Zum Inhalt springen

Kirgistan: Rauschgifthandel in „Drogenhauptstadt“ floriert weiter

| Bild: © n.v.

Fragt man einen Kirgisen danach, was die Stadt Osch – zweitgrößte Stadt Kirgistans – besonders macht, so würden wohl viele auf den riesigen und lebhaften Stadtmarkt verweisen. Nicht nur deshalb nennen sie viele Einheimische die „Hauptstadt des Südens“. Was sie nicht erwähnen: Auch in anderen Bereichen findet ein florierender Handel statt – weswegen Osch auch etwas weniger schmeichelhaft als „Hauptstadt der Drogen“ tituliert wird. 1)

Bekanntermaßen wird der Großteil des Opiums in Afghanistan produziert – Osh liegt genau auf einer Schmugglerroute, die von Afghanistan über  Tadschikistan nach Kirgistan führt, wo die Drogen schließlich in der Hauptstadt Bishkek gesammelt werden. Von dort werden die meisten Rauschmittel via Kasachstan nach Russland überführt. 1) Osh spielt hierbei aufgrund der geographischen Lage eine Schlüsselrolle: So liegt die Stadt nicht nur in der Nähe der schwach patrouillierten Grenze zu Tadschikistan – welche meistens durch gebirgiges Terrain verläuft – sie befindet sich inmitten des schwer zu überwachenden Ferghanatals und in Reichweite der tadschikischen, autonomen Region Berg-Badachschan. 2) Als innerländische Hauptroute gilt die Osh-Sarytash-Irkeshtam-Route.

Bereits 2008 nannte die UNODC in einem Bericht Osh als eine der „Drogenhauptstädte Zentralasiens“. Bereits 2006 war Osh in Hinsicht auf beschlagnahmtes Heroin einsamer Spitzenreiter gewesen – 131,13 Kilogramm gelangten, wenn man die umliegende Region miteinbezieht, in polizeiliche Hände (zum Vergleich: in der Hauptstadt Bishkek waren es 54,29 Kilogramm). Ähnliches lässt sich beim beschlagnahmten Rohopium feststellen: 127,66 Kilogramm wurden in der Osh-Region dingfest gemacht – 153,93 Kilogramm allerdings in Bishkek. Prozentual gesehen bedeutete dies einen landesweiten Anteil von 18 bzw. 22%. Man geht allerdings davon aus, dass die tatsächliche Dunkelziffer viel höher ist, da es in der Osh-Region bisher kaum möglich ist, dem Drogenhandel Einhalt zu gebieten. 3)

Problematisch hierbei: Fortschritte sind kaum zu erkennen – im Gegenteil: Mittlerweile bilden sich immer größere Drogenbanden. Urmat Abrybekov, Stabschef der nationalen Drogenkontrollbehörde, konkretisiert: „In Kirgistan wird zurzeit die große Zahl von kleinen kriminellen Gruppen, die sich einst innerhalb von Landsmannschaften bzw. ethnischen Gemeinschaften oder Verwandtschaften gebildet hatten, durch mehrere gut organisierte (Drogen-)Kartelle abgelöst, die einen klaren hierarchischen Aufbau und Verbindungen zu ehemaligen Sowjetrepubliken und dem ferneren Ausland haben.“ 4)

Es verwundert daher kaum, dass die Sicherheitsbehörden immer uneffektiver agieren. Abrybekovs Angaben zufolge war so beispielsweise die Anzahl an aufgedeckten Drogendelikten 2010 um 18,2 Prozent (!) im Vergleich zum Vorjahr gesunken – die absolute Menge an beschlagnahmtem Rauschgift stieg dennoch um 149 Kilogramm auf insgesamt 8,34 Tonnen. Das liegt zum Teil auch daran, dass die Agentur für Drogenkontrolle Oktober 2009 aufgelöst worden war und erst im Februar 2010 wieder gegründet wurde. Es wird gemutmaßt, dass die damaligen Drogenstrukturen eng mit dem damaligen Präsidenten Kurmanbek Bakiyev vernetzt sind. Bakiyev war im April 2010 nach politischen Unruhen schließlich zurückgetreten. 4) Zwei Monate danach kam es in Osch zu ethnischen Zusammenstößen, bei dem mindestens 117 Personenen getötet und 1 400 verletzt wurden. Zwischen 32 000 und 80 000 Menschen emigrierten nach Usbekistan. Gerüchte, dass auch daran die Drogenmafia unbeteiligt gewesen war, halten sich hartnäckig.

Weitere Probleme bei der Bekämpfung des Drogenhandels sind wie so oft Korruption sowie mangelnde Kooperation mit den Nachbarstaaten. Dies wird durch Unstimmigkeiten zwischen zwei der mächtigsten Staaten der Welt verschärft: So hatte Russland Kirgistan dazu gedrängt, einen von den Vereinigten Staaten ausgearbeiteten Plan abzulehnen. Aleksandr Zelitchenko, Kooperator eines europäischen Anti-Drogen-Programms in Kirgistan, beschwört daher: „Lasst uns unsere Arbeit zusammen als Partner erledigen.“ 5)

Ob dies den ebenfalls ansteigenden Drogenkonsum eindämmt, ist fraglich. Alleine in Osh sind offiziell 1 400 Personen drogensüchtig. Was sich harmlos anhört, entpuppt sich als absurd hohe Zahl: Generell wird nämlich angenommen, man müsse den eigentlichen Wert verzehnfachen, um auch die Dunkelziffer mit einzubeziehen. Bei 230.400 Einwohnern wären demach über 6% der dortigen Bevölkerung drogensüchtig… 1)

Immerhin wurde das Problem mittlerweile erkannt. Alleine für das vergangene Jahr stellte die UNODC der kirgisischen Regierung 3,5 Millionen US-Dollar zur Bekämpfung des Drogenhandels zur Verfügung.

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Central Asia’s ‚Drug Capital‘ Fights To Stem Tide Of Narcotics – RFERL – Englisch
  2. Illicit Drug Trends in Central AsiaUNODC – PDF-Datei – Seite 19 – Englisch
  3. siehe 2 – Seite 12f.
  4. Drogenbanden in Kirgistan gehen zu Kartellbildung über – Ria Novosti
  5. Kyrgyzstan: A Look at Central Asia’s Drug War – EurasiaNet – Englisch

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert