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Nehmen Los Urabeños den Platz der FARC ein?

| Bild: © n.v.

Am 3. November 2015 startete Kolumbien den ersten Luftangriff auf die kriminelle Organisation Los Urabeños. Dieser Schritt könnte den politischen Werdegang von kriminellen Gruppierungen in Kolumbien entscheidend beeinflussen. Bis zuletzt hat es die kolumbianische Regierung unterlassen, Luftangriffe gegen die bewaffneten neo-paramilitärischen Gruppen, kurz BACRIM, zu fliegen – aus Angst, dies würde ihnen einen politischen Status zusprechen. 1)

Die Urabeños gelten inzwischen als die mächtigste kriminelle Organisation Kolumbiens. Sie entstanden zusammen mit anderen kriminellen Gruppierungen, als Anfang des 21. Jahrhunderts die rechtsgerichtete, paramilitärische Gruppe AUC demobilisiert wurde. Die kriminellen Organisationen werden in ihrer Gesamtheit BACRIM, kurz für bandas criminales, genannt. Von der kolumbianischen Regierung werden die Urabeños als die einzige bestehende Gruppierung der BACRIM mit einer nationalen Reichweite eingestuft. 2) Die Gruppe selbst sieht sich als dritten Akteur in Kolumbiens langem, bewaffnetem Konflikt.

Der Luftangriff schließt sich an eine Reihe aus Maßnahmen gegen die Urabeños an, die seit acht Monaten in der gemeinsamen polizeilichen und militärischen Operation „Agamemnon“ durchgeführt werden. Dabei wurden bereits 300 Mitglieder der Gruppe festgenommen. Es wird vermutet, dass einer der Anführer der Gruppe, Roberto Vargas Gutierrez, alias Gavilan, bei dem Bombardement getötet wurde.

Allerdings ist noch nicht vollständig geklärt, ob der Luftangriff überhaupt legal ist. Eine Entscheidung über das Bombardement von kriminellen Gruppierungen bleibt kontrovers, da dazu noch keine rechtlichen Richtlinien erlassen wurden.

Ein möglicher Beweggrund für das Bombardement sind die Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und der Guerillagruppe FARC. Bis März 2016 soll ein Friedensvertrag ausgehandelt werden. Allerdings fordern die Rebellen, dass die Regierung Schritte gegen die Urabeños einleitet – ansonsten wollen sie ihre Waffen nicht niederlegen. Neben der FARC sind diese die wichtigsten Akteure im illegalen Drogenhandel. Das Militär könnte außerdem daran interessiert sein, seine Machstellung durch den Fokus auf neue Ziele zu sichern – vor den Friedensverhandlungen bedienten die FARC das klare Feindbild.

Die Operation Agamemnon hat den Drogenhandel in dem Ursprungsgebiet der Urabeños, Uraba, bereits massiv eingedämmt. Sofern Gavilan, der die Drogenhandelsrouten nahe der Grenze zu Panama kontrolliert, tatsächlich getötet wurde, wäre dies ein herber Rückschlag für die Gruppe. Auf den zunehmenden Druck reagieren die Urabeños aber auch mit zunehmender Gewalt: In der Region Choco, im Nordwesten Kolumbiens, nahe Panama, kam es vermehrt zu gewalttätigen Konflikten mit anderen Rebellengruppen. 1)

Die Friedensverhandlungen mit der FARC sehen vielversprechend aus, eine Demobilisierung und Beendigung des jahrzehntelangen Konflikts scheinen greifbar. Die Friedensverhandlungen sind ein wichtiges Zeichen für Kolumbien und führen definitiv in die richtige Richtung. Allerdings wird dies nicht allein alle Probleme lösen: Kriminelle Gruppierungen spekulieren auf die Vormachtstellung im Drogenhandel, die zuvor durch die FARC markiert wurde. Die FARC war ein wichtiger Akteur im Drogenhandel. Besonders die zunehmende Gewalttätigkeit und der steigende Machteinfluss der Urabeños sind besorgniserregend. 3)  Es liegt nun an der Regierung, die innenpolitische Gesamtlage zu stabilisieren und alle teilnehmenden Gruppen zu adressieren. Doch wie wird das Land das Machtvakuum, das auf die Demobilisierung der FARC folgen könnte, füllen? Das Bombardement ist möglicherweise bereits ein Vorgeschmack auf die Vorgehensweise.

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. InSightCrime: Aerial Bombing Potential Game Changer for Colombias BACRIM – zuletzt aufgerufen am 09.11.2015
  2. InSightCrime: Urabeños – zuletzt aufgerufen am 09.11.2015
  3. InSightCrime: Colombia’s BACRIM Expand as FARC Talks Peace – zuletzt aufgerufen am 09.11.2015

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