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Zwei Frauen bieten der Drogenmafia die Stirn – und bezahlen mit ihrem Leben

| Bild: © n.v.

Innerhalb eines Monats wurden gleich zwei Frauen, die sich gegen die organisierte Kriminalität in Mexiko engagierten, entführt und ermordet: die eine Umweltschützerin in den Bergen im Süden Mexikos, die andere ehemalige Bürgermeisterin der Kleinstadt Tiquicheo. Beide setzten sich auf ihre Weise für ein gewaltfreieres Mexiko ein – und mussten dafür sterben.

Juventina Villa Mojica war mit einem Geländewagen in der Nähe ihres Heimatortes La Laguna im Bundesstaat Guerrero unterwegs, als sie von mehreren bewaffneten Männern angegriffen wurde. Mit im Auto saßen ihr 10-Jähriger Sohn Reynaldo und ihre 7-jährige Tochter. Sowohl die Umweltaktivistin als auch ihr Sohn kamen in dem Kugelhagel ums Leben, das Mädchen überlebte.

Villa setzte sich seit Jahren für die indigenen Gemeinschaften der Kleinbauern in dem Bundesstaat Guerrero ein. Aufgrund von vorausgehenden Drohungen, wurde die Aktivistin von zehn Polizisten begleitet, die zum Schutz der Familie eingesetzt wurden. Villa verließ ihr Dorf, um auf einer Anhöhe zu telefonieren, da es in La Laguna weder Telefon noch Handyempfang gibt. Fünf der Polizisten waren zu Fuß unterwegs, hielten sich aber nicht in ihrer Nähe auf, die anderen Sicherheitsmänner waren in einem Auto vor ihr. Als sie sich von der Schutztruppe löste, um ein privates Gespräch am Telefon zu führen, griffen die Bewaffneten an. 1)

Das Attentat auf Villa folgte jahrelangen Morddrohungen und der Ermordungen ihres Mannes und zwei ihrer Kinder im Jahr 2005 und 2011. 2) Mehr als 20 Familienmitglieder der Umweltschützerin sollen seit 2011 getötet worden sein. 3) Seit über zehn Jahren widersetzten sich Villa, ihre Familie und sämtliche Kleinbauern der Ortschaft den Drogenbanden, um ein Abholzen ihrer Wälder zu verhindern. Beide Seiten lieferten sich häufig gewaltsame Auseinandersetzungen. Die Gemeinschaft der Kleinbauern erhielt seit langem Morddrohungen und musste aufgrund von Angriffen bereits mehrmals umgesiedelt werden.

Villa und ihr Ehemann Santana waren Vorsitzende des Campesino Ecologist Organization of the Sierra de Petatlán (OCESP), eine Organisation, die sich gegen die Rodungen der Wälder in der Gegend der Gemeinde Coyuca de Catalan zur Wehr setzte. In dem Bundesstaat Guerrero sind viele Drogenbanden und mafiöse Gruppierungen aktiv, die illegal die Ländereien der Kleinbauern abholzen, um auf den Flächen den Anbau von Marihuana und Opium voran zu treiben. Durch das Abholzen und den Verkauf des Holzes werden die Einkünfte aus den Drogengeschäften rein gewaschen. 4) In dem Bundesstaat Guerrero wird seit Generationen Marihuana angebaut. Die schwer zugängliche Gegend, in der es wenig staatliche Kontrolle gibt, ist eine Hochburg des illegalen Holz- und Drogenhandels. 5)

Seit Jahren herrscht ein brutaler Drogenkrieg in Mexiko. Seit 2006 sind in den Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und den Drogenkartellen, aber auch zwischen den Narcosbanden selber, rund 60.000 Menschen gestorben. 6)

Erst Anfang November wurde eine weitere Frau, die den Drogenbanden die Stirn geboten hatte, ermordet. Maria Santos Gorrostieta war 2008 – 2011 Bürgermeisterin der kleinen Stadt Tiquicheo, westlich der Hauptstadt Mexico-City. Trotz mehrerer Mordanschläge auf sie und ihre Familie, kämpfte die Politikerin jahrelang gegen die kriminellen Drogenbanden. Bei einer Schießerei im Jahre 2009 wurde ihr Ehemann und Vater ihrer drei Kinder, getötet. Maria selbst überlebte den Anschlag und einen weiteren im Jahr 2011, bei dem sie schwere Schussverletzungen davontrug. „Eine innere Kraft hat mich dazu bewegt, mich noch sterbend zu erheben“, sagte Maria nach dem überlebten Anschlag, „ich werde so oft aufstehen, wie Gott es mir erlaubt“. 7) Zu Recht wurde sie von ihren Anhängern als Heldin des 21. Jahrhunderts gefeiert. Obwohl sie sich aufgrund mangelnder Mandate aus der Politik zurückzog, wurde sie von der Drogenmafia für ihren mutigen Kampf abgestraft: Am 12.November überlebt sie den dritten Mordversuch nicht.

Die Frage nach den Tätern bleibt unbeantwortet. Solche Fragen werden in Mexiko selten geklärt – weder in Guerrero noch in Michoacán. Mexikos Justiz ist eine der ineffizientesten Lateinamerikas: 98% der Verbrechen bleiben ungesühnt, gerade einmal 3% aller Morde enden in einer Verurteilung. 5)  7)

In Regionen wie dem Bundesstaat Michoacán wird besonders ungern über die Namen möglicher Killer gesprochen. Der Handel mit Drogen floriert hier seit Jahrzehnten, besonders der Verkauf von Marihuana und Kokain spült den Kartellen Millionen in die schwarzen Kassen. Die Märkte teilen sich wenige Kartelle untereinander auf, ins Geschäft sind aber alle verstrickt: Politiker, Polizei, Justiz. Es gilt das Prinzip Plata o Plomo, Geld oder Kugel. 7)

Die wenigen die ihre Stimme gegen die organisierte Kriminalität erheben, werden selbst schnell Opfer: Innerhalb eines Monats verlor Mexiko zwei seiner Heldinnen 6) : Beide, Villa und Maria, hatten den Mut für ein gerechteres Mexiko zu kämpfen und der mexikanischen Drogenmafia auf ihre Weise die Stirn zu bieten. Sie ließen sich nicht einschüchtern und mussten dafür mit dem Tod bezahlen.

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. WW4 – Mexico: Peasant Ecologist killed in Guerreo – Quelle nicht mehr aufrufbar
  2. WW4 – Mexico: Peasant Ecologist killed in Guerreo – Quelle nicht mehr aufrufbar
  3. Spiegel Online – Mexiko verliert seine Heldinnen
  4. WW4 – Mexico: Peasant Ecologist killed in Guerreo – Quelle nicht mehr aufrufbar
  5. Die Welt – Juventina stirbt, als die Bodyguards abtauchen
  6. Spiegel Online – Mexiko verliert seine Heldinnen
  7. Sueddeutsche – Chronik eines angekündigten Todes

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