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Leid statt Lösung: Masseninhaftierungen von Frauen

„Ich bin keine Kriminelle. Ich habe es aus Liebe getan“, sagt Ángela, 24 Jahre alt, über sich. Sie ist Mutter von drei Kindern – und wurde vor vier Jahren zu sechs Jahren Haft verurteilt, weil sie Drogen in ein kolumbianisches Gefängnis schmuggelte, in dem der Vater zweier ihrer Kinder wegen eines Raubüberfalls saß. | Bild: © n.v.

„Ich bin keine Kriminelle. Ich habe es aus Liebe getan“, sagt Ángela, 24 Jahre alt, über sich. Sie ist Mutter von drei Kindern – und wurde vor vier Jahren zu sechs Jahren Haft verurteilt, weil sie Drogen in ein kolumbianisches Gefängnis schmuggelte, in dem der Vater zweier ihrer Kinder wegen eines Raubüberfalls saß. Dieser hatte sie zu der Tat gedrängt. Während ihrer Haft in Bogotá erlebt Ángela immer wieder rassistische Gewalt, weil sie Afro-Kolumbianerin ist. 1)

Ihre Geschichte hängt mit einem erschreckenden Trend zusammen: In Lateinamerika werden immer mehr Frauen wegen Drogendelikten inhaftiert. Die Zahl der weiblichen Inhaftierten stieg um über 50 Prozent zwischen 2000 und 2015, während die Zahl der männlichen Inhaftierten im selben Zeitraum um nur 20 Prozent wuchs.  2) Die meisten Frauen werden wegen kleiner, gewaltfreier Vergehen verurteilt und bekommen dafür unangemessen hohe Haftstrafen. Das ist fatal für die Frauen, die oftmals Ersttäter und in der Regel wenig gebildet sind. Doch auch für ihr soziales Umfeld haben die drastischen Strafen gravierende Konsequenzen. Meist sind es Frauen, die ihre Familien versorgen und die Kinder großziehen. Sind sie im Gefängnis, haben ihre Angehörigen niemanden mehr.

Masseninhaftierungen sind Teil des von den USA lancierten War on Drugs. Dieser dient in erster Linie ihren ökonomischen und politischen Interessen. Doch der Nutzen solcher unerbittlicher Maßnahmen ist fraglich.

Die Befürworter vertreten die Meinung, die Inhaftierungen dienten als Abschreckung, schützten die Gesellschaft vor Kriminellen und hätten außerdem erzieherischen Wert. Für inhaftierte Frauen in Lateinamerika aber gelten diese Gründe nicht.

Im Falle der Abschreckung wird angenommen, dass die Angst, eingesperrt zu werden, schwerer wiege als jeglicher Gewinn, der aus Drogengeschäften zu erzielen sei. Doch meistens ist das nicht so: Frauen, insbesondere die mit geringer Bildung, sind oft vom formalen Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Der Drogenhandel kann hier als lukrative Alternative dienen, vor allem, weil Frauen in diesem Bereich flexibel arbeiten und sich gleichzeitig um ihre Familien kümmern können. Wichtig in diesem Zusammenhang ist darüber hinaus, dass kriminelle Netzwerke meist patriarchal strukturiert sind und Frauen nur niedere Arbeiten verrichten. Deshalb sind sie leicht austauschbar, sollten sie verurteilt werden. Eine Gesellschaft wird also nicht vor Gewalt und Unrecht der Drogenkartelle geschützt, indem die Behörden besonders viele Frauen inhaftieren.

Traditionelle Geschlechterrollen in Lateinamerika tun ihr Übriges, Frauen, die in Haft waren, auch nach ihrer Entlassung zu stigmatisieren. Sie werden als „schlechte Mütter“ beschimpft und sozial und wirtschaftlich weiter an den Rand gedrängt. Das macht die Möglichkeit, wieder in kriminelle Geschäfte einzusteigen, nur wahrscheinlicher. Ein erzieherischer Nutzen scheint nicht gegeben.

Die Kriminalisierung sowie massenhafte Inhaftierungen von Frauen sind also kontra-produktiv. 3) In einem Report, der Anfang Februar von der Working Group on Women, Drug Policies, and Incarceration herausgegeben wurde, werden deshalb Alternativen dazu diskutiert. Kleindealerinnen könnten entkriminalisiert werden, Prozesse gegen sie ausgesetzt oder gar nicht erst begonnen werden. Stattdessen könnten sie Sozialstunden ableisten. Darüber hinaus sollte den Frauen Unterstützung geboten werden bezüglich Bildung, Arbeit und Gesundheitsfürsorge, sodass sie nicht wieder in die Kriminalität abrutschen. In Fällen, in welchen Frauen inhaftiert werden müssen, sollten die Behörden auf jeden Fall darauf achten, dass die Strafe angemessen ist. Insbesondere Schwangere und Mütter sollten zeitnah entlassen werden.

Inhaftierungen kosten einen Staat viel Geld und haben unabsehbare soziale Folgen. Auch die Drogenpolitik sollte dem Prinzip folgen, dass diese nur als Ultima Ratio infrage kommen. 2)

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. flickr.com: I am not a criminal – 6 years for bringing drugs into a prison – Artikel vom 28.01.2016
  2. wola.org: Women, Drug Policies,  and Incarceration: A Guide for Policy Reform in Latin America and the Caribbean – Stand: 06.05.2016
  3. theguardian.com: We won’t solve the world’s drug problem by locking up Latin American women – Artikel vom 20.04.2016

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