Zum Inhalt springen

Es gibt keinen eindeutigen Schuldigen

| Bild: © n.v.

„Viele Afghanen sind gestorben in einem Krieg, der nicht unserer ist“, damit weist Hamid Karzei, der Regierungschef Afghanistans, aufs erste die Bitte der USA zurück, auch nach 2014 noch Soldaten in Afghanistan stationiert zu halten. Die stationierten US-Soldaten seien in erster Linie dort, um die Interessen der USA im Kampf gegen den Terror zu vertreten. 1)

Der Drogenkonsum und -anbau in Afghanistan boomt schon seit Langem und das Geschäft mit den Narkotika ist extrem profitreich. Im Hinblick auf den bevorstehenden Abzug der UNO Truppen wird jetzt befürchtet, dass sich das Problem weiter ausdehnen könnte. Die unsichere Zukunft des Landes nach dem Abzug könnte die Bauern zu stärkerem Anbau motivieren. 2)

Die ISAF, die International Security Assistance Force, hatte es trotz Bemühungen nicht geschafft, für Farmer, die auf die Opiumproduktion angewiesen sind, andere Einkommensmöglichkeiten zu schaffen. Und auch die Bemühungen der USA mithilfe von 6 Milliarden Dollar die Opiumproduktion zu minimieren, waren kaum mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Afghanistan hat es nicht geschafft, eine eigene unabhängige Ökonomie aufzubauen. Produzierte das Land in den 70ern noch so gut wie alle Lebensmittel selbst, ist es heute auf Importe und damit auch auf die Profite aus dem Narkotikahandel angewiesen.

Verschiedene Länder haben zudem andere Interessen, gegen Afghanistans wachsendes Drogenproblem vorzugehen. Für die USA geht es in erster Linie um einen Kampf gegen die Taliban, die in den letzten Jahren stark vom Anbau und Schmuggel der Drogen profitieren und neue Waffen damit finanzieren. Und da der Kampf gegen die Taliban für die USA noch lange kein abgeschlossenes Kapitel ist, fürchten sie weitere Terrorattacken, sollte nicht international reagiert werden. Russland möchte vor allem eine intranationale Problematik lösen: Ein großer Anteil an afghanischen Opiaten bahnt sich seinen Weg über Russland und im Zuge dessen werden immer mehr Russen abhängig, deutlich mehr als in den meisten anderen Ländern der Welt. 3)

Viktor Ivanov von der russischen Drogenkontrollzentrale und „guter Freund“ Putins spricht der NATO einen Teil der Schuld zu: Die Streitkräfte der Nato seien direkt verantwortlich für den Konsum von Narkotika in Afghanistan und auch die US-Streitkräfte hätten zu der katastrophalen Ausbreitung beigetragen, indem sie sich weigerten, einheimische Farmer zu kontrollieren. Die USA habe zudem keinen genauen Plan, gegen den Anbau und Vertrieb von Narkotika nach dem Abzug der Truppen vorzugehen. 4) Ivanov will die Zügel nun selbst in die Hand nehmen, um dem ansteigenden Drogenkonsum in Russland Herr zu werden. Geht es nach ihm, so soll der Drogenhandel bald per Gesetz Terrorismus gleichgesetzt werden, mit dem Recht auf legale Sanktionen. 5)

Doch wer ist denn nun eigentlich Schuld an der anwachsenden Bedeutung des Narkotikavertriebes? Laut Ivanov sind es die Nato und US-Streitkräfte. Aufgrund der aktuellen, angespannten politischen Lage zwischen Russland und dem Westen könnte diese Äußerung aber auch taktische Gründe haben.

Doch auch Antonio Maria Costa, der ehemalige Chef des UNODC, hatte sich bereits Ende des letzten Jahres kritisch geäußert und von einem „inszeniertem“ Krieg gesprochen. Die „Regierungsbehörden würden häufig mit den Kartellen gemeinsame Sache machen. Zudem profitierten große Banken durch Geldwäsche vom Drogenhandel“. 6)

Und natürlich fällt das Wort auch wieder auf den alten Verdächtigen: Die Taliban. Seit 1994 bauten diese zu einem Teil ihre Macht auf dem Drogenhandel auf. Als von 1996 bis 2001 Mullah Mohammed Omar der Anführer der Taliban und afghanischer Regent war, verbot er den Drogenanbau als „haram“, als Tabu. Seit den letzten zwei Jahren sind die Taliban jetzt wieder mehr als je zuvor in der Finanzierung und Ausführung des Drogenhandels involviert. Das liegt vor allem daran, dass reiche Gönner aus den Golfstaaten, die die Gruppe jahrelang mit Finanzspritzen unterstützten, die entsprechenden Gelder nun nach Palästina, Ägypten und Syrien fließen lassen. Für die Taliban fällt somit und eine wichtige Finanzierungsquelle für Waffen weg.

Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen und findet keinen alleinigen Schuldigen: Führende Mitglieder der Northern Alliance hatten jahrelang in den nördlichen Provinzen selbst Opium und Heroin produziert. Die Produkte wurden dann über Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan nach Russland und Europa transportiert. Mit der wachsenden Beteiligung der Taliban an der Drogenpolitik des Landes bietet sich nun auch die Möglichkeit die Drogen durch talibanbesetztes Gebiet zu transportieren. Nördliche Warlords, offizielle Regierungsbeamte, Polizei und Taliban profitieren in einem unausgesprochen Pakt alle von der Drogenpolitik. 7)

 

 

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. aljazeera.com – Karzai: Afghan war fought in West Interest – aufgerufen am 07.03.2014
  2. stern.de – Drogen-Anbau boomt dank Nato-Einsatz – aufgerufen am 07.03.2014 Link nicht verfügbar 1.7.15
  3. newsweek.com – America Abandons Afghanistan to Drug Lord – aufgerufen am 07.03.2014
  4. press.ir – Nato helping boost Afghan heroin produktion: Russia – nicht mehr verfügbar
  5. newsweek.com – America Abandons Afghanistan to Drug Lords – aufgerufen am 07.03.2014
  6. deutsche-wirtschafts-nachrichten.de – Nato Krieg macht Afghanistan zur Nummer 1 der Opium Produktion – aufgerufen am 07.03.2014
  7. mag.newsweek.com – The Talibans Life of Luxury – aufgerufen am 07.08.2014

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert