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Wie der Krieg gegen die Drogen die Demokratie gefährden kann

| Bild: © Jmrobledo - Dreamstime.com

Wie bekämpft man in einem Staat, dessen Polizei und Politiker korrupt sind, Drogenkartelle, die bis an die Zähne bewaffnet sind und vor so gut wie nichts zurückschrecken? Der erste Reflex könnte sein: Na dann hetzen wir den Drogenbanden einfach das Militär auf den Hals. Die Streitkräfte sind diszipliniert, bestens ausgerüstet und auch für den Kampf gegen Guerillaeinheiten trainiert. Diese Idee fand in Lateinamerika regen Zuspruch. Es gibt allerdings eine wachsende Anzahl an Indizien, dass diese Reaktion die Zustände in den Ländern nur noch verschlimmert.

Laut einem Bericht von InSight Crime haben vor allem die Staaten in Lateinamerika, die am stärksten auf das Militär zur Bekämpfung von Drogenbanden und Gewalt setzen, die größten Probleme in diesen Bereichen. Zudem scheint es einen Zusammenhang zwischen Gewaltzuwachs und der Stärkung der Rolle des Militärs in diesen Ländern zu geben.

Als Gründe hierfür werden die falsche Ausbildung des Militärs und eine weitere Schwächung der Polizei in den betroffenen Staaten angeführt. Die Streitkräfte eines Landes sind nicht für polizeiliche Aufgaben ausgebildet. Sie wissen weder wie man einen Tatort sichert, noch wie man deeskalierend auf Menschen wirkt. Auch die Aufklärung von Verbrechen gehört nicht zu ihren Aufgaben. All dies wären wichtige Fähigkeiten, um die Probleme in den mittelamerikanischen Staaten in den Griff zu bekommen. Hinzu kommt, dass Verdächtige häufig wie Feinde behandelt werden, nicht wie Zivilisten. Soldaten sind in der Regel durch Gesetze vor zivilen Gerichten geschützt. So bleiben Angriffe auf unbeteiligte Zivilisten nicht selten folgenlos.

Die Staaten würden laut InSight Crime zunächst nur auf die kurzweiligen Effekte der zunehmenden Militarisierung setzen. Eine erhöhte Präsenz von Soldaten in einer Region sorgt zunächst für Ruhe, die Bevölkerung fühle sich sicherer, wenn diese in den Straßen patroulieren. Dem gegenüber stehen allerdings die oben genannten Punkte sowie eine große Anzahl langfristiger Probleme. Je mehr das Militär eingesetzt wird, desto schwächer wird die Rolle der Polizei. Ihr Budget wird reduziert und ein Teufelskreis, bei dem die Streitkräfte die eindeutigen Gewinner sind, wird in Gang gesetzt. Hochrangige Mitglieder des Militärs werden in Schlüsselpositionen der Verbrechensbekämpfung eingebunden, was den Einfluss des Militärs auf den Staat vergrößert. Gerade in Staaten, die vor nicht allzu langer Zeit eine Militärdiktatur hatten, sollten solche Entwicklungen zumindest zu denken geben. In Honduras ist diese Entwicklung gut zu sehen. Dort haben Militärs faktisch die gesamte Kontrolle über den inländischen Sicherheitsapparat. 1)

Auch am Beispiel Mexikos, auch wenn es nie eine Militärdiktatur hatte, lässt sich dieses Phänomen anschaulich schildern: Durch die Drogenwirtschaft stark anwachsende Kriminalität im Lande hat sich die Regierung dazu gezwungen gefühlt, der Armee immer mehr Aufgaben der öffentlichen Sicherheit zu übertragen. Das Militär erhielt Zugeständnisse der zivilen Regierung, was Ressourcen und Vorrechte anbelangt. Zu diesen Zugeständnissen gehörten die Erhöhung des Soldes und der Haushaltsmittel sowie eine wachsende Autonomie. Letztere ist besonders alarmierend, da sie das Verschwinden der zivilen Kontrolle über die Armee beinhaltet, die einer Demokratie eigen sein muss. In vielen Fällen kam es zu Menschenrechtsverletzungen. Verdächtige wurden gefoltert, Wohnungen wurden durchsucht, obwohl kein richterlicher Beschluss vorliegt und Personen wurden willkürlich festgenommen. 2)  Der eh schon geschwächte Rechtsstaat in Mexiko wurde dadurch weiter ausgehöhlt.

Ein weiterer und der eigentlich schwerwiegendste Grund für die Ineffektivität des Militärs beim Kampf gegen die Gewalt und Drogenkartelle ist, dass das Militär, noch mehr als die Polizei, nur dazu in der Lage ist, die Symptome des Problems zu bekämpfen. Dass es auf diese Weise nie eine Lösung dafür geben wird, ist einleuchtend. Um die Probleme der Länder zu lösen, müssten strukturelle Reformen gemacht werden. Die Ungleichheit und die Armut müssten bekämpft, und Staatsapparate von Korruption befreit werden, um den Drogenkartellen ihrer Basis zu berauben. Natürlich sind diese Reformen unmöglich von heute auf morgen zu schaffen. Aber man müsste sie angehen, bevor es zu spät ist. Es muss ein Gleichgewicht zwischen der Bekämpfung der Symptome, einer Stärkung der Polizei zugunsten der Bevölkerung und einer Berücksichtigung auf langfristige Ziele eingerichtet werden. Das Militär als eine Dauerlösung zu sehen, zersetzt auf lange Zeit gesehen die Polizei und schwächt den Staat. Gerade in Ländern, in denen das Militär einmal die komplette Gesellschaft beherrscht hat, muss eine solche Entwicklung aufgehalten werden. 3)

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. InSight Crime: Honduras Security Shift Confirms De Facto Reality of Military Control – zuletzt aufgerufen am 19.08.15
  2. Heinrich Böll Stiftung: Drogen Dollars, Demokratie – zuletzt aufgerufen am 19.08.15
  3. InSight Crime: The Siren Call of Militarization in Latin America – zuletzt aufgerufen am 19.08.15

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