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China: Die Rauschgiftkolonialiserung des Kaiserreichs durch die Briten

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Die harte Drogenpolitik Chinas, bei der nicht selten auch Todesurteile vollstreckt werden, geht auch auf die verheerende Opium-Epidemie zurück, die das Land im 19. Jahrhundert heimsuchte. Allen voran die Briten, die damals Schlafmohn aus Indien in Form von Opium oder auch Morphium an die Chinesen verkauften und sie süchtig machten, waren verantwortlich dafür. Das blühende Geschäft mit dem Rauschmittel ließ das britische Empire größer und stärker werden, für das chinesische Kaiserreich hingegen wurde es zum Fluch.1

Opium ist in China noch heute Symbol für die europäische Arroganz des Kolonialzeitalters und die Demütigung, die das Kaiserreich damals durch den Westen erfahren musste. Die Jahrzehnte des exzessiven Opium-Konsums waren es, die den  Zusammenbruch des Kaiserreichs im Jahre 1911 beförderten. Der Opium-Konsum war bereits im 17. und 18. Jahrhundert in China unter den Eliten weit verbreitet, bevor die europäischen Kolonialmächte es als Silber bringendes Exportgut für sich entdeckten. Die Bessergestellten verwendeten es damals als Rauschmittel gegen die Langeweile und um ihre sexuelle Lust anzuregen. Bei dem Großteil der chinesischen Bevölkerung spielte Opium jedoch keine Rolle. Zu dieser Zeit, Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts, war das Kaiserreich auf dem Höhepunkt seiner Macht.2

Der Opium-Handel verändert die wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse

Produktion von Opium in Kalkutta, Indien um 1900 (c)Bourne & Shepherd [public domain] [ PD-US] wikimedia commons
Die wirtschaftliche Macht der Chinesen schlug sich damals auch negativ in der Außenhandelsbilanz der europäischen Kolonialmächte nieder. Denn besonders die Briten importierten massenhaft chinesische Luxuswaren wie Seide, Porzellan und vor allem Tee. Die Chinesen wollten aber von den Briten kaum etwas kaufen, weshalb sehr viel Silber von Großbritannien in das Kaiserreich abfloss. Die Briten schafften Abhilfe, indem sie mit dem wichtigsten Exportgut Britisch- Indiens, Opium, das Kaiserreich China trotz Einfuhrverbots fluteten. Mit dem in Indien großflächig angebauten Schlafmohn, woraus dann Opium gewonnen wird, fanden die Briten in China auf der Suche nach Absatzmärkten für ihre Produkte einen rasant wachsenden Markt. Die britische East India Company (EIC), eine Vereinigung einflussreicher britischer Kaufleute in Indien, verkaufte das Opium an private Kaufleute, die es dann an die chinesische Küste verschifften und hier an einheimische Unterhändler weiterverkaufte. Auch wenn die Kolonialmächte Portugal und Niederlande bereits zuvor Opium nach China verkauften, waren es die Briten, die den Konsum durch das Zusammenspiel mit Tabak zur Volksdroge machten. Das war in den 1830ern, als die fetten Jahre des Kaiserreichs bereits vorbei waren und sich China in einer wirtschaftlich eher misslichen Lage befand. Das starke Bevölkerungswachstum bereitete der Regierung große Probleme, die Bevölkerung ernähren zu können. Hinzu kamen Naturkatastrophen, die die Situation noch verschärften. Opium war für die Menschen eine Möglichkeit, für einen Augenblick der Realität zu entfliehen. Der Opiumkonsum verbreitete sich in der chinesischen Gesellschaft enorm schnell und ließ die Nachfrage, sehr zur Freude der britischen Geschäftsleute und zum Leidwesen des chinesischen Kaisers, in die Höhe schnellen. 1834 war die Nachfrage nach Opium im Vergleich zu Beginn des Jahrhunderts schon um ein Zehnfaches  gestiegen. In Folge bescherte der blühende Handel mit dem indischen Opium in China der britischen Kolonialmacht eine positive Außenhandelsbilanz.34 5

Opium-Sucht lässt das Kaiserreich erstarren

Britische, amerikanische und auch deutsche Handelsunternehmen waren es, die besonders von dem Export von Opium nach China profitierten. So zum Beispiel der bis heute bestehende Handelskonzern „Jardine, Matheson and Co“, der unter anderem die Mandarin-Oriental-Hotels besitzt. Parallel zu den großen Profiten der europäischen Kaufleute litt die chinesische Wirtschaft enorm unter dem Opium-Handel, denn mit dem steigenden Konsum von importiertem Opium, das mit Silber bezahlt wurde, ging eine Entwertung  der chinesischen Währung einher und führte zur Inflation. Die chinesische Wirtschaft kollabierte und die Menschen lebten in Armut, das Opium setzte einen Mechanismus in Gang, der sich selbst verstärkte und China handlungsunfähig machte. Durch den Opiumkonsum waren Teile der Armee außer Gefecht gesetzt, der chinesische Beamtenapparat war ebenfalls durchsetzt mit Opium-Süchtigen, die offen waren für korrupte Geschäfte, um ihre Sucht nach dem Stoff zu stillen. Die Europäer störte das überhaupt nicht und hielt sie auch nicht von ihrer aggressiven Handelspolitik ab.6

Die „Royal Navy“ greift China an und verteidigt die Drogenschmuggler

Symbolisch: China wird von Großbritannien zum Kauf von Opium gezwungen (c)Jean-Jacques Grandville [public domain] [PD-1923] wikimedia commons
Der chinesische Kaiser Daoguang reagierte Mitte der 1830er Jahre auf die unsägliche Situation in seinem Land, indem er Schmugglerbanden hochnehmen, ihre Boote zerstören und Händler sowie Konsumenten hinrichten ließ. Als dann auch europäische Kaufleute verhaftet wurden, wandten diese sich hilfesuchend an die Royal Navy und forderten ihr Eingreifen. Da das Vereinigte Königreich sehr daran interessiert war, seinen Händlern weiterhin zu ermöglichen, das Opium unter das chinesische Volk zu bringen, schickten sie  1840 – ohne vorher dem chinesischen Kaiser den Krieg zu erklären – einen Flottenverbund an die chinesische Küste. Der Sieg im ersten Opiumkrieg veranlasste die Briten Hongkong, einen strategisch günstig gelegenen Punkt, zur Kronkolonie zu machen und zu besetzen. Von hier aus konnten die Briten den Handel in China sehr gut kontrollieren und den Opiumhandel weiter vorantreiben. Außerdem wurden die Chinesen dazu gezwungen, britischen Kaufleuten freien Zugang zu ihren Häfen zu gewähren.7

Chinesische Drogenpolitik als Trauma-Bekämpfung

In gewisser Weise wurde das Kaiserreich China vom Vereinigten Königreich kolonialisiert und aus wirtschaftlichen Interessen zum Rauschgiftkonsumenten gemacht. 40 Millionen Menschen, also ca. 10 Prozent der damals 400 Millionen Chinesen, waren süchtig nach Opium und trieben das Land in den Ruin. In einem weiteren Opiumkrieg gegen Frankreich und England war das kraftlose Kaiserreich erneut unterlegen und musste als Folge 1860 eine formale Legalisierung des Opiumhandels hinnehmen. China hatte zu diesem Zeitpunkt bereits den Kampf gegen die Opiumsucht der eigenen Bevölkerung aufgegeben und versuchte nun zumindest, mit Erhebung einer Opiumsteuer am immer noch steigenden Konsum mitzuverdienen. Zudem förderte es den Anbau von Schlafmohn im eigenen Land, um das importierte Opium zu ersetzen. Dies führte aber nur zu einem weiteren Anstieg der Zahl an Süchtigen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich die importierte Menge an Opium im Vergleich zur Mitte des Jahrhunderts nochmals verdoppelt. China selber konnte den Kreislauf aus steigendem Opium-Konsum seiner Bevölkerung und dem wirtschaftlichen wie auch gesellschaftlichen Verfall des Landes nicht unterbrechen. Die europäischen Kolonialmächte waren zu stark und ihre wirtschaftlichen Ziele zu groß. Ein Ende fand diese Tragödie erst durch ein moralisches Umdenken in Europa. Peking nutzte diesen Sinneswandel  und schloss 1906 ein Anti-Opium-Abkommen mit Großbritannien. Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs 1911 war der Opium-Konsum im Land bereits deutlich gesunken, was maßgeblich darauf zurückging, dass nun endlich auch die Briten das Einfuhrverbot von Opium achteten. In den Jahren unter dem kommunistischen Revolutionär Mao und seiner kompromisslosen  Anti-Opium-Politik verschwand die Droge nahezu vollständig. Das Unglück, das das Rauschgift über das Land gebracht hat, prägt aber bis heute maßgeblich die gnadenlose Drogenpolitik im Reich der Mitte.6

 

  1. Encyclopaedia Britannica: Opium trade; stand 15.02.2018 []
  2. Tagesspiegel: Opium fürs Volk; Artikel vom 15.05.2011 []
  3. Welt: Erster Opiumkrieg: Als England weltgrößter Drogendealer wurde; Artikel vom 20.01.2018 []
  4. Welt: Wie Drogen Imperien begründen und sie vernichten; Artikel vom 14.12.2014 []
  5. Spiegel: Imperium der Dealer; Artikel vom 29.01.2013 []
  6.  Tagesspiegel: Opium fürs Volk; Artikel vom 15.05.2011 [] []
  7.  Spiegel: Imperium der Dealer; Artikel vom 29.01.2013 []

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