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Harte Strafen gegen Drogenverbrecher: Ist das Pendel zu weit ausgeschlagen?

| Bild: © n.v.

Wenn man gegen das Gesetz handelt, dann muss das geahndet werden, und das Ausmaß der Strafe sollte sich nach der Schwere des Vergehens richten. Diesem Grundsatz dürfte die große Mehrheit bedingungslos zustimmen.

In Latein- oder Südamerika war das richtige Maß nicht immer gegeben, waren die Strafen bei Drogendelikten doch vergleichsweise gering. Doch das gehört längst der Vergangenheit an. Die betroffenen Staaten haben das Problem erkannt und darauf reagiert – möglicherweise jedoch zu hart?

Das legt zumindest eine neue Studie der Dejusticia nahe. Sie hatte die Mindest- und Maximalstrafen bei Rauschgiftvergehen untersucht und ist nun zu einem erschreckenden Ergebnis gekommen. Demnach sind die Strafen unverhältnismäßig hoch. In Ecuador kann man schon für das Verkaufen minimaler Drogenmengen für acht Jahre inhaftiert werden. Stampft man in Bolivien Koka, so werden zehn Jahre fällig. Und wird bei einem in Mexiko Heroin gefunden, so wandert man – ganz gleich, ob man schuldig ist oder nur ausgenutzt wurde – für unfassbare 22 Jahre hinter Gitter.

Insgesamt wurden sieben Staaten untersucht: Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Peru und die drei bereits genannten Länder. Dieses Trio ist in besonders unrühmlicher Weise auffällig: Die Minimal- bzw. Maximalstrafe für Drogenhandel ist dort nämlich höher als für Mord! Für bis zu 25 Jahre kann man in Mexiko und Bolivien für den Schmuggel von Rauschgift im Gefängnis landen, in Ecuador sind es 16. Für ein vorsätzliches Tötungsdelikt sieht das Gesetz jedoch eine nur eine Höchststrafe von 24, 20 respektive 12 Jahren vor.

Das ist besonders schwerwiegend, da in den jeweiligen Ländern häufig kaum oder gar nicht darauf Rücksicht genommen wird, wie schwerwiegend das Rauschgiftdelikt letztlich ist. So gebe es keine Unterscheidung zwischen „sehr, sehr kleinen Drogendealern“ und solchen, die „hunderte Kilo Kokain“ verkaufen. Der Bericht meint gar: „In manchen Fällen wurde ein kleingewerblicher Marihuana-Dealer so bestraft, als wäre er Pablo Escobar 1) [berüchtiger Drogenbaron, Anm. d. Red.].“

Insgesamt liegt die durchschnittliche Höchststrafe für Drogenhandel bei knapp über 20 Jahren. 1950 waren es im Mittel noch weniger als fünf gewesen. Besonders Peru kennt keine Gnade: So wurde dort in diesem Zeitraum die Mindeststrafe (!) von zwei auf 25 Jahre erhöht. Verhältnismäßigkeit sieht anders aus.

Doch es gibt auch Grund zur Hoffnung: So findet in manchen Ländern allmählich ein leichtes Umdenken statt. Ecuador begnadigte 2006 knapp 2.000 Drogenverbrecher, nachdem ihre Verurteilungen als unrechtmäßig klassifiziert wurden. Andere Länder wie Argentinien und Kolumbien haben begonnen, den Besitz von kleinen Mengen zu entkriminalisieren. Und auch die Vereinigten Staaten halten nicht mehr so starr an ihrer restriktiven Drogenpolitik fest. Es ist also nicht unmöglich, dass die Regierung sich schlussendlich in mittlerer Zukunft auf das Wesentliche konzentriert: Drogenprävention, Wirtschaftswachstum und Verringerung von Korruption und Klientelismus – damit auch die großen Fische eingefangen werden können und nicht immer nur die schwächsten Glieder der Kette büßen müssen.

Quelle: „Is Drug Trafficking Worse Than Murder?“ (Artikel des Pacific Standard vom 13. Mai 2013)

 

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Wikipedia zu Pablo Escobar