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Drogenbabys – Wenn Neugeborene die Drogensucht ihrer Eltern ausbaden

| Bild: © n.v.

Nur 5 Monate blieben der kleinen Mya in Massachusetts: Sie starb aufgrund der Drogenabhängigkeit ihrer Eltern. 1)

Laut einer im Journal of the American Medical Association veröffentlichten Studie kommen in den USA jährlich rund 13 000 Drogenbabys zur Welt. Offizielle Zahlen dazu gibt es aber nicht. Nur der Bundesstaat Tennessee führt als bisher erster Bundesstaat der Vereinigten Staaten Statistiken zu dem Thema. 2) 3) Und hier wird deutlich: Die Zahl der Babys, die bereits drogenabhängig zur Welt kommen, steigt. In Tennessee hat sich die Anzahl in der letzten Dekade auf rund 850 Babys im Jahr 2013 verzehnfacht! 4)

Ursache für die Drogenabhängigkeit der Neugeborenen ist der Drogenkonsum der Mutter während der Schwangerschaft: Genommen werden Heroin, aber auch Medikamente wie Methadon oder Buprenorphin, welche eingesetzt werden, um andere Drogen auf dem Weg zur Unabhängigkeit zu substituieren. 1)

Die Drogenabhängigkeit direkt nach der Geburt ist die erste Hürde, die von den Neugeborenen gemeistert werden muss. Kaum auf der Welt, müssen die Babys einen schwierigen Entzug durchleben. Die Kleinen leiden an Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Sie zittern, reagieren extrem empfindlich auf Licht, Lärm und Berührungen und schreien fast rund um die Uhr. Ist die Drogenabhängigkeit frühzeitig bekannt, können die Kinder immerhin mit kleinen Dosen Opiaten langsam entwöhnt werden. Um die Schmerzen zu lindern, wird ihnen zusätzlich Morphium verabreicht. Der Entzug kann Tage oder Wochen dauern. Eine der größten Sorgen während dieser Zeit ist ein Atemstillstand, der in Folge des Morphiums auftreten kann. 5)

Doch auch, wenn das Baby die ersten Wochen überstanden hat, wird es nicht unbedingt einfacher. Die Neugeborenen kommen dann in den meisten Fällen mit ihren Eltern nach Hause, auch wenn dort immer noch Drogenprobleme – und im Bezug damit oft auch andere Missstände – vorherrschen. Viele der Eltern versuchen zwar sehr hart, die Drogensucht in den Griff zu bekommen, doch leider sind nicht alle – in Massachusetts sogar über ein Drittel – nicht erfolgreich. 1)

So verließ auch Mya nach rund sechs Wochen das Krankenhaus unter der Bedingung, dass sie bei ihrem Vater und ihrer Großmutter lebe und die Mutter nur unter Beaufsichtigung zu dem Kind dürfe. Doch es stellte sich heraus, dass die Mutter trotzdem in der engen Zwei-Zimmer-Wohnung ein- und ausging, die insgesamt von neun Leuten bewohnt wurde. Die Großmutter wusste, dass die Mutter immer heroinabhängig war und auch bei ihrem Sohn, Myas Vater, hatte sie die Befürchtung, dass er Drogen nehme. Dennoch hatte sie das Gefühl, dass die Familie funktionierte: bis zu dem Tag, an dem Mya blau und leblos am Boden lag. Den Polizisten, die an der Unfallstelle eintrafen, bot sich ein makaberes Bild: Der Vater, der laut schrie, die Mutter, die auf der Veranda rauchte, und am Boden kniend die Großmutter, die verzweifelt versuchte, das kleine Mädchen mit einer Herz-Lungen-Massage wiederzubeleben – vergeblich. All das war eingebettet in eine Umgebung aus dreckigem Geschirr, schmutziger Wäsche und einer Anhäufung sauberer und benutzter Nadeln, mit denen sich die Eltern das Heroin spritzten. Schuld an Myas Tod war ein Milchfläschchen, das dem Kind von seinen Eltern gegeben wurde. Polizeiliche Ermittlungen ergaben, dass dieses mit Heroin verunreinigt war. Die Eltern müssen sich nun wegen Totschlags vor Gericht verantworten. 1)

Dass Drogenbabys oft ohne Weiteres mit ihren Eltern nach Hause entlassen werden, obwohl man weiß, dass diese noch mit ihrer Drogensucht zu kämpfen haben, ist heiß umstritten. In Tennessee wird derzeit über ein neues Gesetz diskutiert, das Drogenmütter entweder zu einer Geldstrafe oder zur Teilnahme an einem 18-monatigen Entzugsprogramm zwingen soll. Doch auch hierzu spalten sich die Meinungen, könnte doch ein solches Gesetz drogenabhängige Schwangere auch daran hindern, sich frühzeitig Hilfe zu suchen oder zumindest bei der Geburt auf ihre Drogensucht aufmerksam zu machen. 4)

Man fragt sich, ob es nicht viel eher die Aufgabe des US-amerikanischen Staates wäre, gegen die allgemein steigende Drogenabhängigkeit im Land vorzugehen? Allein die Anzahl der Heroinabhängigen hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt, hauptsächlich in Folge eines zunehmenden Schmuggels über die mexikanische Grenze. 6) Zwischen 2008 und 2013 nahm die Menge des geschmuggelten Heroins von Mexiko in die USA um 320% zu. 7) Mit dem steigenden Konsum einher kommen zahlreiche Probleme: Die Drogenbabys sind nur eines davon. Auch eine steigende Kriminalität und vermehrte Unfälle im Zusammenhang mit Drogenkonsum machen den US-Behörden zu schaffen. 8)

Gewiss ist die fachgerechte Behandlung der Drogenbabys wichtig, doch um das Problem und andere Folgen des steigenden Drogenkonsums  langfristig zu bekämpfen, muss in erster Linie gegen den Drogenschmuggel selbst und dessen Ursachen vorgegangen werden.

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. The Boston Globe, 30.03.2014: Cases of newborns with addictions soaring; Aufgerufen am 01.04.2014
  2. N24, 04.06.2013: „Drogenbabys“ in den USA – Schuldlos Junkie; Aufgerufen am 28.03.2014
  3. NBC News, 12.10.2013: ‚Just flooding us‘: Tenn. spike in drug-dependent Newborns is waring to nation – Seite nicht mehr aufrufbar
  4. HLN TV, 27.03.2014: Should moms of ‚drug babies‘ face charges?; nicht mehr verfügbar
  5. Die Welt, 04.03.2013: US-Kliniken behandeln Drogenbabys mit Opiaten; Aufgerufen am 28.03.2014
  6. Süddeutsche Zeitung, 11.03.2014: Drogen in den USA – Drogenhölle Kleinstadt; Aufgerufen am 12.03.2014
  7. Bloomberg, 10.03.2014: Holdes calls heroin abuse an urgent public health crisis; nicht mehr verfügbar
  8. New York Times, 28.02.2014: A call to arms on a Vermont heroin apidemic; Aufgerufen am 12.03.2014

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