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Kolumbien hat einen neuen Präsidenten. Ab dem 7. August wird nun Iván Duque die „Casa de Nariño“, den Amtssitz des Staatsoberhaupts des südamerikanischen Landes, bewohnen. Der rechtskonservative Kandidat, der der von Ex-Präsident Álvaro Uribe gegründeten Partei Centro Democrático angehört, erhielt am Sonntag 53,98 Prozent der Stimmen und konnte sich somit gegen seinen Konkurrenten Gustavo Petro von der linken Bewegung Colombia Humana, der auf 42,01 Prozent der Stimmen kam, durchsetzen. | Bild: © n.v.

Präsidentschaftswahl in Kolumbien: Neuer Amtsinhaber gefährdet FARC-Friedensabkommen

Kolumbien hat einen neuen Präsidenten. Ab dem 7. August wird nun Iván Duque die „Casa de Nariño“, den Amtssitz des Staatsoberhaupts des südamerikanischen Landes, bewohnen. Der rechtskonservative Kandidat, der der von Ex-Präsident Álvaro Uribe gegründeten Partei Centro Democrático angehört, erhielt am Sonntag 53,98 Prozent der Stimmen und konnte sich somit gegen seinen Konkurrenten Gustavo Petro von der linken Bewegung Colombia Humana, der auf 42,01 Prozent der Stimmen kam, durchsetzen. | Bild: © n.v.

Kolumbien hat einen neuen Präsidenten. Ab dem 7. August wird nun Iván Duque die „Casa de Nariño“, den Amtssitz des Staatsoberhaupts des südamerikanischen Landes, bewohnen. Der rechtskonservative Kandidat, der der von Ex-Präsident Álvaro Uribe gegründeten Partei Centro Democrático angehört, erhielt am Sonntag 53,98 Prozent der Stimmen und konnte sich somit gegen seinen Konkurrenten Gustavo Petro von der linken Bewegung Colombia Humana, der auf 42,01 Prozent der Stimmen kam, durchsetzen. Von den rund 36 Millionen wahlberechtigten Kolumbianern gaben knapp 53 Prozent ihre Stimme ab, ein für das Land guter Wert. Zuvor hatte bereits am 27. Mai eine erste Wahlrunde stattgefunden, keiner der elf Kandidaten konnte jedoch die für den Sieg notwendige absolute Mehrheit der Stimmen erringen. Deshalb fand nun drei Wochen später eine Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen im ersten Wahlgang statt.123

Für Duque, der bei seinem Amtsantritt der jüngste Präsident in Kolumbiens Geschichte sein wird, ist das Ergebnis ein klarer Sieg. Doch auch Petro verbuchte mit rund acht Millionen erhaltenen Stimmen einen großen Erfolg für sich. Nie zuvor hatte ein Linkspolitiker bei einer kolumbianischen Präsidentschaftswahl so gut abgeschnitten wie der ehemalige Bürgermeister von Bogotá.124

Der Wahlkampf zwischen den beiden Kandidaten mit der gegensätzlichen Agenda hatte den Andenstaat monatelang politisch polarisiert. Duque und Petro stehen für zwei politische Extreme, mit denen sich jeweils viele Kolumbianer, die nach weitreichenden Veränderungen in ihrem Land dürsten, gut identifizieren können. Das Niveau der sozialen Ungleichheit in Kolumbien hat sich zwar in den vergangenen Jahren verringert, die ungleiche Verteilung der Vermögen im Land nimmt jedoch den zweithöchsten Wert in Lateinamerika an. Das Schulsystem und das Gesundheitswesen weisen deutliche Mängel auf, Korruption ist noch immer weit verbreitet. Vor allem aber ist niemand so wirklich mit der Umsetzung des 2016 geschlossenen FARC-Friedensvertrags zufrieden, der einen Schlussstrich unter den seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt mit der Guerilla zog. Die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen FARC und Regierung hatten mehr als 200.000 Menschenleben gefordert und etwa sieben Millionen Kolumbianer aus ihrer Heimat vertrieben.3567

Insgesamt ist die Gewalt in Kolumbien in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen, 2017 konnte das Land mit 24 Tötungsdelikten pro 100.000 Einwohner die niedrigste Mordrate seit langer Zeit vorweisen. Die FARC hat sich zu einer politischen Partei gewandelt und kämpft jetzt mit Worten statt mit Waffen. Doch der Frieden hat nicht überall Einzug gehalten. In den entlegenen Gebieten des Andenstaats, vor allem in ehemaligen FARC-Territorien, kann man teilweise einen deutlichen Gewaltanstieg beobachten. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Hotspots des Kokaanbaus. Die FARC war früher der mächtigste Akteur im kolumbianischen Kokainhandel und konnte sich so jahrzehntelang finanzieren, aber als die ehemaligen Guerilleros nach der Unterzeichnung des Friedensvertrags ihre Waffen niederlegten, entstand in den ehemals von ihnen besetzten Gebieten ein Machtvakuum. Kleinere Guerillas wie die ELN oder die EPL und sogenannte BACRIM, kriminelle Gruppen, die meist aus paramilitärischen Organisationen hervorgegangen sind, kämpfen nun um die Nachfolge der FARC.89

Hauptkritikpunkte des Abkommens sind aber die Sonderrechtsprechung für den Frieden („Justicia Especial para la Paz“ – JEP) sowie die Entscheidung, der FARC in den nächsten zwei Legislaturperioden je zehn Sitze im Kongress zu garantieren. Die JEP soll für alle am FARC-Konflikt direkt oder indirekt beteiligten Personen zuständig sein, also neben ehemaligen Guerilleros beispielsweise auch Soldaten. In den meisten Fällen sieht sie Amnestie vor. Bei Verurteilungen wegen schwerwiegenden Verbrechen wie Menschenrechtsverstößen droht ehemaligen FARC-Kämpfern ein Freiheitsentzug von maximal acht Jahren, sofern sie ihre Schuld und Verantwortung in einem frühen Stadium des Prozesses eingestehen. Viele Kolumbianer fürchten, dass die Ex-Guerilleros mit zu milden Strafen davon kommen. Da die JEP zudem erst kürzlich ihre Arbeit aufgenommen hat, gibt es die Besorgnis, dass die FARC-Kongressabgeordneten ihr Amt antreten, ohne zuvor im Rahmen der Sonderrechtsprechung verurteilt zu werden.1011

Mit Iván Duque ist nun ein Kritiker des FARC-Friedensprozesses an die Macht gekommen, der Teile des Abkommens mit der Guerilla anpassen will oder gänzlich ablehnt. Der konservative Anwalt gilt als Ziehsohn von Álvaro Uribe, ebenfalls ein erklärter Gegner des Friedensvertrags. Viele sagen, dass der bis vor kurzem recht unbekannte Politiker ohne die Unterstützung seines prominenten Förderers nie so weit gekommen wäre. „Er wird Präsident, weil Uribe ihn dazu gemacht hat“, meint Gimena Sánchez-Garzoli vom Think-Tank Washington Office on Latin America. In kritischen Kreisen gilt Duque als Marionette des ehemaligen Staatsoberhaupts, dem zahlreiche Menschenrechtsverletzungen und umfangreiche Verbindungen zu paramilitärischen Vereinigungen vorgeworfen werden. Entsprechend hoch ist die Sorge vieler Aktivisten vor einer Rückkehr des sogenannten Uribismo. „Duque hat so viele Schulden bei der politischen und wirtschaftlichen Elite dieses Landes, dass sie ihn nicht unabhängig regieren lassen werden“, sagt María Fernanda Carrascal, Gründerin der zivilgesellschaftlichen Kampagne #ElPaisPrimero. Viele Aktivisten hätten Angst, dass die unter Uribe übliche Stigmatisierung und Verfolgung Oppositioneller wieder alltäglich werden könnten.531

Einige Monate vor der Wahl hatte Duque noch behauptet, den Friedensvertrag „in Stücke reißen“ zu wollen, zuletzt mäßigte er seinen Ton etwas. In einem Interview sagte er, dass er das FARC-Abkommen nicht vollständig zunichtemachen, sondern lediglich einige Modifikationen und Anpassungen vornehmen wolle, um so einen „glaubhaften und nachhaltigen Frieden“ zu erreichen, der „fest in der Justiz verankert sei“. Gleichzeitig sollten härtere Strafen für Kapitalverbrechen der ehemaligen Guerilleros durchgesetzt und damit die durch die JEP gegebene Straflosigkeit bekämpft werden. „Die größte Herausforderung liegt darin, gerechte Strafen für begangene Verbrechen zu verhängen“, gab er gegenüber El Tiempo bekannt.12126

Doch selbst kleine Modifikationen am Friedensvertrag könnten den ehemaligen FARC-Rebellen nicht passen und viele von ihnen zurück in den Untergrund drängen. Die wachsende Zahl der FARC-Dissidenten ist schon seit einiger Zeit ein großes Problem, durch Änderungen am Abkommen könnten sie weiter an Zulauf gewinnen.36

Auch in der Drogenpolitik besinnt sich Duque ganz auf seinen Mentor Uribe. Kokafelder sollen radikal vernichtet, der Drogenhandel härter bestraft und der Konsum selbst kleiner Mengen sanktioniert werden. Die Militarisierung der betroffenen Gebiete soll parallel für Sicherheit sorgen.3

Was für genaue Auswirkungen die Präsidentschaft Duques auf den FARC-Friedensprozess haben wird, ist noch nicht ganz absehbar, die Sorge vor einer „Politik der harten Hand“ ist aber zu Recht sehr groß. Die Konrad-Adenauer-Stiftung schreibt in einem Bericht, dass man zum einen davon ausgehen könne, dass Duque seine Klientel befriedigen müsse, zum anderen sei er wahrscheinlich nicht so unklug, das Friedensabkommen wirklich zu gefährden. Der Economist konstatiert, dass der neue Amtsinhaber den Vertrag beschädigen, aber wahrscheinlich nicht zerstören könne.27

  1. Tagesschau: Konservativer wird Präsident in Kolumbien; Artikel vom 18.06.18 [] [] [] []
  2. Konrad-Adenauer-Stiftung: Kolumbien hat gewählt; veröffentlicht am 18.06.18 [] [] [] []
  3. Amerika 21: Iván Duque gewinnt Stichwahl um Präsidentschaft in Kolumbien; Artikel vom 18.06.18 [] [] [] [] []
  4. ZDF heute: Wahlsieger Duque will Kolumbien vereinen; Artikel vom 18.06.18 []
  5. Al Jazeera: What is at stake in Colombia’s runoff vote?; Artikel vom 17.06.18 [] []
  6. The Economist: The faulty front-runners for Colombia’s presidency; Artikel vom 24.05.18 [] [] []
  7. The Economist: Will Colombia’s next president imperil the peace deal with the FARC?; Artikel vom 26.05.18 [] []
  8. Drogen Macht Welt Schmerz: Kolumbien ein Jahr nach dem Friedensvertrag: Viele Probleme noch ungelöst – Kokainproduktion steigt deutlich an; Artikel vom 29.11.17 []
  9. InSight Crime: InSight Crime’s 2017 Homicide Round-Up; veröffentlicht am 19.01.18 []
  10. The Economist: Why Colombians distrust the FARC peace deal; Artikel vom 24.05.18 []
  11. Yale Law School: ABC: Special Jurisdication For Peace; Stand 19.06.18 []
  12. Washington Office on Latin America – Colombia Peace: Last Week in Colombia’s Peace Process: Week of May 27-June 2; Artikel vom 07.06.18 []

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