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US-Drogenpolitik: Einfluss und Macht der Gefängnisindustrie

| Bild: © n.v.

Amerika, das Land der Freiheit? Von wegen. Allein in Kalifornien gibt es mehr Strafgefangene als in Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Japan und den Niederlanden zusammen. Mit 716 Insassen pro 100.000 Einwohner haben die USA die höchste Inhaftiertenrate der Welt. Vor Russland. Vor dem Iran. Und sogar noch vor Nordkorea. Bestehen die Vereinigten Staaten nun also aus einem Volk von Kriminellen? Nein, dies ist sicher auch nicht zutreffend. Die hohe Häftlingsrate ist schlicht die Folge einer inneffektiven und populistischen Null-Toleranz-Doktrin, die sich die USA nun schon seit mehr als 40 Jahren selbst auferlegen. Denn das amerikanische Justizsystem setzt auf Abschreckung und nicht auf Rehabilitierung – insbesondere bei Drogendelikten. Die direkte Verbindung bestätigt sich, wenn man beachtet, dass die Zahl der Gefangenen erst seit 1980 dramatisch angestiegen ist, nämlich um über 800 Prozent! Drakonische Regelungen wie die für Richter verpflichtenden Mindeststrafen von teilweise bis zu 15 Jahren für die kleinsten Mengen an Rauschmitteln oder auch Bill Clintons „Three Strikes And You Are Out“-Gesetzgebung haben sicher ihren Teil dazu beigetragen, dass die USA allein für die Inbetriebnahme der Gefängnisse die irrwitzige Summe von jährlich über 80 Milliarden Dollar bezahlen müssen. 1)

Nun gibt es durchaus Erklärungsansätze, die aufzeigen könnten, dass der Wahnsinn Methode hat. Immer wieder werden (privat-) wirtschaftliche Beweggründe genannt, denn in den USA blüht derzeit, dank der „Law & Order“ Politik, die Gefängnisindustrie. Ganze Landstriche leben davon, möglichst viele Inhaftierte unterzubringen, denn Washington zahlt pro Kopf. Besonders in Zeiten der Rezension entwickelt sich der Strafvollzug zu einem bedeutenden und stabilen Wirtschaftssektor. Ein Beispiel ist Cañon City im Bundesstaat Colorado (die Stadt wird bezeichnenderweise auch „Prison Capital“ – dt. Gefängnishauptstadt – genannt). Arbeitslosigkeit existiert dort praktisch nicht, denn auf 16.400 Einwohner kommen 13 Hochsicherheitsgefängnisse, mit insgesamt bis zu 9000 Insassen. Gerüchte machen bereits die Runde, dass man derzeit keine Häftlinge entlässt, um die Arbeitsplätze nicht zu gefährden. 2)

Der Hauptprofiteur der rigiden Gesetzgebung ist aber eindeutig der Privatsektor: Fachmessen touren durchs Land, die sich auf Gefängnisequipement spezialisiert haben und Schlagstöcke oder kugelsicheren Überwachungskameras an den Mann bringen wollen – sie können sich vor lauter Nachfrage kaum retten. Außerdem wurde ein Großteil der US-Justizvollzugsanstalten mittlerweile privatisiert. Konzerne machen aufgrund der staatlichen Zuschüsse einen enormen Umsatz und betreiben in den Gefängnissen Werkstätten, in denen Insassen für selten mehr als einen Dollar am Tag schuften müssen – dass sie dabei in den umliegenden Gebieten den Mittelstand zerstören, der mit den billig hergestellten Produkten kaum konkurrieren kann, ist Nebensache. Allein die „Corrections Corporation of America“, einer der größten Gefängnisbetreiber der USA, konnte 2004 einen satten Gewinn von 1.15 Milliarden US-Dollar einfahren. Aber auch die restliche Sicherheitsbranche trotzt allen Krisen und kann seit Jahrzehnten ein konstantes Wachstum verzeichnen. 3)

Es besteht also ein enormes Interesse daran, bestimmte Gesetzgebungen nicht zu ändern, seien sie nun sinnvoll oder nicht. „Weichere“ und vielleicht effektivere Gesetze, die den Aspekt der Resozialisierung stärker betonen und damit dem Drogenkrieg in der heutigen Form ein Ende setzen würden, würden Konzernen und ganzen Bundesstaaten den Nährboden für mehr Wachstum, Profit und Wohlstand entziehen. Und wo Geld ist, ist Einfluss: die mächtige Lobby der Gefängnisindustrie dürfte im Washingtoner Senat und im Kongress besonders stark vertreten sein, denn in Wahlkämpfen stemmt sie millionenschwere „Super Pacs“, die meist die Wiederwahl der von ihnen favorisierten Kandidaten garantieren.

Die Profite, um die es den Unternehmen geht, werden mit Menschen gemacht. Ob dies moralisch vertretbar ist, sei dahingestellt. Eine Reform des Justizsystems ist jedoch unabdingbar, um mehr Gerechtigkeit im Krieg gegen die Drogen zu garantieren.

Empfohlen: die Arte-Doku „Prison Valley“

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Miprox: Inhaftieren und Abkassieren – 9.10.2013
  2. Life of the Law: Prison City USA – 9.10.2013
  3. Heise: Im Strudel der Gefängnisindustrie – 9.10.2013

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