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Mexiko: Diebstahl fossiler Energieträger als neues Geschäftsmodell der Drogenkartelle?

Besonders betroffen von den Diebstählen ist beispielsweise Mexikos staatlicher Ölkonzern „Pemex“. Dort steigt der Diebstahl von Kraftstoff durch organisierte Banden seit Jahren dramatisch an. Im Jahr 2010 wurden beispielsweise noch 1,6 Angriffe auf das Energiesystem pro Tag registriert, während es 2015 bereits acht tägliche Angriffe waren. Berichten der Pemex zu Folge werden täglich etwa 23.500 Barrel Erdöl aus den Pipelines mit einem Wiederverkaufswert von rund 1,17 Milliarden US-Dollar gestohlen. Damit stellt der Raub von Energierohstoffen eine zunehmend wichtige Einkommensgrundlage krimineller Gruppen dar. | Bild: © n.v.

Organisierte Drogenbanden in Mexiko erpressen führende Energieunternehmen, um selbst Einnahmen zu generieren. Einerseits bedrohen sie lokale Verbraucher, insbesondere Firmen, welche große Mengen an Energie beziehen und erwirken so, dass diese keine Zahlungen mehr an die Energielieferanten leisten. Zudem werden diese dazu genötigt, das entsprechende Kapital den organisierten Banden zu überlassen. Um jedoch zu verhindern, dass die Energiekonzerne ihre Versorgung einstellen, was wiederum das „Geschäftsmodell“ der Banden zerstören würde, werden andererseits auch die Energieunternehmen erpresst. Dabei bedrohen die Gangs insbesondere die Betriebschefs und erzwingen auf diese Weise eine weitere Energieversorgung auch ohne Bezahlung dieser Leistung. Damit werden auch die jüngsten Bemühungen des mexikanischen Verteidigungsministeriums umgangen, welches militärische Einheiten zum Schutz der Energiekraftwerke bereitstellt. Denn durch die Nötigung der Betriebschefs ziehen diese das Sicherheitspersonal ab und liefern den Banden freien Zugang zu den Energiequellen, so dass sich diese daran ungefährdet bereichern können. 1)

Und auch eine weitere Maßnahme der mexikanischen Regierung, die Haftstrafen für den Diebstahl von Energieressourcen zu erhöhen, scheint das Problem nicht einzudämmen. Wissenschaftliche Studien empfehlen hingegen, die Bemühungen dahingehend auszuweiten, möglichst viele Verbrecher zu verurteilen, anstatt für die wenigen Gefangenen extrem hohe Strafen zu verhängen. So wird derzeit nur knapp einer von zehn Diebstählen im Energiesektor gerichtlich verfolgt. 2) Da auch immer mehr Angestellte der Energiekonzerne in die Diebstähle verwickelt sind wäre ein nachhaltiger Effekt auch insbesondere durch Korruptionsbekämpfung und Verbesserung der Lebensumstände dieser Arbeiter zu erzielen. 3)

Besonders betroffen von den Diebstählen ist beispielsweise Mexikos staatlicher Ölkonzern „Pemex“. Dort steigt der Diebstahl von Kraftstoff durch organisierte Banden seit Jahren dramatisch an. Im Jahr 2010 wurden beispielsweise noch 1,6 Angriffe auf das Energiesystem pro Tag registriert, während es 2015 bereits acht tägliche Angriffe waren. Berichten der Pemex zu Folge werden täglich etwa 23.500 Barrel Erdöl aus den Pipelines mit einem Wiederverkaufswert von rund 1,17 Milliarden US-Dollar gestohlen. 4) Damit stellt der Raub von Energierohstoffen eine zunehmend wichtige Einkommensgrundlage krimineller Gruppen dar. Zugleich ruinieren diese die für das Land äußerst wichtigen Energiekonzerne, welche genötigt werden Energie auch unbezahlt zur Verfügung zu stellen und dadurch finanziell immer weiter in eine Notlage geraten. Dies drückt sich in Folge auch durch ein Fehlen finanzieller Mittel aus, um Schutz gegen kriminelle Banden gewährleisten zu können. Damit befinden sich die Unternehmen in einem Teufelskreis: Angriffe krimineller Banden können immer weniger abgewehrt werden und die Konzerne werden zunehmend ausgebeutet. 1)

Pemex versucht dabei durch Maßnahmen, welche den Gewinn durch das gestohlene Erdöl mindern sollen, gegenzusteuern. Beispielsweise wird vermehrt unraffiniertes Öl durch die Pipelines gepumpt, welches sich nur zu einem geringen Preis weiterverkaufen lässt. 3) Solche Maßnahmen sind jedoch ebenso wie die Beschäftigung von Sicherheitskräften sehr teuer. So gab Pemex zwischen 2015 und 2016 rund 161 Millionen US-Dollar zum eigenen Schutz aus. Hinzu kommt, dass sich das Sicherheitspersonal großen Gefahren aussetzt. So wurden in den letzten zehn Jahren über 50 Pemex-Mitarbeiter bei Kontrollen der Pipeline verschleppt 5) und erst kürzlich wurden drei Mitglieder einer staatlichen Einheit zur Aufklärung von Vermisstenfällen in Zusammenhang mit Erdöldiebstählen ermordet aufgefunden. 6)

Bekannt für ihre Verwicklung in den Diebstahl von Energieressourcen und den damit verbundenen, weiteren Verbrechen, sind vor allem das Golf-Kartell, sowie sein ehemals paramilitärischer Arm und nun eigenständiges Kartell „Los Zetas“.  Diese haben bereits so große Macht erreicht, dass sie – Berichten von Arbeitern der Pemex zu Folge – den Energiekonzern teils direkt mit Tanklastzügen anfahren, um das Erdöl aus den Leitungen abzugreifen. Das verweist auch auf die umfangreiche Ausrüstung sowie das technische Wissen der Kartelle. 5)

Die Folgen des zunehmenden Diebstahls von Energieressourcen bekommen sowohl Mensch als auch Umwelt zu spüren. So kommt es in Mexiko immer häufiger zu Engpässen in der Versorgung der Bevölkerung mit Erdöl und Erdgas. Zudem geht dem Staat jährlich eine Unsumme an Einnahmen an die Verbrecher verloren, was einer Studie zu Folge über die Jahre sogar eine substanzielle Verringerung des GDP bewirken kann. 7) Eine weitere Gefahr dieser Entwicklung besteht in den bereits sich abzeichnenden Konflikten der Kartelle um die Vorherrschaft im illegalen Erdölgeschäft 6) und dem damit verbundenden, erneuten Anstieg von Gewalt. Doch auch die Umwelt trägt oft massiven Schaden von den kriminellen Eingriffen der Kartelle. So kommt es vor, dass beim Anzapfen der Pipelines zum Teil große Mengen Erdöl austreten oder verursachte Lecks nicht mehr geschlossen werden. Dies führt zur Verseuchung von Seen, Flüssen und Böden. 8)

Angesichts der hohen Profite und des geringen Risikos gefasst zu werden, bleibt der Diebstahl von fossilen Energieträgern jedoch auch in Zukunft ein lukratives Geschäftsmodell der organisierten Kriminalität. 2) So ist der Diebstahl und Weiterverkauf von Erdöl oder anderen fossilen Energieressourcen wesentlich weniger riskant als etwa der transnationale Drogenhandel. Das legale Produkt lässt sich viel einfacher verkaufen und transportieren und gelangt damit viel einfacher bis in die USA, als dies bei Drogen der Fall ist. 5) Dabei lautet ein Vorwurf der Pemex, dass auch amerikanische Unternehmen gestohlenes Öl aufgrund des niedrigeren Preises ankaufen und droht verschärft mit – meist erfolglosen – Klagen gegen diese Konzerne. 9) Das undurchsichtige Netz aus Korruption, Erpressung und Bedrohung, welches die Mitarbeiter der Energiekonzerne, Polizisten, Verwaltungsbeamten und Verbrecher verbindet, trägt zu dieser Entwicklung Wesentliches bei. 10)

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Insight Crime: Extortion of Mexico Electric Company Spotlights State Weaknesses; Artikel vom 23.03.17
  2. Insight Crime: Oil Theft Spikes in Mexico, While Impunity Remains Widespread; Artikel vom 23.11.16
  3. Insight Crime: Tougher Penalties for Oil Theft in Mexico Unlikely to Fix Problem; Artikel vom 15.01.16
  4. Insight Crime: Mexico Fuel Theft Remains Lucrative Despite Oil Price Drop; Artikel vom 15.03.16
  5. Insight Crime: Mexico Fuel Theft: Big Earner for the Zetas?; Artikel vom 04.08.14
  6. Insight Crime: Corruption, Oil Theft an Explosive Cocktail for Mexico State; Artikel vom 14.03.17
  7. Insight Crime: How Mexico Organized Crime Threatens Growth of Oil Industry; Artikel vom 04.06.14
  8. Insight Crime: LatAm’s Top 5 Criminal Industries that Damage the Environment; Artikel vom 04.12.15
  9. Insight Crime: Oil Theft Spikes in Mexico, While Impunity Remeins Widespread; Artikel vom 23.11.16
  10. Insight Crime: Mexico State Oil Workers Involved in Fuel Theft: Police; Artikel vom 09.01.17

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