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US-Waffenindustrie verdient mit den Drogenkriegen in Lateinamerika Milliarden

| Bild: © n.v.

Das Kokain und die eng damit verbundenen Kartelle und Kriege sind in Lateinamerika Alltag und fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Keine andere Region auf der Welt leidet so sehr unter der Drogengewalt wie die Anbaustaaten Südamerikas und die Transitstaaten Mittelamerikas. Angaben des UNDOC zufolge befinden sich 41 der 50 gefährlichsten Städte der Welt in Lateinamerika. Mit den Drogenkriegen verdienen einige Akteure ihr Geld, ganz besonders viel verdient die US-amerikanische Waffenindustrie. 1)

Der Drogenkrieg verursacht seit vielen Jahren großes Leid in Lateinamerika

Der nun schon seit Jahrzehnten wütende Drogenkrieg in weiten Teilen von Lateinamerika hat tiefe Wunden in die Gesellschaft gerissen. Täglich müssen Menschen sterben. Ob bei der Jagd auf Drogenkartelle, wenn sich Polizei und Gangs bekriegen oder bei Schusswechseln zwischen verfeindeten Banden. Immer wieder kommen auch Unbeteiligte ums Leben. Meist sind hier die Ärmsten der Armen betroffen, die in den Favelas und Armenvierteln Tür an Tür mit der Drogenmafia leben. In Mexiko sind in den vergangenen zehn Jahren mehr als 100.000 Menschen im sogenannten Drogenkrieg gestorben. Darunter Polizisten, Gangmitglieder und Unbeteiligte. Es reicht hier manchmal, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, und die Kugel einer Maschinenpistole trifft einen tödlich. Mexiko ist eines der Länder mit den höchsten Indizes von Tötungsdelikten mit Feuerwaffen, mehr noch als die USA. Ein ähnliches Bild prägt auch im größten Land Südamerikas das Zusammenleben. Vor allem in Rio de Janeiro, wo die Kämpfe zwischen Polizei und Kartellen besonders heftig sind, tun sich die größten Abgründe im Kampf gegen die Drogenkriminalität auf. Die Rate der Todesopfer durch Gewalt ist in Brasilien inzwischen schon höher als das Bevölkerungswachstum. Zwischen 2001 und 2015 wurden dort mehr Tote in Folgen von Gewaltverbrechen verzeichnet, als in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union im gleichen Zeitraum zusammen. Insgesamt starben 786.000 Menschen. Brasilien hatte mehr Todesopfer zu beklagen als die größten Kriege der 2000er-Jahre verursachten. Der Konflikt gestaltet sich hier ähnlich wie in Mexiko. Spezialeinheiten der Polizei sowie Soldaten bekämpfen die Drogenbanden in den Favelas. Täglich kommt es zu Schusswechseln, bei denen immer wieder auch Unbeteiligte zu Tode kommen. Von wem die Kugel letzten Endes stammt, spielt dann eigentlich keine Rolle mehr. 2) 3)

Die schwachen US-Waffengesetze verstärken den Konflikt

gut ausgestattes Mitglied eines Drogenkartells © Balazs Gardi
[CC BY-NC-ND 2.0]
flickr
Viel interessanter ist, wo die vielen Waffen, die den Konflikt befeuern, herkommen. Hierfür lohnt sich ein Blick auf den benachbarten nordamerikanischen Kontinent. Bekannt für ihre laschen Waffengesetze und eine Milliarden schwere Waffenindustrie, sind die USA nicht nur aufgrund ihrer exponierten Lage der Hauptwaffenlieferant in diesem Krieg. Besonders die Waffengesetze machen es Kriminellen leicht. Wann immer in den Vereinigten Staaten bei einem Amoklauf, wie im Februar an einer Schule im US-Bundesstaat Florida, unzählige Menschen sterben, führen die Amerikaner vorhersehbare und meist auch fruchtlose Debatten über Waffenkontrolle und darüber, wie denn die Zahl an Waffen im eigenen Land reduziert werden könnte. Kaum Beachtung finden hingegen die Auswirkungen der eigenen Waffengesetze auf andere Länder. Denn die Leichtigkeit, mit der US-Amerikaner Waffen in ihrem Land kaufen können, führt dazu, dass Schmuggler billig gekaufte Waffen mit beträchtlichem Preisaufschlag in das Nachbarland Mexiko wie auch nach Kolumbien, Brasilien und überall dahin verkaufen, wo ohnehin schon Gewalt allgegenwärtig ist und es deshalb eine hohe Nachfrage nach Schusswaffen gibt. Das US-Waffengesetz erlaubt es jedem Bürger ohne gesetzliche Einschränkungen Waffen zu kaufen. Ein Paradies für das organisierte Verbrechen. Joseph Vince, ein pensionierter Sonderagent vom Amt für Alkohol, Tabak, Schusswaffen und Sprengstoffe, kurz ATF, sieht die Vereinigten Staaten schon seit Jahrzehnten als den Süßwarenladen der Welt, denn die Kampfmittel für die Drogenkartelle in den Ländern Mittel- und Südamerikas werden exklusiv aus den USA geliefert.  Es werden nicht nur Waffen exportiert, sondern das Problem der Waffengewalt gibt es gratis obendrauf, so Vince. Die schwachen Waffengesetze in den USA sind mitverantwortlich dafür, dass in den genannten Ländern die Auseinandersetzungen so blutig sind und viele Menschen durch den Einsatz von Schusswaffen ihr Leben verlieren. 4)

Mexiko und Kolumbien werden seit vielen Jahren mit Waffen beliefert

Allen voran für Mexiko bedeutet die Nähe zu den USA seit mehr als einem Jahrzehnt einen stetigen und anwachsenden Zustrom von Waffen und Militärausrüstung an die Regierung. Es wird aber nicht nur die offizielle Seite des Krieges beliefert, auch die Drogenkartelle erhalten ihre Waffen aus dem Nachbarland, jedoch auf illegalem Wege.  Dennoch stehen auf dem Lieferschein dieselben Lieferanten, große Waffenhersteller wie Colt Defense, Glock Inc., US Ordenance Inc. und Trijicon Inc.  Die Umsetzung der „Initiative Mérida“ in Mexiko, aber auch der „Plan Colombia“, haben den Zustrom von Waffen, Militärausrüstung sowie nachrichtendienstlicher Software in beiden Ländern wie niemals zuvor verstärkt. Der Versuch der Befriedung der Lage und der Kampf gegen die Drogenkriminalität durch eine noch bessere Ausrüstung scheinen angesichts der Tatsache, dass die Drogensyndikate mit ähnlich schweren Waffen ausgerüstet werden, sinnlos. Am Ende steht das Milliardengeschäft mit den Waffenlieferungen, das in Kolumbien als auch Mexiko Leben und Ressourcen kostet. Seit die mexikanische Regierung dem Drogenhandel den Krieg erklärt hat, schossen die Waffenimporte aus den USA in die Höhe. Mexikos Waffenimporte stiegen zwischen 2012 und 2016 um 180 Prozent an und sind nach Venezuela die zweitgrößten Lateinamerikas. In den Jahren 2015 und 2016 hatten die zwischen der mexikanischen Regierung und Waffenherstellern in den USA abgeschlossenen Verträge ein Volumen von circa 276 Millionen Dollar. 5)

Immer mehr Waffen aus den USA gelangen auf illegalem Wege in Brasilien

Brasilien wird zwar nicht in demselben Maße mit Waffen versorgt wie Mexiko oder andere lateinamerikanische Länder. Dennoch ist ein Anstieg an Waffenlieferungen an brasilianische Drogenhändler und Mitglieder von Drogenbanden aus den USA zu beobachten. Besonders viele Waffen wurden in Rio De Janeiro beschlagnahmt, in einer Stadt, in der Morde und Gewaltverbrechen in den letzten Jahren stark zugenommen haben. Allein im Januar 2018 wurden bereits 688 Schießereien verzeichnet. Die Spirale der Gewalt verlangt insbesondere von den ärmsten Einwohnern der Stadt einen hohen sozialen und psychologischen Tribut. Brasilien selbst hat eine beachtliche Waffenindustrie und ein Großteil der Tötungsdelikte wird nach wie vor mit in Brasilien hergestellten Handfeuerwaffen begangen. Doch die Behörden stoßen immer häufiger auch auf in den USA gefertigte Waffen. In einem Bericht der brasilianischen Bundespolizei hieß es, die USA seien die größte indirekte Quelle für illegale Handfeuerwaffen und Sturmgewehre. Die Bundespolizei geht sogar so weit und behauptet, der Gewaltanstieg in Rio und ganz Brasilien sei ein Ergebnis der uneingeschränkten Waffenverkäufe in US-amerikanischen Staaten. So haben die Waffenhersteller in den USA 2015 über 10 Millionen Waffen verkauft. 2016 konnten sie sogar nochmal zulegen und verkauften weit mehr als 11 Millionen. Die gesamte Produktion der Waffenindustrie hat sich seit 2009 mehr als verdoppelt.  Kein Geheimnis ist hierbei, dass ein beachtlicher Anteil die USA verlassen und in entgegengesetzter Richtung zu den Rauschmitteln über die internationalen Drogenschmuggelrouten in Länder wie Brasilien, Kolumbien und Mexiko geschmuggelt wird. Hier kommen die Waffen dann im andauernden Drogenkrieg mit tödlichen Folgen zum Einsatz. Die Gewinner von Gewalt sind immer die Waffenfirmen. Wenn sie wie in diesem Fall beide Seiten beliefern, profitieren sie gleich doppelt. 4)

Man mag meinen, dass die in den USA grassierende Drogen-Epidemie sowie die Amokläufe der vergangenen Monate in Las Vegas, Florida oder in einer Kirche in Sutherland Springs der Trump-Administration vor Augen führen, dass sowohl die Waffengesetze als auch der falsch geführte War On Drugs Tausende Menschen das Leben kostet. Spätestens durch die politische Kampfansage „America first“ dürfte klar sein, dass Opfer außerhalb der amerikanischen Grenzen wenig Aufsehen erregen, wenn selbst im eigenen Land kaum etwas gegen die Ursachen getan wird. Dabei wäre ein Umdenken in den USA auch für viele Menschen in den lateinamerikanischen Staaten lebensrettend. Schenkt man den Worten Trumps glauben, der erst kürzlich eine Todesstrafe für Drogendealer forderte, so schwindet auch die letzte Hoffnung an eine Politik, die Maßnahmen durchführt, die das Problem an der richtigen Stelle bekämpfen.  Beispielsweise mit schärferen Gesetzen zum Verkauf von Waffen und weniger Waffenexporten in die Länder, wo die Drogen herkommen. Bis in dieses mehrere Grenzen überschreitende Problem Bewegung kommt, werden noch viele Menschen durch US-amerikanische Waffen sterben – ob in Brasilien, Mexiko oder in den USA selbst. Die Drogen werden trotz allem weiterhin ihre Konsumenten erreichen. Und Gewinne in Milliardenhöhe fließen in die Taschen der US-amerikanischen Waffenindustrie.

 

 

Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Zeit online: Rio de Janeiro Kreuzfeuer; Artikel vom 2010.2017
  2. Konrad Adenauer Stiftung: Krieg in Brasilien; zuletzt geprüft am 12.03.2018
  3. Deutsche Welle: Der Drogenkrieg frisst seine Kinder; Artikel vom 15.04.2016
  4. Huffington Post: How Brazil`s Lord of Guns` Armed Rio`s Drug War With U.S. Weapons, Artikel vom 07.03.2018
  5. amerika21: der Krieg als Geschäft in Mexiko und Kolumbien; Artikel vom 14.11.2017

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