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Jemen: Erhöhte Khat-Kultivierung verschärft humanitäre Notlage

Das Kauen von Khatblättern ist im Jemen fester Bestandteil der Kultur. Die Pflanze mit der berauschenden Wirkung wird traditionell mit Familie und Freunden im Alltag konsumiert. Dabei werden amphetamin-ähnliche Stoffe freigesetzt, die zur Entspannung und Freude führen. | Bild: © n.v.

Das Kauen von Khatblättern ist im Jemen fester Bestandteil der Kultur. Die Pflanze mit der berauschenden Wirkung wird traditionell mit Familie und Freunden im Alltag konsumiert. Dabei werden amphetamin-ähnliche Stoffe freigesetzt, die zur Entspannung und Freude führen. Zwar zählen die Blätter laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht zu den stark süchtig machenden Drogen, aber für die wirtschaftliche und soziale Situation haben sie in dem Bürgerkriegsland fatale Auswirkungen. Seit 2015 tobt ein Mehrfrontenkrieg, in dem eine von Saudi-Arabien angeführte Militärallianz und der Iran um die Vormachtstellung im Jemen kämpfen. Durch die saudi-arabischen Grenzblockaden im Norden sowie aufgrund der strategischen Bombardierung von Hafenanlagen sind die Bewohner von der Außenwelt abgeschottet. Die stille Solidarität vieler westlicher Regierungen mit Saudi-Arabien verschärft die Komplexität des Konflikts. Der Bürgerkrieg ist längst ein internationaler Krieg. Die zerstörte Infrastruktur sowie die von Rebellen kontrollierten Territorien tragen dazu bei, dass sich die jemenitische Bevölkerung in einer humanitären Katastrophe befindet. Dabei spielt auch der Anbau und Konsum der Khatblätter eine entscheidende Rolle. 1)

80 Prozent der männlichen Bevölkerung und circa 30 Prozent der Frauen kauen die Alltagsdroge. Aufgrund der hohen Nachfrage überwiegt der Anbau der Khatpflanze in der Landwirtschaft. Die Kultivierung steigt dabei jährlich um 12 Prozent an. Felder für den dringend benötigten Anbau von Grundnahrungsmitteln gehen durch den Anbau von Khat verloren. Obwohl als Folge des Konflikts die Ernährungslage von rund 17 Millionen Jemeniten unsicher ist, pflanzen die Bauern lieber die berauschende Pflanze an. Auf dem Markt ist sie im Vergleich zu Obst, Gemüse oder Getreide um einiges lukrativer. Das Verlangen nach der Droge verschärft die vorherrschende Nahrungsmittelknappheit. Durch die Besteuerung der Droge und die Kontrolle über den Anbau finanzieren nicht nur die Huthi-Rebellen, sondern auch die international anerkannte Regierung des Landes ihre militärische Ausrüstung. Es besteht somit kein Interesse, die Felder mit den sich weniger  lohnenden Grundnahrungsmitteln auszustatten. 1)  2)

Obwohl in dem Bürgerkriegsland bereits neun Millionen keinen Zugang zu Wasser haben, wird das ohnehin schon knappe Grundwasser durch die Kultivierung der Khat-Pflanze zusätzlich verbraucht. Der Wassermangel begünstigt dabei auch die vorherrschende Krankheit Cholera, die im Jemen die größte erfasste Epidemie der Welt ist. Forscher fanden auch heraus, dass Jemen die weltweit höchste Rate an Mund-, Zungen- und Speiseröhrenkrebs hat. Somit steht Khat im direkten Zusammenhang mit unheilbaren Krankheiten. 3)  4) Der Konsum wirkt sich auch auf die familiäre Situation aus. Vor allem die Abhängigkeit der Männer beeinträchtigt das Familieneinkommen. Die Arbeitsproduktivität wird durch das Kauen beschränkt. Bis zu sechs Stunden am Tag verbringen die Jemeniten beim Kauen. Die daraus resultierenden geringeren Einnahmen werden trotzdem nicht für die Familie, sondern für den nächsten Rausch ausgegeben. 5)

Um der gegenwärtigen Situation zu entfliehen, steigt das Bedürfnis nach der Droge stetig an. Die Wirkung wird als kreislaufanregend und psychisch stimulierend beschrieben. Es heißt, dass es im Moment das einzige ist, das die Menschen glücklich macht. Es ist die einzige Möglichkeit, um all seine Sorgen zu vergessen. Ohne eine baldige Lösung des Bürgerkrieges wird es somit auch keinen Rückgang des Khat-Konsums geben.  6)

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Kurier: Krieg, Armut und Drogen im Jemen; Artikel vom 22.02.2017
  2. Zeit: Jemens krebserregende Volksdroge; Stand vom 01.03.2018
  3. Vistano: Khat: das Rauschmittel aus dem Jemen erzeugt Krebs; Artikel vom 01.02.2016
  4. Frankfurter Allgemeine: Flucht in den Rausch; Artikel vom 18.01.2018
  5. Spiegel: In A Devastating Country, One City Is Thriving; Artikel vom 15.11.2017
  6. Frankfurter Allgemeine: Ein Land zerkaut seine Zukunft; Artikel vom 13.09.2010

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