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Abschuss von Drogentransport-Flugzeugen in Peru soll wieder erlaubt werden

| Bild: © n.v.

Die Regierung in Lima bereitet aktuell ein neues Gesetz vor. Darin geht es um die Erlaubnis, Flugzeuge abzuschießen, welche Kokain transportieren könnten. Unter US-amerikanischem Druck wurde die Maßnahme im April 2001 abgeschafft. Die Hintergründe für die Wiedereinführung liegen unter anderem in den misslungenen Versuchen der peruanischen Regierung, den Drogenanbau effektiv zurückzudrängen.
Seit dem Jahr 2011 ist Peru der weltweit größte Koka-Produzent der Welt . 1) Weil das fertige Kokain in erheblichem Maße auch in die USA gelangt, bezuschussen diese den Anti-Kokain-Kampf der peruanischen Behörden. Im Jahre 2011 handelte es sich dabei um 55 Millionen Dollar, wobei sich der Betrag für das Jahr 2012 verdoppelte 2) . Das Problem nur auf den finanziellen Aspekt zu reduzieren, wäre allerdings unzureichend. Die größte Rolle im Koka-Anbau spielt ein Gebiet im Südosten Perus, welches den wohl fruchtbarsten Boden für die Koka-Pflanze bietet: das sogenannte VRAEM-Gebiet. Dies allein hat natürlich noch nicht dazu geführt, dass genau diese Region zum „Problemkind“ der peruanischen Anti-Drogen Behörden wurde. Vielmehr hat „The Shining Path“ (span.: Sendero Luminoso), eine linksextreme, terroristische Organisation, den kriminellen Weg dafür geebnet 3)  .
In den 1960er und 70er Jahren wurde „The Shining Path“ in der Nähe von Ayacucho (dem Herzstück VRAEMs) gegründet. Nach deren Schwächung unter dem peruanischen Präsidenten Alberto Fujimori (Amtszeit 1990 – 2000 ) und der Inhaftierung des Oberhauptes der Rebellen 1992, Abimael Guzman, folgten Friedensverhandlungen mit dem peruanischen Regime. Im Zwist darüber spaltete sich „The Shining Path“ in zwei Lager: Eines agierte im zentral-nördlich gelegenen Huallaga-Tal und teilte Guzmans Friedenspläne mit der Regierung in Lima. Das andere war im VRAEM Gebiet aktiv und wandte sich von seinem Anführer ab. Seitdem sind diese Organisationen in den Drogenhandel involviert 4).
Nach einem Überfall der VRAEM-Gruppe auf eine argentinische Firma entschied sich die Regierung von Peru die Fraktion im Huallaga-Tal anzugreifen. Dadurch konnte dieses Lager erfolgreich geschwächt werden. Als Resultat wurden die Drogengeschäfte der VRAEM-Gruppe intensiviert. Bis 2014 konnte das peruanische Militär mit amerikanischer Hilfe beide Gruppierungen bedeutsam schwächen. Dennoch: Die kriminellen Strukturen blieben bestehen und wurden sogar ausgeweitet.
Aktuell gibt es bis zu 10 illegale Flüge („narco flights“) täglich, welche Drogen in nahegelegenen Staaten transportieren. Deshalb erwägt die Regierung in Peru die Wiederaufnahme der Abschuss-Regelung. Hinzu kommt die Bedeutung der regionalen Familienklans für den Drogenhandel und –Transport in Peru: Die Klans sind verantwortlich für fast alle Produktions- und Handelsschritte, das heißt vom Kauf der Kokablätter von peruanischen Bauern über deren Weiterverarbeitung in dafür vorgesehenen Fertigungsstätten, bis hin zum Transport zur Sammelstelle als letzte Station. Ab hier übernehmen die mexikanischen Drogenkartelle hauptsächlich Sinaloa, Los Zetas, La Familia Michoacana, kolumbianische und neuerdings auch brasilianische z.B. Primer Comando Capital. Sie nutzen sowohl traditionelle Land(transport)wege als auch den Transport per Flugzeug. Die Flugzeuge starten von extra dafür vorgesehenen Landebahnen in VRAEM. Die Regierung Perus reagiert mit vermehrten Kontrollen auf den Transportrouten. Aber anstatt das Kokain im VRAEM-Gebiet zu produzieren, führen die Klans die Zwischenprodukte zur Produktion nach Bolivien aus. Dort herrschen erstens weniger Kontrollen und zweitens ist sowohl Lagerung als auch Produktion billiger. Darüber hinaus hat sich die Anzahl an Abholstellen innerhalb des Landes erhöht, insbesondere im Huallaga-Tal.
Da das Gesetz sowohl Zeit, Geld als auch Personal benötigen wird, kann man nicht mit Sicherheit sagen, wann es in Kraft treten wird. Laut Dr. Ellis, 5) Forscher im Bereich Strategie des U.S. Army War College, sind einige Folgen absehbar: Einerseits werde das Gesetz eine abschreckende Wirkung haben, so Ellis. Dies wiederum führte dazu, dass in den Konsumenten- bzw. Verarbeitungsländern sowohl der Preis als auch die Nachfrage sinken würde. Er ist außerdem der Meinung, dass die Klans sich eher auf die Koka-Produktion an den Grenzen zu den Abnehmerländern Brasilien und Kolumbien konzentrierten. Somit würden sie das Risiko umgehen, abgeschossen zu werden und verwendeten stattdessen die herkömmlichen Landwege.
Eine mögliche weitere Folge wäre die Verlagerung des Drogenhandels in Gebiete außerhalb des VRAEMs, also in den Nordosten, Osten und Südosten des Landes, auch wenn die Klima- und Bodenbedingungen dort nicht optimal für die Kokapflanze sind. Deshalb benötigt man auch eine größere Anbaufläche, um dieselbe Menge an Koka wie vorher herzustellen, was wiederum dem Boden schadet.
Man könnte durch das Gesetz gewaltige Mengen an Drogen schon bei der Ausfuhr stoppen. Aber selbst wenn das Gesetz genehmigt wird, löst dies nicht die komplette Drogenproblematik Perus. Die Drogenbanden werden weiterhin Drogen produzieren und exportieren, nur diesmal auf dem herkömmlichen Landweg oder per Schiff. Nicht zu vernachlässigen ist, dass eine solch drastische Maßnahme, die dieses Gesetz vorsieht, menschenrechtlich überaus bedenklich ist. Schließlich würden beim Abschuss verdächtiger Flugzeuge auch unschuldige Zivilisten umkommen.

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Blog Handelsblatt: UNO: Peru löst Kolumbien als größten Koka-Produzent ab – Stand 14.4.15
  2. Handelsblatt: Peru ist größter Koka Produzent der Welt – Stand 14.4.15
  3. wikipedia: Sendero Luminoso – Stand 14.4.15
  4. Neue Zürcher Zeitung: Peru verhängt den Ausnahmezustand – Stand 14.4.15
  5. War on the Rocks: Narcotrafficking, the Shining Path, and the Strategic Importance of Peru– Stand 14.4.15

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