provinzen Córdoba und Santa Fe am Drogenhandel beteiligt waren.

Eine Gruppe von argentinischen Experten aus verschiedenen Bereichen kritisiert allerdings die Lösungsansätze der Präsidialkandidaten. Sie fordern, dass die Regierung sich in der Drogenpolitik auf eine Debatte einlässt, die auf Wissen und Fakten beruht, anstatt auf plumpe Stimmungsmache zu setzen. Um das Militär überhaupt einsetzen zu können, müsste der Präsident zwei Gesetze aufheben, die ein militärisches Vorgehen für die Einhaltung der inländischen Sicherheit ausschließen. Diese entstanden nach der militärischen Gewaltherrschaft in Argentinien, um die Bevölkerung zu schützen.

Eine militärische Intervention zu fordern, um Stimmen zu erhalten, ist laut dem früheren Minister des Sicherheitsrats Luis Tibiletti sehr gefährlich. Die Bekämpfung der Drogenkriminalität durch militärische Kräfte nach dem Beispiel von Mexiko oder Kolumbien könnte die Gesellschaft zunehmend militarisieren und damit die Probleme eher verschärfen. Seiner Meinung nach begründen sich die angekündigten Maßnahmen von Massa durch Druck aus den USA, die eine militärische Lösung gutheißen würde. Der frühere Botschafter Lopez fordert, sich auf die Menschen statt auf die Drogen zu fokussieren. Um eine Veränderung hervorzurufen, muss die wirtschaftliche und soziale Lage von allen Bevölkerungsschichten nachhaltig verbessert werden. Kein Krieg könne Sicherheit schaffen: Wie der War on Drugs in Mexiko und Kolumbien verläuft, liefere hierzu das beste Beispiel.

In dem Report „Ending the War on Drugs“ von 2014 stellen unterschiedliche Experten fest, dass das Vorgehen gegen den Drogenhandel in Mexiko und Kolumbien gescheitert ist und enorme, negative Konsequenzen nach sich zieht. Der Ansatz der USA, repressiv gegen organisierte Kriminalität im Drogenhandel vorzugehen, sei nicht von Nutzen. Stattdessen müsse auf eine Analyse und Bekämpfung der Probleme, die Menschen in den Drogenhandel treibe, gesetzt werden.
Seit der War on Drugs 2006 in Mexiko begann, wurden 100.000 Mexikaner getötet oder verschwanden. Der Drogenhandel wurde allerdings keineswegs eingedämmt: Das Kokain, das durch Mexiko in die USA gelangt, bringt jährlich etwa 19-29 Milliarden US-Dollar Gewinn.

Wenn Erfolg an Verhaftungen, Inhaftierungen und Beschlagnahmungen gemessen wird, liefert dies zwar kurzfristig positive Schlagzeilen. Allerdings werden längerfristig ganze Bevölkerungsteile kriminalisiert, die oft aus reiner Armut in den Drogenhandel verwickelt sind, während die Strukturen des Drogenproblems nicht angegangen werden. Daraus resultiert eine Spirale aus Armut, Korruption und Gewalt und die Probleme verschärfen sich nur. Es bleibt zu hoffen, dass die Wähler sich nicht von kurzfristig erfolgsversprechenden Maßnahmen überzeugen lassen.

„Wenn du keine Lösungsansätze für marginalisierte Bevölkerungsteile bietest, kannst du so viele Armeen haben, wie du willst, aber du wirst nicht das Problem der Kriminalität lösen.“, so Tibiletti. 4)

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. The Argentinia Independent: The Dangers of Launching a New ‚War on Drugs‘ in Argentinia; Link nicht mehr abrufbar – 11.05.2018
  2. DW: Fakten zur argentinischen Militärdiktatur – zuletzt aufgerufen am 12.10.2015
  3. Frankfurter Rundschau: Von Drogen regiert – zuletzt aufgerufen am 12.10.2015
  4. The Argentinia Independent: The Dangers of Launching a New ‚War on Drugs‘ in Argentinia; Link nicht mehr abrufbar – 11.05.2018

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