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Am ersten Herbsttag im letzten Jahr staunten die Angestellten in zehn bayerischen Rewe-Märkten zwischen Kiefersfelden und Passau nicht schlecht. Sie hatten gerade ihre übliche morgendliche Bananenlieferung erhalten, importiert aus Ecuador, zugestellt vom Großlieferanten. Doch beim Auspacken der Obstkisten stießen sie nicht nur auf die je nach Reifegrad grünen bis gelben Früchte – unter den Bananen befanden sich 200 Kilogramm säuberlich verpacktes Kokain. | Bild: © n.v.

Fast eine Tonne Kokain sichergestellt – Bayerisches LKA landet spektakulärsten Ermittlungserfolg seiner Geschichte

Am ersten Herbsttag im letzten Jahr staunten die Angestellten in zehn bayerischen Rewe-Märkten zwischen Kiefersfelden und Passau nicht schlecht. Sie hatten gerade ihre übliche morgendliche Bananenlieferung erhalten, importiert aus Ecuador, zugestellt vom Großlieferanten. Doch beim Auspacken der Obstkisten stießen sie nicht nur auf die je nach Reifegrad grünen bis gelben Früchte – unter den Bananen befanden sich 200 Kilogramm säuberlich verpacktes Kokain. | Bild: © n.v.

Am ersten Herbsttag im letzten Jahr staunten die Angestellten in zehn bayerischen Rewe-Märkten zwischen Kiefersfelden und Passau nicht schlecht. Sie hatten gerade ihre übliche morgendliche Bananenlieferung erhalten, importiert aus Ecuador, zugestellt vom Großlieferanten. Doch beim Auspacken der Obstkisten stießen sie nicht nur auf die je nach Reifegrad grünen bis gelben Früchte – unter den Bananen befanden sich 200 Kilogramm säuberlich verpacktes Kokain. Die Beamten der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Rauschgift des Bayerischen Landeskriminalamtes und des Zollfahndungsamtes München nahmen zusammen mit der Staatsanwaltschaft Landshut die Ermittlungen auf und kamen einem international agierenden Drogennetzwerk auf die Spur. Knapp acht Monate später ist der Fall nun weitestgehend aufgeklärt.123

Bei einer vor zwei Wochen einberufenen Pressekonferenz gaben Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, Generalstaatsanwalt Reinhard Röttle und das Bayerische LKA umfassend Auskunft über den Fahndungserfolg, der, wie sich herausstellte, über die bayerischen Landesgrenzen hinausging. Zeitweise waren knapp 500 Polizisten und Zollbeamte in ganz Deutschland an den Ermittlungen beteiligt. Gleichzeitig wurde den anwesenden Journalisten ein Teil der insgesamt 800 Kilogramm Kokain präsentiert, die im Laufe der Monate sichergestellt werden konnten. Denn es war nicht beim Fund in den zehn Rewe-Filialen geblieben. Es handele sich dabei, so LKA-Chef Robert Heimberger, um den spektakulärsten Ermittlungserfolg in der Geschichte seiner Behörde.123

Nachdem das Kokain in den bayerischen Supermärkten aufgetaucht war, begann die Ermittlungsgruppe in München, die die Schaltzentrale bei der Aufklärung des Falls bildete, die Spur der Bananenkisten zu verfolgen. Sie führte sie nach Südamerika. In Ecuador wurde das weiße Pulver in Ein-Kilogramm-Pakete verpackt und anschließend, versteckt unter den Bananen, mit dem Schiff zum Hamburger Hafen transportiert.3

Dass das Kokain allerdings auch in Ecuador produziert wurde, kann so gut wie ausgeschlossen werden. Denn der Kokaanbau beschränkt sich fast ausschließlich auf die Andenstaaten Peru, Kolumbien und Bolivien. Da Ecuador allerdings an die letzteren beiden Länder angrenzt, hat es sich zu einem wichtigen Transitstaat für Kokain auf dem Weg in die USA und nach Europa entwickelt. Speziell der Hafen in Guayaquil ist ein Schlüsselkorridor für Kokain aus den Anbaugebieten in den südlichen kolumbianischen Departamentos wie Nariño, Putumayo oder Cáquetá, das nach Europa gelangen soll. Allein letztes Jahr konnten die ecuadorianischen Behörden dort 13,5 Tonnen des Rauschgifts sicherstellen.456

Auch wenn Ecuador mit einer im regionalen Vergleich sehr geringen Mordrate von 5,8 Tötungsdelikten pro 100.000 Einwohnern als eines der sichersten Länder Lateinamerikas gilt, hat der Kokainhandel doch Auswirkungen auf die sicherheitspolitische Lage im Andenstaat. Vor allem an der Grenze zu Kolumbien haben die Spannungen in den vergangenen Monaten immer weiter zugenommen. Denn dort kämpfen verschiedene kriminelle Gruppen um die Vorherrschaft über Schmuggelrouten für das weiße Pulver. In Kolumbien ist nach dem Friedensvertrag zwischen der Regierung und der FARC, die früher der mächtigste Akteur im kolumbianischen Kokainhandel war, ein hochgefährliches Machtvakuum entstanden. Eine Vielzahl von Akteuren, darunter die Urabeños, die ELN, die EPL und dissidente FARC-Gruppierungen, ringen nun um die Nachfolge der Guerilla. Und der Kampf um das Erbe der FARC weitet sich immer mehr auf Ecuador aus.78910

Ende März wurden drei Mitarbeiter der ecuadorianischen Tageszeitung El Comercio – der Reporter Javier Ortega, der Fotograf Paúl Rivas und ihr Fahrer Efraín Segarra – in der Provinz Esmeraldas an der Grenze zu Kolumbien von der Oliver Sinisterra Front um den FARC-Dissidenten Walter Arizala Vernaza, alias „Guacho“, verschleppt. Die Verhandlungen der ecuadorianischen Regierung mit den Entführern erwiesen sich als erfolglos. Mitte April gab der ecuadorianische Präsident Lenín Moreno bekannt, seine drei Landsleute seien ermordet worden.1112

Zudem entführte die Gruppe um „Guacho“, der Schätzungen des ecuadorianischen Militärs zufolge 70 bis 80 ehemalige FARC-Guerilleros angehören, die sich dem Friedensvertrag widersetzen und ihre Waffen nicht niedergelegt haben, kurz nach der Ermordung des Reporterteams ein junges Paar aus Ecuador. In einem Video, das die Kidnapper der ecuadorianischen Regierung zuschickten, sieht man einen Mann und eine Frau, die Moreno um Hilfe anflehen. Die beiden wurden später als Oscar Villacís und Katty Velasco identifiziert.1314

Ob die nach Hamburg verschifften Drogen aus Kolumbien kommen und ob kolumbianische kriminelle Gruppen bei der Produktion oder dem Schmuggel des Kokains ihre Hände im Spiel hatten, ist derzeit unklar. Festzuhalten bleibt aber, dass Ecuadors Rolle als Transitstaat im internationalen Kokainhandel und die Präsenz bewaffneter Gruppierungen, die um Einfluss und Kontrolle über den Markt für das Rauschgift kämpfen, klar erkennbare Auswirkungen auf die sicherheitspolitische Situation im Land haben.

Als die Bananenkisten aus Ecuador schließlich in Hamburg ankamen, wurden sie per LKW in Reifungshallen in ganz Deutschland gebracht, die dem importierenden Großlieferanten gehören. Die Früchte werden dort mit einem speziellen Gas bedampft, das sie nachreifen und für den Verkauf gelb werden lässt.315

In neun dieser Hallen drang das Drogennetzwerk von Juli 2017 bis April 2018 ein, um das unter den Bananen versteckte Kokain wieder einzusammeln. So kam es im Juli 2017 in Hessen, im September in Bayern, im Oktober im Saarland, im November in Nordrhein-Westfalen, im Februar 2018 in Hessen und Ende März erneut in Bayern zu Einbrüchen, bei denen am Ende nur die Bananen zurückblieben und die Kisten um dutzende Kilogramm erleichtert wurden. Die Täter wussten jeweils genau, an welcher Stelle sie suchen mussten, um fündig zu werden. Anhand des fehlenden Gewichtes gehen die Ermittler heute davon aus, dass insgesamt rund 950 Kilogramm des weißen Pulvers gestohlen wurden, von dem bis jetzt weiterhin jede Spur fehlt. Es sei wohl gestreckt und weiterverkauft worden, vermutet ein Sprecher des LKA.2315

Doch für das Drogennetzwerk lief nicht alles nach Plan. Der Einbruch im September 2017 misslang. Ein Überwachungsvideo aus der Reifungshalle im bayerischen Eitting zeigt, dass die Täter die falschen Kisten mitnahmen. Deshalb tauchte das Kokain in den zehn Rewe-Filialen auf – und die Ermittler kamen dem Drogennetzwerk auf die Spur. In den Folgemonaten gelang es so mit der Unterstützung des Großlieferanten insgesamt 800 Kilogramm des Rauschgifts sicherzustellen, noch bevor die Täter es einsammeln konnten.32

Der letzte erfolgreiche Einbruch gelang dem Drogennetzwerk Ende März in München. Dann schnappte die Falle der Ermittler zu. Als die Täter Ende April in einer Hamburger Reifungshalle erneut zuschlugen und sich das Kokain verschafften, griff ein Spezialeinsatzkommando zu. Gleichzeitig wurden Wohnungen in Hamburg und Hannover durchsucht. Am Ende wurden zwölf aus Albanien stammende Männer zwischen 21 und 51 Jahren festgenommen und 30.000 Euro Bargeld sowie zwei Revolver sichergestellt. Doch gänzlich beendet ist die Arbeit der Ermittler damit noch nicht. Jetzt begeben sie sich auf die Suche nach den Hintermännern und eigentlichen Drahtziehern des zerschlagenen Drogennetzwerks.162

  1. München TV: Kokain für Europa versteckt in Bananen für Bayern – LKA in München mit größtem Ermittlungserfolg; veröffentlicht am 16.05.18 [] []
  2. Süddeutsche Zeitung: Kokain unter Bananen: LKA macht spektakulären Ermittlungsfund; Artikel vom 16.05.18 [] [] [] [] []
  3. Bayerisches Landeskriminalamt: Fast eine Tonne Kokain sichergestellt und zahlreiche Verdächtige festgenommen; Artikel vom 16.05.18 [] [] [] [] [] []
  4. InSight Crime: Ecuador Profile; Stand 01.06.18 []
  5. United States Department of State: International Narcotics Control Strategy Report – Volume 1; veröffentlicht im März 2018 []
  6. InSight Crime: European Cocaine Seizures Hint at New Possibilities for Colombia Traffickers; Artikel vom 19.01.18 []
  7. InSight Crime: InSight Crime’s 2017 Homicide Round-Up; veröffentlicht am 19.01.18 []
  8. Amerika 21: Gemeinsame Sicherheitspolitik von Ecuador und USA; Artikel vom 05.05.18 []
  9. CNN en Español: ¿Qué pasa en la frontera entre Colombia y Ecuador?; Artikel vom 18.04.18 []
  10. InSight Crime: Colombia’s Peace Agreement With the FARC Survives First Year; Artikel vom 24.11.17 []
  11. Amerika 21: Ecuador: Drei Journalisten an der Grenze zu Kolumbien entführt; Artikel vom 01.04.18 []
  12. Deutsche Welle: Ecuadorianisches Reporterteam von Rebellen ermordet; Artikel vom 13.04.18 []
  13. Telesur: Ecuador Signs Security Deal with US, Military Presence Expected; Artikel vom 26.04.18 []
  14. Ecuador: Zwei Minister treten wegen Krise an der Grenze zurück; Artikel vom 28.04.18 []
  15. Münchner Merkur: Mega-Drogenfund in bayerischen Supermärkten: Die Spur führt nach Südamerika; Artikel vom 16.05.18 [] []
  16. Bayerisches Landeskriminalamt: Fast eine Tonne Kokain sichergestellt und zahlreiche Tatverdächtige festgenommen; Artikel vom 16.05.18 []

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