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Standgerichte gegen die Drogensucht – Wie Indonesien auf maximale Abschreckung setzt

Das südostasiatische Touristenparadies Indonesien ist bedroht – so die Ansicht des Präsidenten Joko Widodo. So sehr bedroht, dass er vor einigen Jahren sogar den nationalen Notstand ausgerufen hat. Nur sind es in diesem Fall keine Naturkatastrophen oder externe Aggressoren, die das Land gefährden. Es ist die stetig wachsende Drogenproblematik, welche es zu bekämpfen gilt. Schätzungen zufolge sind von den 250 Millionen Einwohnern 4 Millionen drogenabhängig - jedes Jahr sterben von ihnen 12,000. Doch der Reform-Präsident Widodo hat scheinbar eine einfache Lösung parat – die nebenbei auch in der Bevölkerung auf breite Unterstützung stößt. Um das ausufernde Drogenproblem in den Griff zu bekommen, sollen nun Drogenproduzenten und Händler mit dem Tod bestraft werden. Der bloße Besitz von Rauschmitteln kann ebenfalls zu einer mehrjährigen Haftstrafe führen. | Bild: © n.v.

Das südostasiatische Touristenparadies Indonesien ist bedroht – so die Ansicht des Präsidenten Joko Widodo. So sehr bedroht, dass er vor einigen Jahren sogar den nationalen Notstand ausgerufen hat. Nur sind es in diesem Fall keine Naturkatastrophen oder externe Aggressoren, die das Land gefährden. Es ist die stetig wachsende Drogenproblematik, welche es zu bekämpfen gilt. Schätzungen zufolge sind von den 250 Millionen Einwohnern 4 Millionen drogenabhängig – jedes Jahr sterben von ihnen 12,000. Doch der Reform-Präsident Widodo hat scheinbar eine einfache Lösung parat – die nebenbei auch in der Bevölkerung auf breite Unterstützung stößt. Um das ausufernde Drogenproblem in den Griff zu bekommen, sollen nun Drogenproduzenten und Händler mit dem Tod bestraft werden. Der bloße Besitz von Rauschmitteln kann ebenfalls zu einer mehrjährigen Haftstrafe führen. Diese radikale Vorgehensweise ist eine gravierende Menschenrechtsverletzung. Die individuellen Umstände der Betroffenen werden hierbei bewusst übersehen. Warum setzt Indonesien nicht auf andere Drogenbekämpfungsstrategien? 1) 2)

Dass der Handel mit illegalen Substanzen gerade in Indonesien so floriert, hat mehrere Gründe. Zum einen besitzt der Inselstaat zahlreiche abgelegene und kaum bewohnte kleine Inseln – ideal zum unbeobachteten Anbau. Zum anderen liegt das Land aber auch strategisch zwischen einem wichtigen Rohstofflieferanten und einem profitablen Absatzkandidaten – gemeint sind China und Australien. Neben der Bedeutung als Transitland, bieten die boomenden Touristenmetropolen im Inland ebenfalls bedeutende Profitmöglichkeiten. Dort konsumieren neben feierlaunigen Besuchern besonders Arbeiter, Studenten und Prostituierte die Rauschmittel – aber auch viele Landsleute, die aus Notsituationen heraus zur Droge greifen. 2)

Solche Menschen findet man in der Hilfeeinrichtung von Laurentius Panggabean. Der studierte Psychologe kämpft durch seine Arbeit gegen die Entmenschlichung von Drogenabhängigen. In seiner Anstalt stellt er betroffenen Personen frisches Spritzbesteck zur Verfügung und versorgt sie mit dem Ersatzstoff Methadon. So hilft er Schritt für Schritt bis zu 100 Drogenabhängigen zu einem besseren Leben. Vom perspektivlosen Konsumenten hin zum Dealer ist es oftmals kein weiter Weg. Menschen in Laurentius Einrichtung können davon erzählen – waren sie in manchen Fällen doch mehrere Jahrzehnte in der Drogenspirale gefangen. Eine Rede an Polizeiangehörige unterstreicht die Meinung des Präsidenten zu den Betroffenen. „Habt kein Mitleid mit ihnen, erschießt sie einfach, wenn sie auch nur den geringsten Widerstand leisten.“ Dies erinnert sehr an die Aggressionspolitik im philippinischen Anti-Drogen-Krieg. 1) 3)

Sich an den philippinischen Strategien zu orientieren, hätte jedoch fatale Folgen. Im Nachbarland ist der Krieg gegen die Drogenkartelle extrem eskaliert – mit bereits 20,000 Toten. Leider bewegt sich Indonesien jedoch bereits in diese Richtung. Allein 2017 wurden 60 Händler von der Polizei erschossen. Nachdem 2015 die ersten sechs Menschen hingerichtet wurden, steigt auch die Zahl der verurteilten Todeskandidaten stetig. Es gab und gibt zwar internationale Gnadenapelle und diplomatische Gegenmaßnahmen –  diese werden bis heute aber größtenteils ignoriert. 4) 3)

Neben lokalen Helfern sind es insbesondere globale Institutionen, die im Land aktiv werden, um zu vermitteln und zu helfen. Ein Beispiel aus Deutschland ist die Caritas, welche die Abschreckungspolitik verurteilt – ihre Strategie beruht auf Überzeugungskraft. Sie weist beispielsweise auf die erhöhte HIV Gefahr durch Drogenkonsum hin, sorgt für Entgiftung und medizinische Versorgung und leistet Aufklärungsarbeit an Schulen. Des Weiteren qualifiziert sie Menschen im Umgang mit Betroffenen. 5)

Bislang konnte durch die aktuellen Maßnahmen der Drogenmarkt nicht eingedämmt werden – so die Bilanz aus drei Jahren Abschreckungspolitik in Indonesien. Ein Strategiewechsel mit Maßnahmen wie im vorherigen Beispiel könnte Erfolge erbringen – und das ohne Gewalt. Durch die geografischen Gegebenheiten des Landes ist eine komplette Kontrolle kaum möglich. Trotzdem sind alternative Maßnahmen möglich. So können bis heute chemische Basisstoffe für illegale Suchtmittel meist legal ohne eine intensivere Kontrolle nach Indonesien importiert werden. Desweiteren haben die Anti-Drogenbehörden immer noch ein finanzielles und personelles Defizit. Am wirksamsten wäre jedoch ein Ausbau der grenzübergreifenden Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten. Eine intensive Kooperation, beispielsweise im Rahmen der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN), würde bestimmt eine positive Veränderung bringen – nur liegt diese noch in den Anfängen. 2)

 

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. deutschlandfunk: Riesenstaat mit einem Drogenproblem; Artikel vom 02.05.2015
  2. dw: Indonesien: Drehscheibe für den Drogenhandel; Artikel vom 11.04.2016
  3. dw: Amnesty: Indonesien geht immer härter gegen Drogenszene vor; Artikel vom 16.08.2017
  4. taz: Wegen Drogen exekutiert; Artikel vom 18.01.2015
  5. caritas-international: Indonesien: Hilfe für suchtkranke Menschen; Artikel vom 01.04.2018

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