Honduras befindet sich im Ausnahmezustand. Knapp zwei Wochen nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl, in der bisher noch kein Gewinner ermittelt wurde, ist das Land an den Rand des Chaos gerutscht.
Das Oppositionsbündnis „Allianz gegen die Diktatur“ wirft der Regierung um Präsident Juan Orlando Hernández Wahlbetrug vor. Nachdem sich sein Gegenkandidat Salvador Nasralla bereits ein paar Tage lang als neuer Präsident feiern ließ und sympathisierende Regierungen dem linksgerichteten Kandidaten schon zum Wahlsieg gratulierten, wurde das Ergebnis mit fortschreitender Auszählung der Wahlstimmen immer unklarer. Nach der Auszählung von 57 Prozent der Wahlscheine lag Nasralla rund fünf Prozentpunkte vorne. Mit jedem weiteren Tag der Stimmauszählung verkürzte sich sein Vorsprung jedoch. Die Wahlbehörde TSE (Tribunal Supremo Electoral) begründet dies mit einer technischen Störung sowie einer verspäteten Ergebnisübermittlung aus den ländlichen Regionen – eine Woche nach der Wahl war die Stimmauszählung immer noch nicht abgeschlossen. „Wir hatten ein kompliziertes technisches Problem. Die Systeme waren überlastet und wir mussten mehr Computer einsetzen. Wir möchten uns dafür beim honduranischen Volk entschuldigen. Es ist nicht neu, dass das System bei Wahlen zeitweise ausfällt, aber noch nie ist es in so einem kritischen Moment passiert“, heißt es von der TSE. Schlussendlich lang am Ende nicht Nasralla vorne sondern Hernandez – nach offiziellen Angaben mit 1,5 Prozent, was in etwa 50 000 Stimmen entspricht. Obwohl der Amtsinhaber auch in den Hochrechnungen vorne lag, geht die Opposition aufgrund der Dauer, der technischen Störungen und der deutlichen Veränderungen zum Ende der Auszählungen hin von einem Wahlbetrug aus. Nasralla fordert eine Neuauszählung aller Stimmen. „Wir können nicht von einem glaubhaften Wahlablauf sprechen, wenn es ein solches Maß an Unregelmäßigkeiten gab“, so der Präsidentschaftskandidat. Bestätigt wird die Opposition durch aktuelle Untersuchungen amerikanischer Staatsanwälte. Diese werfen Hernández gute Verbindungen zur Drogenmafia vor. Der Präsident soll wohl Drogengelder in Millionenhöhe erhalten haben, welche im Jahr 2013 zur Finanzierung seines Wahlkampfs dienten.1234
In den letzten Tagen wurden die Proteste der Oppositionsanhänger im zentralamerikanischen Land immer lauter. Blockierte Straßen und Brücken, geplünderte und verwüstete Geschäfte sowie brennende Mautstationen – die Wut der Demonstranten ist groß. Die Regierung reagierte ihrerseits mit einer per Dekret beschlossenen Ausgangssperre, um die Krawalle einzudämmen. Die Opposition wertet das als eine Einschränkung des Demonstrationsrechts.15
Viele Honduraner sehen sich um ihre Wahl betrogen – und das nicht zum ersten Mal. Für sie steht fest, dass es sich nicht um technische Schwierigkeiten bei der Wahl handelte, sondern schlichtweg so lange ausgezählt wurde, bis das Ergebnis für Hernández passte. Schon vor vier Jahren waren Anzeichen für einen Wahlbetrug an die Öffentlichkeit gelangt. Wahlbeobachter hatten damals unter anderem massive Einschüchterungsversuche während der Abstimmung sowie technische Probleme in den Wahllokalen beobachtet.6
Nach all den Unregelmäßigkeiten und Problemen hat die TSE an Glaubwürdigkeit verloren. Die Mission zur Wahlbeobachtung der Europäischen Union wies darauf hin, dass „die Wahlbehörde TSE keine offene Kommunikation mit den politischen Parteien und der honduranischen Bevölkerung unterhalte, was auf eine fehlende Transparenz und Verantwortung schließen lässt.“ Eric Hershberg und Fulton Armstrong, Akademiker der American University in Washington DC merken an, die „Unregelmäßigkeiten bei der Stimmenzählung und die harte Unterdrückung der Opposition würden wahrscheinlich den politischen Diskurs vergiften und den demokratischen Fortschritt für die kommenden Jahre behindern.“7
Hinzu kommt, dass eine erneute Präsidentschaft Hernández‘ nicht zulässig wäre. Die honduranische Verfassung verbietet eine Wiederwahl. Wer diese Regelung missachtet macht sich des Landesverrats schuldig. So kam es im Jahr 2009 zu politischen Unruhen und dem Putsch des Militärs gegen den damaligen Präsidenten Manuel Zelaya. Er wollte vor acht Jahren ein Referendum über das Verbot der Wiederwahl abhalten und wurde daraufhin gestürzt. In dieser Zeit wurden auch die Rahmenbedingungen für geheime Absprachen zwischen dem Staat und kriminellen Gruppierungen geschaffen. In den letzten zehn Jahren haben diese Beziehungen dazu geführt, dass Drogenhandelsgruppen wie die Los Cachiros immer mehr Einfluss erlangen konnten und Honduras gleichzeitig zu einem der wichtigsten Kokainkorridore des Kontinents wurde. Hernández wird von seinen Anhängern besonders dafür geschätzt, dass er mit seiner Politik der harten Hand gegen Drogenhandel und Kriminalität im Land vorgeht und auf diese Weise die Mordrate deutlich senken konnte. Diese ist allerdings immer noch zehnmal so hoch wie der weltweite Durchschnitt und dürfte in den kommenden Tagen eher noch ansteigen.765
Ein Interview zur Lage in Honduras findet ihr hier: Weekly InSight: Security Outlook for Honduras Election Crisis
- ZDF: Vorwurf des Wahlbetrugs. Honduras wird zum Pulverfass; 04.12.2017 [↩] [↩]
- Amerika21: Proteste und Sorge wegen Lage in Honduras; 07.12.2017 [↩]
- Frankfurter Allgmeine: Politik. Zentralamerika. Ausnahmezustand in Honduras ausgerufen; 02.12.2017 [↩]
- Deutschladfunk Kultur; Honduras vor der Präsidentschaftswahl. Morde, Korruption und Landraub; 23.11.2017 [↩]
- Süddeutsche Zeitung: Honduras. Nur das Volk kennt die Verfassung; 04.12.2017 [↩] [↩]
- Amerika 21: Warnung vor Wahlbetrug in Honduras; 25.11.2013 [↩] [↩]
- Insight Crime: With Echoes of 2009, Honduras Again Approaches Chaos; 05.12.2017 [↩] [↩]