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Bürgerwehren in Mexiko – Aufrüstung der Zivilbevölkerung und steigende Waffenimporte

| Bild: © n.v.

„Jetzt herrscht Waffengleichheit. Ohne die Waffen sind wir nur eine Masse, die man melken kann.“, das ist die Sichtweise vieler Bewohner im mexikanischen Bundesstaat Michacoan. Weil Morde und die ständige Bedrohung durch die Drogenkartelle steigen, formieren sich zusehends Bürgerwehren. Seit dem Massaker in Apatzinga, bei dem 16 Zivilisten durch Polizeikräfte erschossen wurden, ist auch das Vertrauen in den Staat gänzlich verloren. Die lokale Bevölkerung wirft der Regierung Versagen beim Kampf gegen die organisierte Kriminalität, beim Schutz der Bevölkerung und Korruption unter den Sicherheitskräften vor. Somit nehmen die Bewohner die Sache selbst in die Hand. Die massive Aufrüstung der Zivilbevölkerung birgt aber erhebliche Gefahren. So kann eine schwer bewaffnete, neu gebildete Institution ohne staatliche Kontrolle auch schnell gegenteilig den Interessen der lokalen Bevölkerung handeln.

Durch den Bundestaat Michacoan verläuft eine zentrale Route des Drogenhandels. Die geographische Lage macht die Region zu einem Brennpunkt des Kampfes um die Vormachtstellung im internationalen Drogenhandel. Verschiedene Drogenkartelle, einige lokale Splittergruppen sowie korrupte Polizeikräfte sorgen in der Gegend für eine der höchsten Mordraten. 1)  Außerdem ist die Region der Hauptexporteur von Avocados. Auch die Erwerbsmöglichkeiten für Kleinbauern werden durch Schutzgeldzahlungen an Drogenkartelle erschwert. Die Bevölkerung fühlt sich von der Regierung allein gelassen. Seit Januar 2014 hat die mexikanische Regierung Selbstverteidigungskräfte legalisiert und den Vorstoß gemacht, sie unter staatliche Kontrolle zu bringen und zu organisieren. Währenddessen gibt es aber noch zahlreiche lokale Bürgerwehren, die sich dieser staatlichen Kontrolle entziehen. 2)

Es stellt sich hier die Frage, woher die Bürgerwehren ihre Waffen beziehen. Seit 2011 sind die Waffenimporte nach Mexiko erneut gestiegen – um enorme 331 Prozent. Hauptexporteur sind hierbei die Vereinigten Staaten, Spanien und Frankreich. Zu den legalen Importen kommt der illegale Import von Waffen aus den USA, die durch Strohmänner von US-Waffenhändlern über die Grenzen geschmuggelt werden. Wegen immer wiederkehrender Meldungen über Misshandlungen, Folter und Machtmissbrauch durch Sicherheitskräfte scheint eine weitere Aufrüstung des Landes bedenklich. Es ist außerdem wahrscheinlich, dass durch die schiere Menge an Importen auch Waffen an nicht staatlich kontrollierte Gruppen gelangen – beispielsweise die Bürgerwehren sowie Drogenkartelle.

Die weitere Aufrüstung des Landes erscheint gegensätzlich zu den Bestrebungen einer alternativen Bekämpfung der organisierten Kriminalität des derzeitigen mexikanischen Präsidenten Peña Nietos. Der militarisierte War on Drugs seines Vorgängers Calderón sorgte zu einem Anstieg der Gewalt durch Drogenkartelle und Sicherheitskräfte und kostete bereits tausenden Menschen das Leben, sorgte allerdings nicht für einen Rückgang des Drogenhandels. 3)

Auch Deutschland ist bei den Waffenexporten nach Mexiko nicht unbeteiligt – in der Vergangenheit wurden sowohl staatlich genehmigte als auch illegale Exporte getätigt, die durch die Hände von Sicherheitskräften sowie durch Drogenkartelle zahlreiche Zivilisten töteten. 4) Das G-36 von Heckler& Koch ist auch eines der bevorzugten Gewehre der Bürgerwehren. 5)

Die fehlende Kontrolle über Waffenimporte ergibt das grundlegende Problem, dass eine unkontrollierte Menge an Waffen in die Hände einer eher willkürlich agierenden Einheit – die Bürgerwehren – gelangt. Somit kann sich aus einer schutzbringenden Funktion der Bürgerwehren für die Bevölkerung auch eine weitere Bedrohung formieren – durch die Waffen ergibt sich eine Machtposition. 6) „Wir integrieren uns in die ländlichen Selbstverteidigungskräfte, aber wir werden niemals unsere Waffen abgeben.“, so die Meinung der Bürgerwehren. 7)  Die steigende Aufrüstung der Zivilbevölkerung symbolisiert deutlich das fehlende Vertrauen in den Staat und Sicherheitskräfte.

Wenn die Bevölkerung diese zentralen Aufgaben des Staates übernimmt, herrscht die Gefahr der Bildung von Paramilitärs wie beispielsweise in Kolumbien. 8) Schon jetzt zahlen Drogenkartelle einigen Bürgerwehren Geld, um über die Transporte von Konkurrenten zu erfahren. Auch ergeben sich Kämpfe unter einzelnen Fraktionen der Bürgerwehren. 1)

Während es sich bei den Bürgerwehren tatsächlich oft um Gruppen handelt, die ihr heimisches Dorf beschützen wollen, besteht Handlungsbedarf seitens der mexikanischen Regierung. Um die organisierte Kriminalität zu bekämpfen und die Zivilbevölkerung zu schützen, muss der Korruption unter Sicherheitskräften ein Ende gesetzt werden. Auch Ansätze zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und der Schutz durch ein geregeltes, legales Einkommen der Kleinbauern können den Drogenkartellen den Nährboden entziehen. Um die Sicherheit im Nachbarland zu verbessern, könnten auch die USA einen Vorstoß zur Bekämpfung des Waffenhandels wagen.

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Die Welt: „Es herrscht Waffengleichheit mit den Drogenkartellen“ – Stand 25.02.2016
  2. Stanford International Policy Review: Autodefensas in Mexico- Will The Cure be Worse than the Disease? – nicht mehr verfügbar
  3. InSightCrime: Mexico Weapons Imports Increased 331% since 2011 – Stand 25.02.2016
  4. taz: Deutsche Waffen für Mexiko – Stand 25.02.2016
  5. Zeit Online: Man schießt deutsch – Stand 25.02.2016
  6. amerika21: Mexiko legalisiert Bürgerwehr – Stand 25.02.2016
  7. Süddeutsche Zeitung: Bürgerwehren kämpfen jetzt legal gegen Bürgerwehren – Stand 25.02.2016
  8. InSightCrime: Lessons for Mexico from Colombia: Vigilantes, Paramilitaries and Proxies – Stand 25.02.2016

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