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Europa zieht UN-Förderung im Iran zurück – Menschenrechte und Drogenpolitik im Widerspruch?

| Bild: © n.v.

Eine große Zahl europäischer Staaten kündige vor Kurzem an, ihre Zahlungen an das UNODC im Iran einzustellen. 20 Millionen US-Dollar sollte das Budget für das Jahr 2016 betragen, die den Präventionsprojekten im Land nun größtenteils fehlen werden. 1)  In ihrem Finanzbericht für 2016 korrigierte die Organisation ihre fest erwarteten Mittel gar auf 0 US-Dollar. 2) Die Entscheidung der Geberländer stellt eine Reaktion auf die rigorose Anti-Drogenpolitik der Islamischen Republik dar. Alleine im Jahre 2015 richtete diese 464, seit 2012 sogar insgesamt 1601 Menschen für den Besitz von oder Handel mit Drogen hin. 3) Diese Praxis ist international immer wieder berechtigterweise unter schwerster Kritik. Nicht nur kriminalisiert Iran hiermit seine Suchtkranken, die drakonischen Strafen erreichen nicht einmal ihr Ziel. Der florierende Drogenhandel und die steigenden Zahlen der Abhängigen zeigen dies eindrucksvoll. Der europäische Protest gegen die Umstände sollte mit dem Abzug von Mitteln im Iran hörbar und spürbar sein: im Kampf gegen die Kriminalisierung und Todesstrafe für Suchtkanke ein wichtiger Impuls.

Doch welchen Einfluss hat dies auf die Anti-Drogenkampagnen im Iran? Und ist ein Rückzug der Unterstützung die richtige Herangehensweise, die Menschenrechtslage in der Islamischen Republik zu verbessern? Iran stellt das wichtigste Transitland für Opiate aus dem angrenzenden Afghanistan in Richtung Europa dar. Aber die stark suchterzeugenden Drogen durchlaufen das Land nicht bloß. Bereits seit mehreren Jahren steigt die Zahl der Drogenabhängigen im Land konstant an. Schätzungen gehen mittlerweile von 1,5 bis zu drei Millionen  Menschen aus: also zwischen zwei und vier Prozent der gesamten iranischen Bevölkerung. Doch das Land bleibt nicht untätig: Immer wieder werden große Mengen von Opiaten verschiedenster Art sichergestellt. Das UNODC bescheinigt Iran gar eine der „wirksamsten Anti-Drogen-Kampagnen in der Region“. 4)

Aber der Kampf gegen die Drogen ist nicht billig: Er kostet Geld und auch Leben. Fast 4000 Sicherheitskräfte soll der Versuch den Opiumfluss aus Afghanistan zu stoppen in den letzten 30 Jahren bereits gekostet haben. Schon im vergangenen April kritisierte daher der iranische Innenminister Abdolreza Rahmani Fazli Europa für seine geringe Förderung und forderte die UN auf, vermittelnd tätig zu werden. Vor einigen Wochen wurden erneut scharfe Vorwürfe durch den Generalstaatsanwalt der Islamischen Republik Mohammad Jafar Montazeri gegen „den Westen“ laut, der mit hegemonialer und kolonialer Politik Profit aus der Lage zu ziehen versuche. 5)Fest steht, dass die ausgesetzten europäischen Zahlungen den iranischen Kampf gegen die Drogen nicht vereinfachen werden.

Immerhin schienen die geringen ausländischen Mittel schon zuvor Wirkung zu zeigen: Bereits im Dezember 2015 reichten 70 Abgeordnete ein Gesetz ein, das die Delikte, die mit dem Tode bestraft werden, stark einschränken soll. 1) Diese Entwicklung ist begrüßenswert und der europäische Förderungsstopp wird wohl dazu beitragen, dass diese Initiative neue Energie erhält. Doch ist es sinnvoll, hierfür die Finanzierung der Drogenbekämpfung und -prävention auszusetzen? Ist es vertretbar, steigende Zahlen von Abhängigen und Drogentoten im Iran (und durch den Transit wohl auch in Europa) in Kauf zu nehmen, um die Anwendung der Todesstrafe im Land einzuschränken? Es bleibt wohl ein moralisches Dilemma: Menschenrechte und Drogenprävention, manchmal wohl ein paradoxer Widerspruch.

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Iran under pressure to abolish death penalty for drug trafficking; Artikel vom 28.06.2016
  2. UNODC Annual Appeal 2016; Stand: 06.07.2016
  3. The Death Penealty for Drug Offences: Global Overview 2015; Stand 06.07.2016
  4. Süchtig in Teheran – unterwegs mit der Drogenhilfe; Artikel vom 16.06.2016
  5. http://theiranproject.com/blog/2016/06/21/prosecutor-general-bemoans-lack-intl-support-irans-war-drugs/

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