Mitte Januar ist der spanischen und der portugiesischen Polizei ein beachtlicher Erfolg im Kampf gegen den Drogenhandel gelungen. Bei einer Sicherheitsoperation, die sich gegen ein Drogennetzwerk richtete, welches in beiden Ländern aktiv ist, konnten 745 Kilogramm Kokain sichergestellt werden. Neun Leute wurden festgenommen, darunter zwei Kolumbianer, die wohl das Netzwerk leiteten. Der Modus Operandi der Gruppe war es, kolumbianisches Kokain von Panama aus in Containern nach Portugal zu verschiffen – zum Zeitpunkt der Sicherheitsoperation war sie gerade dabei, 355 Kilogramm Kokain in ausgehöhlten Ananassen nach Europa zu transportieren. Auch in Ecuador gelang den Sicherheitskräften kürzlich ein Schlag gegen die organisierte Kriminalität. Das Innenministerium des Landes gab bekannt, dass etwa 1,5 Tonnen Kokain, die in einem Fischcontainer versteckt waren, beschlagnahmt wurden. Die aus Kolumbien stammenden Drogen befanden sich auf einem Schiff, das vom Hafen in Guayaquil aus in See stechen sollte. Das Ziel der Lieferung: Belgien.1
Der größte Kokainmarkt der Welt ist Nordamerika und im Besonderen die USA. Bei der Belieferung dieses Marktes spielen die kolumbianischen Drogenkartelle und –netzwerke jedoch, anders als in den 1980er und 1990er Jahren, eine untergeordnete Rolle. Sie übernehmen meistens nur den Kokaanbau und verkaufen das Produkt anschließend an die mexikanischen Kartelle weiter, die die Lieferkette kontrollieren und den Verkauf der Droge in den USA übernehmen. Es sind deshalb auch die mexikanischen Kartelle, die den größten Anteil am Gewinn einheimsen.1
Doch die kolumbianischen Drogennetzwerke kompensieren das wohl zunehmend, indem sie sich nach anderen Absatzmärkten für ihr Kokain umsehen und sich anschließend dort positionieren. Besonders die europäischen Länder haben sie dabei ins Auge gefasst. Europa als Absatzmarkt ist zwar weiter von den Produktionszentren in Kolumbien entfernt, bietet aber im Gegensatz zu Nordamerika einige Vorteile. Am meisten profitieren die Drogennetzwerke dabei vom Preis pro Kilogramm Kokain, der in Europa substanziell höher ist.1
Auffällig an dem Drogennetzwerk, dessen Kokain in Spanien beschlagnahmt wurde, ist das Vorgehen, nachdem das weiße Pulver aus Südamerika die Häfen der iberischen Halbinsel erreicht hatte. Laut Polizeiangaben brachte die Gruppe die Drogen in ein Versteck in Barcelona, von wo aus sie nach Madrid weitertransportiert wurden, um in Laboren gestreckt und auf der Straße verkauft zu werden. Diese Handhabe ist für die kolumbianischen Drogennetzwerke eher ungewöhnlich. In der Vergangenheit verkauften sie das Kokain meistens an kriminelle Gruppen in Europa, wie die italienische ’Ndrangheta, die anschließend den Vertrieb übernahmen.1
In dem Fall beschränkte sich der Verkauf des Kokains auf Spanien. Dennoch stellt sich die Frage, welchen Platz die kolumbianischen Drogennetzwerke in der Zukunft auf dem europäischen Markt beanspruchen werden und inwieweit sie ihre Operationen dort ausweiten wollen. Das Kokain an die organisierte Kriminalität in Europa weiterzureichen ist zwar die einfachste und sicherste Option, aber durch den eigenständigen Vertrieb können viel höhere Gewinne erwirtschaftet werden. In den einzelnen europäischen Ländern kann es beim weißen Pulver massive Preisunterschiede geben. Der Profit pro Kilogramm kann z.B. um über 60 Prozent ansteigen, wenn man das Kokain von den Niederlanden nach Großbritannien schafft. Innerhalb des Schengen-Raums gibt es Preisunterschiede von bis zu 40 Prozent.1
Es gibt verschiedene Faktoren, die es den kolumbianischen Drogennetzwerken erleichtern könnten, im europäischen Drogenhandel weiter Fuß zu fassen. Einige kolumbianische Bacrim (bandas criminales – kriminelle Banden) wie die Rastrojos und die Urabeños haben in Europa bereits eine Art bewaffneten Arm. Zudem brauchen Kolumbianer für die Einreise in den Schengen-Raum kein Visum mehr, was die Einfuhr und den Verkauf von Drogen erleichtert.1
Die Expansion der kolumbianischen Drogennetzwerke in Europa hat aber auch Grenzen. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass sie versuchen, in Gebieten Fuß zu fassen, wo der Drogenhandel bereits von etablierten kriminellen Gruppen wie der russischen oder italienischen Mafia kontrolliert wird. Dennoch bleiben einige Territorien übrig, in denen sich die Kolumbianer ausbreiten könnten, um ihre Profite in Europa weiter in die Höhe zu treiben.1
Die Beschlagnahmungen in Spanien und in Ecuador zeigen dabei exemplarisch auf, wie das weiße Pulver von Südamerika nach Europa gelangt. Kokain, das in den südlichen kolumbianischen Departamentos wie Putumayo, Nariño oder Caquetá produziert wird, überquert meistens die Grenze nach Ecuador und wird vor allem vom Hafen in Guayaquil aus nach Europa versandt. Die ecuadorianischen Behörden konnten dort letztes Jahr 13,5 Tonnen der Droge sicherstellen. Kokain, das hingegen im Norden des Landes oder entlang der Pazifikküste produziert wird, wird über den See- oder Landweg nach Panama geschmuggelt, bevor es sich in Containern auf den Weg nach Europa macht.1
Der Umstand, dass immer größere Mengen an Kokain Europa erreichen, ist neben der Expansion der kolumbianischen Drogennetzwerke auch auf die in letzter Zeit stark wachsenden Anbauflächen für Koka in Kolumbien zurückzuführen. Die Behörden und Sicherheitskräfte in ganz Europa registrieren in der Folge seit einigen Jahren einen sprunghaften Anstieg der Kokainbeschlagnahmungen. Auch Deutschland ist davon betroffen. Zoll und Polizei haben hierzulande im letzten Jahr so viel Kokain sichergestellt wie nie zuvor – im Gegensatz zu 2016 verdreifachte sich der Wert. Auch der BKA-Rauschgiftbekämpfer Christian Hoppe erklärt sich das mit den verschiedenen Drogennetzwerken, die den europäischen Markt mit der Droge überschwemmen würden. Der Leiter des Zollfahndungsamtes Hamburg, René Matschke, ergänzt, dass zudem die Preise für Kokain in den letzten Jahren gesunken seien. Das weiße Pulver ist nicht mehr nur die Droge der Reichen, sondern einer breiten Bevölkerungsschicht zugängig. Das vervielfacht für die Drogennetzwerke die Zahl der potentiellen Abnehmer. „Offensichtlich verfahren die Täter nach dem Motto: Angebot schafft Nachfrage“, sagt Hoppe.123
- InSight Crime: European Cocaine Seizures Hint at New Possibilities for Colombia Traffickers; Artikel vom 19.01.18 [↩] [↩] [↩] [↩] [↩] [↩] [↩] [↩] [↩]
- Tagesspiegel: Ein Land kämpft mit der Droge; Artikel vom 28.05.17 [↩]
- Handelsblatt: Kokain-Produzenten überschwemmen europäischen Markt; Artikel vom 27.12.17 [↩]