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Mexikanische Drogenkartelle als diversifizierte Großunternehmen?

| Bild: © Pkripper503 - Dreamstime

Bei vielen Experten und Beobachtern des mexikanischen Drogenkriegs scheint sich eine neue Betrachtungsweise der Drogenkartelle durchzusetzen. Sie betrachten das Vorgehen und die Strukturen der Kartelle mittlerweile vermehrt von einer ökonomischen Perspektive aus. Guadalupe Correa-Cabrera, die ein Buch über den Aufstieg des Zeta-Kartells geschrieben hat, sagt, der Begriff „Drogenkartell“ sei unzeitgemäß. Viele Drogenkartelle würden heutzutage eher transnationalen Unternehmen ähneln. Sie sind längst nicht mehr nur im Drogengeschäft unterwegs, sondern seit einigen Jahren auch in legalen Wirtschaftszweigen sehr aktiv. Besonders ertragreich sind hierbei der Abbau und Export von Rohstoffen. Der Kriminalitätsexperte Edgardo Buscaglia von der Columbia-Universität in New York sagt, fast alle Kartelle seien inzwischen diversifizierte Großunternehmen. In legalen Wirtschaftszweigen würden sie bis zu 50 Prozent ihrer Umsätze erzielen. 1) 2)

Ein gutes Beispiel ist der Norden Mexikos, hier dringen die Zetas schon seit einigen Jahren in den Kohlemarkt vor. Dabei heuert das Kartell unqualifizierte Arbeiter an, die als Bergmänner in den Kohleminen eingesetzt werden. So werden die Löhne gedrückt und der Profit maximiert. Die Kohle wird anschließend von größeren Unternehmen gekauft und von diesen an das staatliche Unternehmen Prodemi weitergereicht. Prodemi verkauft die Kohle dann ohne jegliche Bedenken an seine Kunden. 3)

Viele Kartelle haben auch das Geschäft mit dem Öl für sich entdeckt. Sie zapfen staatliche Pipelines an, stehlen das schwarze Gold und verkaufen es dann auf eigene Faust. Teilweise bringen sie es direkt am Straßenrand, zu viel günstigeren Preisen als in Tankstellen, an den Mann. Es gibt auch Berichte über Verkäufe an US-amerikanische Unternehmen. Der Aufwand ist dabei minimal. Die Kosten für die Ausrüstung, um eine Pipeline anzapfen zu können, belaufen sich auf gerade einmal 5.000 – 8.000 Dollar. Dem gegenüber stehen Gewinne in Höhe von mehreren hundert Millionen Dollar. 4)

Auch der Journalist Tom Wainwright, der für den Economist schreibt und jahrelang aus Mexiko über den dortigen Drogenkrieg berichtete, vergleicht die Kartelle mit globalen Konzernen. Er erkennt beispielsweise Gemeinsamkeiten zwischen der Drogen-Lieferkette und der Lieferkette von Unternehmen wie Wal-Mart. Bei einer misslungenen Apfel-Ernte beispielsweise, könnten viele Äpfel-Verkäufer keine höheren Preise verlangen, weil Wal-Mart den Markt beherrsche und als einziger Käufer den Preis stabil halten könne. Beim Markt für Kokain und den Kartellen als Käufern verhalte es sich genauso. Er vergleicht sogar das Franchise-System von Unternehmen wie McDonald’s mit dem Zeta-Kartell, das lokale Banden anheuert und diese mit Kleidung, auf dem sich das Logo der Zetas befindet, ausrüstet. Die lokalen Banden dürften dann den Namen der Zetas benutzen, um ihre Verbrechen zu begehen. 5)

Guadelupe Correa-Cabrera sieht die Kartelle als Konzerne mit vielen Mitarbeitern, die in getrennten Unternehmenszweigen ihre Aufgaben verrichten. Es gibt zum Beispiel die Gruppe der Schleuser, die illegale Einwanderer in die USA bringen, die Gruppe der Sicarios, der Auftragsmörder, die Gruppe der Geldwäscher und die Gruppe der Politiker. Letztere ist für die Kartelle besonders wichtig. Die Vernetzung mit der Politik und den Behörden ist für den maximalen Profit entscheidend. Und die mexikanischen Kartelle sind mit den Behörden und Politikern hervorragend vernetzt. „Es ist offensichtlich, dass viele kriminelle Organisationen dank der Unterstützung der mexikanischen Behörden gewachsen sind“, sagt Correa-Cabrera. Die Korruption in Mexiko grassiert und macht vor niemandem halt. Der frühere Gouverneur des Bundesstaats Coahuila, Humberto Moreira, arbeitete beispielsweise direkt mit dem Zeta-Kartell zusammen und kassierte dafür zwei Millionen Dollar pro Monat. Und dieser Fall ist nur einer von vielen. 1) 6)

Wainwright sieht als einen möglichen Lösungsansatz, um die Drogenkonflikte in Mexiko zu beenden, das kontrollierte Verschreiben von Drogen von Ärzten an Patienten, die dafür ein Rezept haben, um den Kartellen den Schwarzmarkt zu nehmen. In der Schweiz zum Beispiel sei Heroin auf diese Weise legalisiert worden und die Anzahl der Konsumenten sei rückgängig. Correa-Cabrera sieht es als entscheidend an, viel härtere Strafen gegen korrupte Politiker, Polizisten und Soldaten zu verhängen. Es müsse eine klare Botschaft gesendet werden, dass Korruption nicht länger toleriert werde. 5) 1)

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Texas Observer: ‚Los Zetas Inc.‘ Author on Why Mexico’s Drug War Isn’t About Drugs; Artikel vom 14.09.17
  2. Spiegel Online: Drogenkartelle erobern Mexikos Bergwerke; Artikel vom 30.03.14
  3. news24: Mining and cartels.; Artikel vom 20.03.13
  4. Oilprice.com: The Drug Cartels Are Taking Advantage Of Mexico’s Gas Protests; Artikel vom 14.01.17
  5. NPR: ‚Narconomics‘: How The Drug Cartels Operate Like Wal-Mart And Mc Donald’s
  6. Mexico News Daily: More testimony links Los Zetas, ex-governor; Artikel vom 14.01.17

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