Das Ende des dreimonatigen Waffenstillstandes der Regierungstruppen mit der größten aktiven Guerilla-Gruppe des Landes, der Nationalen Befreiungsarmee (EJército de Liberación Nacional – ELN), hatte ab dem 09. Januar 2018 vermehrt zu bewaffneten Gewaltausbrüchen geführt. Die kolumbianische Zeitung EL Tiempo berichtete, dass die ELN sich an mindestens sechs Angriffen beteiligt haben soll, darunter die Tötung eines Soldaten und die Bombardierung einer Pipeline. Diese Entwicklung in Kolumbien weckt Zweifel an der Zukunft der laufenden Friedensverhandlungen. Die Rebellen hatten entsprechend die Kampfpause ausgenutzt, um sie zu missbrauchen bzw. sich zu stärken. Eine sehr schwierige Lage für das Land.1
Die kolumbianische Regierung und die ELN streiten sich darüber, wer dafür verantwortlich ist, dass sie bisher keine Einigung über die Verlängerung des Waffenstillstands erzielt haben. In einer Pressemitteilung sagte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, dass sie die Angriffe der ELN „bedauerten“. Sie hoffen aber weiterhin, dass die beiden Seiten „ihre Arbeit fortsetzen werden, um eine Erneuerung und Verstärkung des Waffenstillstands zu vereinbaren, damit eine Rückkehr der Konflikte verhindert werden kann“. Kolumbiens Präsident, Juan Manuel Santos, hatte die Gewalt verurteilt und den Chef-Unterhändler der Regierung in den ELN-Friedensgesprächen, Gustavo Bell, gebeten, aus Quito, Ecuador, nach Bogotá zurückzukehren. Es solle dann debattiert werden, ob die Verhandlungen fortgesetzt werden oder nicht. Dem kolumbianischen Militär befahl Santos aber „mit Gewalt“ auf die Ereignisse zu reagieren. Gleichzeitig entsandte die Regierung 2.000 Soldaten in Nariños wichtige Hafenstadt Tumaco, um die dortigen Kämpfe zu beenden. Das ist laut „InSight Crime“ jedoch ein großer Fehler, da dies „die Flammen noch weiter anheizen würde“, indem ein anderer bewaffneter Akteur in eine bereits instabile Umgebung eingeführt wird.1
Wenn die Guerillas den Waffenstillstand tatsächlich missbrauchen würden, um sich zu mobilisieren, wirft die jüngste Welle der Gewalt Fragen über die Zukunft des Friedensprozesses zwischen der Regierung und der ELN auf. Untersuchungen von „InSight Crime“ legen nahe, dass dies zu einem ernstzunehmenden Vertrauensbruch im Prozess führen könnte, der schon bereits einen schlechten Start hatte. Seit der Aufnahme der Gespräche war die kolumbianische Regierung skeptisch darüber, ob die ELN-Führer die entsprechenden Regeln in Ihren eigenen Reihen einhalten würden. Das Friedensabkommen mit der FARC von 2016 bereitet auch aufgrund der Zunahme an Guerilla-FARC-Dissidenten Sorgen. Die gesammelten Erfahrungen mit dem Vertrag seit 2016 geben zudem der ELN Anlass, skeptisch zu sein, ob die Regierung durch das Friedensabkommen ohne Hintergedanken gehen kann oder nicht. Die demobilisierten FARC-Dissidenten sind stehts unzufrieden und beschreiben laut ihren eigenen Aussagen die Untätigkeit der Regierung, bestimmte Aspekte einzuhalten, als Hauptgrund zur Rückkehr in die Kriminalität.1
Die ELN ist eine marxistisch orientierte Guerilla-Bewegung in Kolumbien, die 1964 von Fabio Vasquez Castaño gegründet wurde. Sie gehört somit zu den ältesten noch aktiven Guerillaorganisationen Lateinamerikas (zweitälteste Organisation nach der FARC). Seit dem Beginn der Friedensverhandlungen bzw. dem Waffenstillstand am 22. Juni 2016 mit der FARC gilt diese Bewegung als ein großes Hindernis für das Voranschreiten der Friedensbemühungen in Kolumbien. Im März 2016 kam es zwar zu geheimen Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und der ELN. Doch der Präsident Kolumbiens forderte als eine Voraussetzung der Aufnahme der Gespräche die Freilassung aller Geiseln. Am 02. Februar 2017 kam dann eine der letzten Geiseln aus der Gefangenschaft der ELN frei, was zu dem Beginn der echten Verhandlungen am 07. Februar 2017 in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito führte, mit dem großen Ziel der Entwaffnung. Die kolumbianische Regierung teilte demnach am 04. September 2017 mit, dass sich beide Seiten in Ecuador auf eine dreimonatige Waffenruhe verständigt hätten, die am 01. Oktober 2017 begann und bis zum heutigen Tag, dem 12. Januar, gelten sollte. Dabei sagte die ELN zu, keine Angriffe gegen Zivilisten, Entführungen oder Anschläge auf Pipelines mehr zu verüben.2
Die Unzufriedenheit der FARC-Dissidenten und die von der ELN ausgehende Gewalt könnten sich ausweiten und fortsetzen und somit das Ende des ELN-Friedensprozesses bedeuten. Jede der Parteien kann sich dazu bewegen, die Verhandlungen sofort abzubrechen. Der gesamte Friedensprozess mit der FARC könnte dadurch gefährdet werden.3
- InSight Crime: Wave of Violence Strikes Colombia After ELN Ceasefire Ends; 11.01.2018 [↩] [↩] [↩]
- Wikipedia: Ejército de Liberación Nacional (Kolumbien); 20.09.2017 [↩]
- InSight Crime: Wave of Violence Strikes Colombia After ELN Ceasefire Ends; 11.01.2018 [↩]