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Mexiko nutzt seine Überwachungssoftware, um Aktivisten und Regierungskritiker auszuspionieren

Mexiko legt den Fokus im Kampf gegen Verbrechen und Drogen zunehmend auf neue, moderne Techniken. Über die letzten Jahre hinweg haben Bundesagenturen 80 Millionen US-Dollar für Spionageprogramme ausgegeben. Die Spyware wurde dabei von der israelischen Firma NSO Group hergestellt. Das Programm namens Pegasus wird ausschließlich an Regierungen, unter der Prämisse ausschließlich kriminelle Gruppen und Terroristen zu überwachen, verkauft. Mit Pegasus ist es den mexikanischen Behörden möglich, Smartphones umfangreich zu überwachen. Anrufe können nachverfolgt, Texte und E-Mails mitgelesen werden und es ist sogar möglich die Kamera- und Mikrofunktion für Überwachungszwecke zu nutzen. Der Einsatz von High-Tech Überwachung ist zuweilen auch von Erfolg gekrönt. Die Gefangennahme des ehemaligen Sinaloa Kartellführers Joaquín „El Chapo“ Guzmán ist beispielsweise auf diese Technologie zurückzuführen. | Bild: © n.v.

Mexiko legt den Fokus im Kampf gegen Verbrechen und Drogen zunehmend auf neue, moderne Techniken. Über die letzten Jahre hinweg haben Bundesagenturen 80 Millionen US-Dollar für Spionageprogramme ausgegeben. Die Spyware wurde dabei von der israelischen Firma NSO Group hergestellt. Das Programm namens Pegasus wird ausschließlich an Regierungen, unter der Prämisse ausschließlich kriminelle Gruppen und Terroristen zu überwachen, verkauft. Mit Pegasus ist es den mexikanischen Behörden möglich, Smartphones umfangreich zu überwachen. Anrufe können nachverfolgt, Texte und E-Mails mitgelesen werden und es ist sogar möglich die Kamera- und Mikrofunktion für Überwachungszwecke zu nutzen. Der Einsatz von High-Tech-Überwachung ist zuweilen auch von Erfolg gekrönt. Die Gefangennahme des ehemaligen Sinaloa-Kartellführers Joaquín „El Chapo“ Guzmán ist beispielsweise auf diese Technologie zurückzuführen. 1)

Neue Recherchen belegen aber, dass Mexiko die Software nicht nur zur Verbrechensbekämpfung nutzt, sondern dass die Überwachungstechnologie angeblich auch als Instrument zur Spionage von Aktivisten und Kritiker verwendet wird. Ein Report legte über 70 Fälle offen, in denen unrechtmäßig zivile Opfer ausspioniert wurden. 2) Zu den Zielen gehören Rechtsanwälte, die sich mit dem Massenverschwinden der 43 Studenten in Iguala befassen, einem hoch angesehenen Akademiker, der dazu beigetragen hat, eine Anti-Korruptions-Gesetzgebung zu schreiben, zwei von Mexikos bekanntesten Journalisten und ein Amerikaner, der Opfer von sexuellem Missbrauch durch die Polizei wurde. Die Spionage macht laut den Berichten nicht einmal Halt vor Familien, einschließlich eines Jungen im Teenageralter. Obwohl die Überwachung von privater Kommunikation nach mexikanischem Recht nur von einem Bundesrichter genehmigt werden kann, bestätigen einige ehemalige Mitarbeiter des mexikanischen Geheimdienstes, dass illegale Überwachung Gang und Gäbe sei. „Die mexikanischen Behörden würden nicht um eine gerichtliche Anordnung bitten, weil sie wissen, dass sie keine bekommen würden“, berichtet Eduardo Guerrero, ein ehemaliger Analytiker am Zentrum für Ermittlung und nationale Sicherheit. „Ich meine, wie könnte ein Richter die Überwachung von jemandem erlauben, der sich dem Schutz der Menschenrechte verschrieben hat?“ Zunehmend werden aber die Gesetze zur Überwachung laxer durchgesetzt, sodass die Cyber-Technologie mehr und mehr in die Hände von korrupten Beamten gelangt, was ihre kriminellen Aktivitäten weiter erleichtert. 3) 4)

Jedoch scheint es nicht nur in Mexiko diese Probleme zu geben, sondern auch in anderen südamerikanischen Ländern sind Fälle von einer illegalen Überwachung bekannt geworden. Der ehemalige panamaische Präsident Ricardo Martinelli wird beschuldigt, dass er die illegale Überwachung von 150 politischen Gegnern und Unternehmen während seiner Amtszeit von 2009 bis 2014 angeordnet hat. Benutzt wurde die gleiche Software wie in Mexiko. Auch in Kolumbien wurden wichtige Mitglieder der ehemaligen Verwaltung des Präsidenten Álvaro Uribe dafür verurteilt, Oppositionspolitiker, Richter, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten illegal abgehört zu haben. Die elektronischen Überwachungspraktiken wurden schon in einem 2015 erschienenen Bericht in Frage gestellt. Der Report behauptet, Kolumbien habe ein lose reguliertes „Schattenüberwachungssystem“, das mit der Hilfe von Europa, den USA und von israelischen Firmen aufrecht erhalten wird. 1)

Nun rückt also auch Mexiko in den Fokus der Untersuchungen. Schon länger ist das Land dafür bekannt, Journalisten und politische Gegner zu unterdrücken, aber die elektronische Überwachung von Aktivisten und Pressevertretern erreicht eine neue Qualität. Fakt ist, dass die Spionagesoftware im Kampf gegen Drogen und Verbrechen ein effektives Werkzeug sein könnte, sie aber in der Realität viel zu oft für persönlichen Opportunismus von Politikern missbraucht wird. 1)

Zweifellos geht der kompromisslose Drogenkrieg, den die mexikanische Regierung seit Jahrzehnten führt, mit der Abnahme von Menschenrechten im Land einher. Das Militär hat in diesem Zug immer weitreichendere Rechte zugesprochen bekommen und fungiert zum Teil als ein Staat im Staate. Durch großzügige Freiräume kann es sich ungestraft über die Gesetzgebung hinwegsetzen, was aber zu Lasten der Bevölkerung geschieht. In den letzten Jahren haben zahlreiche Tötungen, Gewalttaten und Zensurversuche stetig zugenommen. Die neuesten Entdeckungen sind damit nur ein weiterer Indikator für die aktuellen Entwicklungen: Menschen- und Freiheitsrechte befinden sich in Mexiko in der Abwärtsspirale. 5)

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. InSightCrime: Mexico Authorities Misusing Surveillance Tech to Spy on Political Opponents: Reports; Artikel vom 19.06.2017
  2. Citizenlab: Reckless Exploit: Mexican Journalists, Lawyers, and a Child Targeted with NSO Spyware; Report vom 19.06.2017
  3. NYT: Using Texts as Lures, Government Spyware Targets Mexican Journalists and Their Families; Artikel vom 19.06.2017
  4. Amerika21: Regierung in Mexiko spioniert Menschenrechtler und Journalisten aus; Artikel vom 25.06.2017
  5. Heinrich-Böll-Stiftung: Drogen, Dollars, Demokratie; Stand vom 27.09.2019

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