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Iran: Legaler Konsum nach Jahrzehnten grausamer Hinrichtungen?

| Bild: © Willeecole - Dreamstime

Der Iran sorgt hinsichtlich seiner Hinrichtungen für Drogendelikte immer wieder für negative Schlagzeilen. Allein 2011 wurden fast 500 Menschen aus diesem Grund exekutiert. 1)  Fast immer erscheint als Beispiel für  besonders repressiven Staaten in der Drogenpolitik die Islamische Republik. Die Herangehensweise des Staates an die Drogenproblematik ist paradox: Im Gegensatz zu der Anwendung der Todesstrafe stehen oft progressive Therapiemaßnahmen für Süchtige. Bei einer kürzlich gehaltenen Konferenz über Sucht im September argumentierte der prominente, iranische Funktionär Saeed Sefatian für eine Legalisierung von Cannabis und Opium.

Sefatian ist Chef der Arbeitsgruppe zur Reduktion der Nachfrage nach Drogen im iranischen Schlichtungsrat. Dieser Schlichtungsrat ist ein mächtiges institutionelles Organ im Iran und zuständig für bedeutende politische Entscheidungen. Die Entscheidung über Drogengesetze liegt im Gegensatz zu anderen Gesetzgebungen allein beim Schlichtungsrat. In diesem Sinne könnte der Vorstoß von Sefatian richtungsweisend sein.

Seit 2000 gibt es im Iran Schadenbegrenzungsprogramme, die Süchtigen eine Therapie und eine Reintegration ins Leben ermöglichen sollen. Durch die Bereitstellung von sauberem Spritzbesteck und Methadon wurde eine HIV-Epidemie verhindert und die Zahl von Neuinfektionen massiv eingedämmt, was dem Land internationale Anerkennung einbrachte. Die WHO lobte die innovative und effiziente Herangehensweise von iranischen Kliniken. 2)  Allerdings sind auch mindestens 2,2 Millionen von den 80 Millionen Einwohnern Irans süchtig nach illegalen Drogen – davon befinden sich 1,3 Millionen in registrierten Behandlungsprogrammen. Viele private Betreiber von Rehabilitationsprogrammen fordern mehr finanzielle Unterstützung vom Staat.

Obwohl die Anwendung der Todesstrafe für Drogendelikte stetig steigt – 9 von 10 Hinrichtungen werden aus diesem Grund ausgeführt – gibt es einen konstanten Anstieg an Süchtigen. Der Iran ist quasi prädestiniert für eine hohe Zahl an Drogenkonsumenten: Das Land liegt direkt neben Afghanistan, das etwa 75 Prozent der weltweiten Heroin-Nachfrage deckt. Besonders junge Menschen geraten leicht in eine Abhängigkeit, weil sie oft Drogen konsumieren, um dem enormen Leistungsdruck standzuhalten. 3)  Vor allem in den letzten Jahren war die wirtschaftliche Lage schwierig: Aufgrund von UN-Sanktionen infolge des Atomstreits wurde die Wirtschaft Irans extrem geschwächt. Große Teile der vorwiegend jungen Bevölkerung mussten mehreren Jobs nachgehen, um ihr Überleben zu sichern. 4)

Aus diesem Grund schlägt Sefatian keine unregulierte Legalisierung von illegalen Drogen, sondern eine Cannabis- und Opiumkultivierung unter den Augen des Staates vor. Somit könnte sowohl der Anbau, die Produktion und auch der Konsum vom Staat kontrolliert und reguliert werden. Zum Beispiel soll der Konsum nicht auf öffentlichen Plätzen stattfinden und Opium erst ab einem gewissen Alter herausgegeben werden. Konservative Politiker argumentieren, dass Drogenkonsum schlichtweg kriminell ist und damit immer unterdrückt werden muss – ähnliche Argumente werden in vielen westlichen Staaten formuliert.

Die Möglichkeit einer Legalisierung würde allerdings viele Vorteile mit sich bringen: Der Anteil an Gefängnisinsassen, die wegen Drogendelikten eingesperrt wurden, liegt bei etwa 60-70 Prozent. Eine Entlassung würde somit zu einer Entlastung der Gefängnisse und einer Verstärkung der Arbeitskraft im Land führen. Außerdem könnte statt kriminellen Netzwerken der Staat Einnahmen aus dem Drogenanbau nutzen, wovon die Wirtschaft enorm profitieren würde. Diese Einnahmen könnten neben dem Ausbau von Infrastruktur und Tourismus in eine Stärkung der Reintegration von Abhängigen fließen. Außerdem würde durch eine Legalisierung seitens des Staates die Stigmatisierung von Drogensüchtigen                                              und Konsumenten eingedämmt. Damit würden mehr Menschen aus der Isolation in die Mitte der Gesellschaft gelangen und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes fördern.

Die Zahl von Hinrichtungen würde enorm sinken, was auch die internationale Wahrnehmung des Staates zu einem Positiveren ändern könnte. Obwohl das Drogenproblem damit nicht komplett beseitigt wäre, ist die angestoßene Debatte auf jeden Fall ein Vorstoß in eine humanere Richtung in der Drogenpolitik. In Bezug auf eine zu erwartende steigende Nachfrage nach Drogen im Mittleren Osten und Nordafrika, die sich in unmittelbaren Krisen befinden, könnte der Iran so als Vorbild in einer progressiven Drogenpolitik fungieren.
“Drogensucht ist ein Fakt. Sie kann nicht eliminiert werden, aber man kann das Problem korrekt angehen.“, so ein Manager von einem Drogenbehandlungsprogramm in Teheran. 2)

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Amnesty International: Iran: Welle von Hinrichtungen im Kampg gegen Drogen – zuletzt aufgerufen am 03.11.2015
  2. The Conversation: Could Iran be the next country to legalise cannabis and opium? – zuletzt aufgerufen am 03.11.2015
  3. CTV News: Methamphetamine abuse a rising public health threat in Iran – zuletzt aufgerufen am 03.11.2015
  4. Der Tagesspiegel: Der Iran am Rande des Zusammenbruchs – zuletzt aufgerufen am 03.11.2015

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