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Jesus Malverde – der mexikanische Robin Hood

| Bild: © n.v.

Wie kommt es, dass Drogenbosse in der mexikanischen Bevölkerung so einen großen Rückhalt haben können? Immerhin sind sie Kriminelle, die in vielen Fällen nicht davor zurückschrecken, über Leichen zu gehen und mit der Produktion von Drogen wie Kokain und verstärkt auch Methamphetamin viele Leben zerstört haben. Ein Teil, der stark zur  Akzeptanz, wenn nicht gar zur Verehrung der Kartellbosse in der Gesellschaft beiträgt, ist die Geschichte von Jesús Malverde.

Joaquín Guzmán, besser bekannt unter seinem Spitznamen „El Chapo“, wurde weltweit über Nacht eine Legende. Mit seiner Flucht aus dem vermeintlich sichersten Gefängnis Mexikos zeigte das Sinaloa Kartell seinen Einfluss auf die mexikanische Gesellschaft. Statt Empörung, dass einer der mächtigsten Kriminellen des Landes einfach aus einem Gefängnis ausbrechen und spurlos verschwinden konnte, schlug El Chapo größtenteils Bewunderung entgegen. 1)  Woher kommt diese Verehrung eines höchst kriminellen Mannes?

Ein Grund für den starken Rückhalt in der Bevölkerung ist die soziale Arbeit, die den mexikanischen Kartellen nachgesagt wird. Es gibt Stimmen, die diese Großzügigkeiten anzweifeln und als einen Mythos abtun. Der Sydney Morning Herald zum Beispiel will keinerlei Anzeichen für El Chapos soziale Hilfen in seiner Heimat entdeckt haben. 2)  Zumindest die Vermarktung der Legende in Form von Musik, T-Shirts und anderem Merchandise bringt den Mexikanern Geld. Um diese sogenannte „Narco Popkultur“ hat sich ein millionenschwerer Markt entwickelt. Das gibt sogar der Bürgermeister von Badiraguato zu. 3)  Zudem brachte El Chapo mit seinem Kartell tatsächlich einen kleinen Aufschwung. Vor allem im Baugewerbe sorgte die Gruppe für gute Zeiten. Allerdings nicht aus Nächstenliebe, sondern um das Geld aus den Drogengeschäften zu waschen. Um im Gewerbe Fuß zu fassen, ließ das Kartell sogar den ein oder anderen Geschäftsmann, der im Weg stand, verschwinden. 1)

Wenn die Großzügigkeit und Gutmütigkeit der Drogenbosse größtenteils auf Mythen aufbaut, warum glauben dann so viele Mexikaner und Mexikanerinnen an diese? Einerseits weil sich kaum jemand traut, etwas Schlechtes über sie zusagen. Gerade in den von den Organisationen kontrollierten Gebieten, in denen die Kartelle die Exekutive ersetzt haben, kann sich so etwas schnell als lebensgefährlich herausstellen. 4)  Andererseits hat die Bewunderung gesetzloser Wohltäter fast so etwas wie Tradition in Mexiko. Ausgangspunkt hierfür ist Jesús Malverde. Er war ein Gesetzloser, der um 1870 in Sinaloa geboren worden sein soll. Ähnlich wie Robin Hood soll er von den Reichen geklaut und den Armen gegeben haben. Im Laufe der Zeit entwickelte sich ein Kult um den gesetzlosen Wohltäter. In den 1980er und 90er Jahren förderten die aufstrebenden Drogenkartelle diesen Kult um Malverde. Mit großem Erfolg. Inzwischen ist der Bandit ein gefeierter und verehrter Volksheiliger. Viele Drogenbosse wollen sich als eine Art Nachfolger darstellen. 5)  Diese romantische Darstellung eines Helden, der gegen den korrupten Staat arbeitet und damit der Bevölkerung noch etwas Gutes tut, findet großen Anklang in der Gesellschaft. Die nicht gerade vorbildlichen Politiker und Behörden Mexikos befeuern diesen Mythos weiter.

Drogenbosse wie El Chapo scheinen allerdings der Vergangenheit anzugehören. Die neu auftauchenden Kartelle, die in ein Machtvakuum ehemaliger Organisationen springen konnten, machen vor allem mit ihrer Skrupellosigkeit Schlagzeilen. Sie machen ihre Geschäfte nicht nur durch den Drogenhandel, sondern auch bewusst auf Kosten der Bevölkerung mit Erpressungen und Entführungen. Zu ihrem Geschäftsmodell gehört es, Terror unter den Menschen zu verbreiten. 6)  Diese Entwicklung kann Leuten wie El Chapo in die Karten spielen. Neben diesen, nur wegen ihrer Skrupellosigkeit wahrgenommenen Banden steht sein Kartell in einem sehr guten Licht da. Menschen, die ihn bisher schon bewundert haben, werden dadurch in ihrem Glauben bestärkt, die anderen sehen ihn vielleicht mit etwas mehr Sympathie. El Chapo jedenfalls wird wahrscheinlich auch nach seinem Tod einen Legendenstatus behalten, vielleicht als eine Art neuer Jesús Malverde.

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Der Tagesspiegel: „El Chapo“, der Drogenboss und Volksliebling – zuletzt aufgerufen am 04.09.15
  2. Sydney Morning Herald: El Chapo’s „Robin Hood“ reputation questioned in hometown – zuletzt aufgerufen am 04.09.15
  3. Los Angeles Times: In his hometown, fugitive Mexican drug lord „El Chapo“ is a hero to many – zuletzt aufgerufen am 04.09.15
  4. Fox News: Legend of „El Chapo“ Guzmán grows every day, at the expense oft he Mexican goverment – zuletzt aufgerufen am 04.09.15
  5. Chron: Meed Jesús Malvere, the patron saint of Mexico’s drug cartels – zuletzt aufgerufen am 04.09.15
  6. Macleans: Mexico’s new breed of cartel killers – zuletzt aufgerufen am : 04.09.15

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