Zum Inhalt springen

| Bild: © n.v.

Bruder des ehemaligen Präsidenten Kolumbiens wegen Leitung paramilitärischer Gruppe angeklagt

| Bild: © n.v.

Santiago Uribe ist wegen der Gründung und Leitung der kriminellen paramilitärischen Organisation namens “Die 12 Apostel“ seit langer Zeit angeklagt. Der Großgrundbesitzer und Bruder des ehemaligen Präsidenten von Kolumbien Álvaro Uribe Vélez sitzt seit Februar 2016 in Kolumbien in einem nahe Medellín gelegenen Bataillon in Untersuchungshaft und wird erneut vor Gericht geführt, um seine endgültige Schuld zu belegen. Das letzte Mal war er im Oktober 2016 vernommen worden, aber erfolglos. Nun hatte im Juni dieses Jahres die Staatsanwaltschaft ein gerichtliches Hauptverfahren gegen ihn eingeleitet bzw. die Anklage bestätigt, da es eine „belegte Tatsache“ sei, dass Santiago an der Führungsspitze der Leitung der mordenden Gruppierung beteiligt gewesen ist. Die benannte Gruppe soll etwa 533 Menschen auf dem Gewissen haben, was die seltsamen Todesvorfälle aus den 90er Jahren bestätigen.12

Die Geschichte „Der 12 Apostel“ ist sehr verstrickt und begann mit einem im Jahre 1990 erstellten vorläufigen Plan der „sozialen Säuberung“ in der Region Departamento Antioquia, der vom Bruder des Ex-Präsidenten Kolumbiens, Großgrundbesitzern und Geschäftsleuten gegründet wurde. Doch nun erhärtet sich der Verdacht, dass neben den schon als menschenverachtend geltenden Ermordungen „unerwünschter Subjekte“ wie Kleinkriminelle bzw. Diebe und Drogenabhängige sowie Guerillakämpfer, auch Frauen, Polizisten, und Kleinbauern, die die Guerilla unterstützt hatten, gnadenlos umgebracht wurden. Dabei habe laut dem laufenden gerichtlichen Verfahren vornehmlich ein Grundstück  Álvaro Uribes namens „La Carolina“ als ein „Vernichtungslager“ gedient. Dies bestätigten die aus diesem Zeitraum stammenden Archivdokumente des Ortes, wie das Oberste Verwaltungsgericht Kolumbiens mitteilte. Außerdem wurde festgestellt, dass Viehzüchter und Händler die paramilitärische Struktur mitfinanziert und dass die Paramilitärs mit der Unterstützung der Polizei und des Militärs agiert hatten. Erschreckend ist zudem, dass die Kirche in die Handlungen der Gruppe involviert sein soll. Der grausame Plan sei bis einschließlich 1998 durchgeführt worden.2

Nicht nur in Kolumbien, sondern in vielen anderen Ländern existieren selbsternannte Justizgruppen. In den Philippinen rief Präsident Duerte sogar zu eigenen Entscheidungen im Hinblick auf Gerechtigkeit  auf. Daher stellt sich die Frage, warum vor allem Länder des Drogenanbaus oder -transports einen Nährboden für Selbstjustiz bieten.  Eine mögliche Erklärung könnte das Versagen des Staates liefern. In Regionen, in denen der Kreislauf von Drogenanbau, -abhängigkeit und kriminalität kontinuierlich voran schreitet, fühlen sich die Einwohner übergangen oder vernachlässigt. Die Justiz scheint nicht gerecht zu sein und die Polizei oftmals machtlos. Aus diesen Gründen bilden sich Gruppen, die die Straßen von Drogensüchtigen freimachen, die Kriminalität senken und die restliche Bevölkerung schützen wollen. Das dabei oftmals die Grenzen zwischen Strafen, Entzugscamps und tatsächlichen Morden verwischen, liegt auf der Hand. Selbstjustiz bestimmt sich durch eigene Beurteilung der Situation und einer “gerechten Strafe“. Dass dabei hunderte Menschen auf brutalste Art ermordet werden, sieht die Gruppe von Santiago Uribe anscheinend nur als Mittel zum Zweck.3

Rund 90 Prozent der Beweismittel der Strafverteidigung wurden mittlerweile abgelehnt. Dabei ist der Versuch gescheitert, das Gerichtsverfahren in die Länge zu ziehen, was viele Kritiker Uribe nachsagen. Verwunderlich erscheint jedoch, dass es bereits im Jahre 1995 Nachprüfungen zum Thema paramilitärische Gruppierung und Santiago Uribe gab, die aus nicht ersichtlichen Gründen gestoppt wurden. Danach wurde Santiago Uribe 1997 erstmals vor Gericht geführt, jedoch wurde zur gleichen Zeit die Mehrheit der Zeugen ermordet. Ende der 90er Jahre wurde er nochmals verhört, allerdings wurden die Ermittlungen 1999 wieder eingestellt. Äußerst verdächtig.

Erst 2013 wurde die Anklage durch die 2010 in Argentinien getätigte Aussage des sehr wichtigen Zeugen und ehemaligen Polizeikommandanten  aus dem Bezirk Yarumal namens Juan Carlos Meneses wiederaufgenommen. Wegen Todesdrohungen und der Tatsache, dass viele ehemalige Paramilitärs langsam nacheinander ermordet wurden, war er gezwungen, Kolumbien zu verlassen bzw. zunächst nach Venezuela zu gehen. Auch der  Landarbeiter eines Nachbar-Grundstückes, Eunicio Alfonso Pineda, gilt als Kronzeuge, da er an den zahlreichen Morden beteiligt gewesen sei. Bisher seien nach der Wiederaufnahme der Ermittlungen mehr als die Hälfte der 12 Zeugen bereits unter merkwürdigen Umständen ermordet worden. Parallel strebt die Verteidigung Uribes an, ihn während des Verfahrens wieder auf freien Fuß zu setzen. Der Oberste Gerichtshof soll darüber am 18. Oktober 2017 entscheiden.124

Santiagos Anwalt kündigte an, er werde seine Unschuld der Staatsanwaltschaft beweisen. 2012 beurteilte er die Aussagen Meneses als falsch und nannte ihn einen „falschen Zeugen“, weil nachdem dieser ins „Exil“ nach Venezuela gegangen war, führende venezolanische Persönlichkeiten und Behörden Manipulation angewendet hatten. Unter den Personen waren das damalige Mitglied der regierenden Sozialistischen Partei (PSUV) Ydelfonso Finol und offenbar der Außenminister Nicolás Maduro beteiligt gewesen. Dann gab es aber einen weiteren Zeugen, der diese Aussage widerlegte. Der Bauer Eunice Alfonso Pineda, der sich noch rechtzeitig in Chile in Sicherheit bringen konnte, gab offiziell der kolumbianischen Botschaft an, dass er sah, wie Santiago Uribe den Paramilitärs die Waffen übergab.

Insgesamt gesehen steht auch der Ex-Präsident Kolumbiens unter Tatverdacht, an kriminellen Machenschaften teilgenommen zu haben. Das gab der Drogenhändler Pablo Hernán Sierra (bekannt unter dem Decknamen „Tuso“) bekannt: Die beiden Brüder haben laut ihm eine andere paramilitärische Struktur, die „Bloque Metro“, gebildet und geleitet. Diese hätten sie dann auf ihrem Grundstück „Guacharacas“ trainieren lassen. Mit dem im Jahre 2009 festgenommenen Paramilitär-Chef Daniel Rendón Herrera hatte Santiago Uribe außerdem Geschäfte im Kokain-Export getätigt.4

  1. amerika21.de: Neue Vorwürfe gegen Kolumbiens Ex-Präsident und seine Familie wegen Paramilitarismus; 31.10.2016 [] []
  2. amerika21.de: Hauptverfahren in Kolumbien gegen Bruder von Ex-Präsident Uribe wegen Paramilitarismus; 17.10.2017 [] [] []
  3. Die Zeit Online: Im Rausch der Selbstjustiz; 03.08.2016 []
  4. amerika21.de: Bruder von Ex-Präsident Uribe wird wegen Paramilitarismus vernommen; 01.10.2013 [] []

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert