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Schätzungen der kolumbianischen Regierung zufolge haben nur 6 Prozent der FARC-Kämpfer den seit November stattfindenden Friedensprozess abgelehnt bzw. aufgegeben. Doch womöglich unterschätzt die Regierung die Zahlen, denn die Nachforschungen von der Stiftung „InSight Crime“, die sich vor allem mit der organisierten Kriminalität in Lateinamerika und der Karibik beschäftigt, zeigen, dass die gegenwärtige Zahl der Dissidenten viel höher ist. | Bild: © n.v.

Kolumbien: Zahl der FARC-Guerilla-Dissidenten vom Friedensprozess unterschätzt – Erneuter Beginn der Kämpfe?

Schätzungen der kolumbianischen Regierung zufolge haben nur 6 Prozent der FARC-Kämpfer den seit November stattfindenden Friedensprozess abgelehnt bzw. aufgegeben. Doch womöglich unterschätzt die Regierung die Zahlen, denn die Nachforschungen von der Stiftung „InSight Crime“, die sich vor allem mit der organisierten Kriminalität in Lateinamerika und der Karibik beschäftigt, zeigen, dass die gegenwärtige Zahl der Dissidenten viel höher ist. | Bild: © n.v.

Schätzungen der kolumbianischen Regierung zufolge haben nur 6 Prozent der FARC-Kämpfer den seit November stattfindenden Friedensprozess abgelehnt. Doch womöglich unterschätzt die Regierung die Zahlen, denn die Nachforschungen der Organisation „InSight Crime“ zeigen, dass die gegenwärtige Zahl der Dissidenten viel höher ist. Angesichts der Probleme bei der Durchsetzung des im November 2016 von beiden Seiten unterschriebenen Friedensvertrages wird diese Zahl noch weiter wachsen.

Joshua Mitrotti, der Direktor der kolumbianischen Agentur, die dafür zuständig ist, ehemalige Guerillakämpfer der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC-Kämpfer) wiederzuvereinigen, hat kürzlich der kolumbianischen Zeitung „Verdad Abierta“ folgendes mitgeteilt: „Die Oppositionsbewegung gegen den Friedensvertrag ist […] nicht größer als 6 Prozent der ursprünglichen FARC-Einheiten. Was aber gesagt sein sollte ist, dass diese Minderheit derzeit viel Schaden am Friedensprozess anrichtet. Der kolumbianische Verteidigungsminister, Luís Carlos Villegas, geht von etwa 400 Guerillas aus, die er als eine Art „Restkriminalität“ beschreibt.

Neuen Erkenntnissen zufolge ist dieser Prozentsatz von FARC-Guerillakämpfern, die „widersprochen“ haben, mehr als doppelt so hoch, als die Regierung ihn einschätzt. Diese Zahl scheint stetig zu wachsen. Gemäß einer Schätzung der Stiftung gibt es 1.000 bis 1.500 Dissidenten, die den Friedensprozess aus unterschiedlichen Gründen ablehnen und ungefähr 15 Prozent der Gesamtzahl von FARC-Kämpfern ausmachen. Viele der Dissidenten sind zu ihren vorherigen Zitadellen zurückgekehrt, um wieder Kontrolle über hoch gewinnbringende bzw. rentable Gebiete zurückzugewinnen. Bei den Regionen handelt es sich teilweise um ehemalige Drogenanbaustätten.1

In Putumayo, einer südwestlichen Region, die an Ecuador angrenzt, haben sich 300 ehemalige FARC-Kämpfer zurückgemeldet. Laut kolumbianischem Militär kontrollieren sie dort die Kokakultivierung und Kokainverarbeitung. Man schätzt weiter, dass weitere 400 Dissidenten im südöstlichen Stadtbezirk von Tumaco, Nariño, auch mit den Drogenhandel Geld verdienen. Regierung und Behörden beschuldigen die ehemaligen Kämpfer, Proteste gegen die Kokaausrottung zu unterstützen und eine Rolle in einem blutigen Ereignis zu spielen, bei dem Dutzende von Bürgern verwundet und getötet wurden.

Vor allem im Osten des Andenstaates versuchen die Ex-Guerillas die Kontrolle über alte Gebiete zurückzuerlangen. Zusätzlich schmieden sie neue Allianzen mit anderen kriminellen Gruppen wie den Urabeños oder lassen sich von ihnen rekrutieren.

Die zahlreichen Friedensgegner innerhalb der FARC gehen auf das Konto der mangelnden Umsetzung des Friedensvertrags. Tatsächlich scheint auch die Mehrheit der Kämpfer unzufrieden zu sein und Frustration breitet sich aus. Einige fühlen sich von der Regierung allein gelassen und sind dazu geneigt, wieder alten Tätigkeiten nachzugehen. Der ehemalige FARC-Oberbefehlshaber Rodrigo Londoño Echeverri hat seine Sorge wegen dieser Angelegenheit letzten Monat zum Ausdruck gebracht. Er sagte, dass die kolumbianische Regierung bis jetzt mehrere wichtige Aspekte der Abmachung nicht eingehalten habe. Diese betreffen vor allem die Verbesserung der Bedingungen von früheren Guerillakämpfern, die in verschiedenen für sie zugeschnittenen Konzentrationszonen ansässig sind. Zugleich sei die Bereitstellung der elementaren Einkommensbesoldungen und die Ausweitung von Entwicklungs- und Landwirtschaftsprojekten noch mangelhaft.12

InSight Crime“ weist darauf hin, dass die kolumbianische Regierung mehr Erfolg haben würde, wenn sie sich darauf konzentrieren würde, die Vereinbarungen des Friedensvertrags zügig umzusetzen. Vor allem sollten den ehemaligen FARC-Kämpfern Alternativen zum Kokaanbau angeboten und der ländliche Raum gestärkt werden. Man sollte sich nicht so sehr auf Militäreinsätze und Kokaausrottung beschränken, da sich diese Methoden in vielen Fällen als unwirksam herausgestellt haben.1

  1. insightcrime.org: Is Colombia Underestimating the Scale of FARC Dissidence?; 17.10.2017 [] [] []
  2. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Waffenstillstand in Kolumbien : Der erste Tag nach langer Nacht; 23.06.2016 []

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