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Bei den Verhandlungen für das Friedensabkommen waren alle Seiten noch voller Hoffnung | Bild: © Utenriksdepartementet UD [ (CC BY-NC-ND 2.0) ] - flickr
„Für Kolumbien gibt es keine Alternative zum Frieden“. Dies hat Juan Manuel Santo, der kolumbianische Präsident und Friedensnobelpreisträger, auf dem Katholikentag in Münster am letzten Wochenende erneut hervorgehoben.1 Doch der Friedensprozess, der mit der Unterzeichnung des Abkommens zwischen der Regierung und den FARC-Rebellen im November 2016 begann, sieht sich mit einigen Schwierigkeiten konfrontiert und seine Bilanz ist durchwachsen.
Die kolumbianische Regierung kommt ihren Versprechen aus dem Friedensvertrag nicht nach
Hauptkritikpunkte sind die nicht ausreichende Umsetzung der im Friedensvertrag vereinbarten Maßnahmen und die ineffiziente Nutzung der Gelder aus dem „Großen Kolumbianischen Fonds für den Post-Konflikt“ seitens der Regierung. Insgesamt hat sie bis jetzt nur rund 18,5 Prozent ihrer im Friedensvertrag festgehaltenen Verpflichtungen eingehalten. So kommt insbesondere bei der Bevölkerung auf dem Land, welche am meisten von dem Konflikt betroffen war, kaum finanzielle Hilfe an und ihre Situation hat sich nur geringfügig verbessert.23 Beispielsweise läuft die versprochene Entschädigung für die 8,5 Millionen Opfer des Bürgerkriegs nur schleppend an. Laut Präsident Santos konnten zwar schon 800 000 Tausend Opfer entschädigt werden, bis jedoch allen geholfen werden könne, würde es noch viele Jahre dauern. Er wies aber auch darauf hin, dass viele Regionen seit dem Ende des Bürgerkriegs wieder aufgeblüht wären.4 Bereits Anfang des Jahres hat er die ländliche Bevölkerung dazu aufgerufen, sich auf Grund von Geldmangel mit „kollektiven Entschädigungen“ wie der Verbesserung der Infrastruktur abzufinden und keine Rückerstattung von geraubtem Land zu fordern. Und auch im Haushaltsplan werden die Entschädigungen für die Opfer nicht berücksichtigt. Doch nicht nur die finanzielle Hilfe stagniert, sondern ebenso die Arbeit der Sonderjustiz für den Frieden. Diese soll die im Bürgerkrieg begangenen Verbrechen aufklären und den Opfern somit etwas Gerechtigkeit garantieren.5
Ähnlich sieht es mit anderen versprochenen Maßnahmen für ländliche Entwicklung, für die Schaffung von Arbeitsplätzen oder politischer Partizipation aus. Viele Projekte werden nicht umgesetzt oder treten auf der Stelle wie zum Beispiel die integrale Landreform oder die Pläne für eine alternative Bepflanzung von Koka-Feldern. Denn auch hierfür gibt es laut Santos kein Geld, obwohl diese Maßnahmen doch ein zentraler Bestandteil im Kampf für mehr Gerechtigkeit sowie gegen Armut und kriminelle Gruppen wären. So finanzier(t)en sich die FARC, die ELN und viele weitere Guerillabewegungen und paramilitärische Gruppen unter anderem über den illegalen Drogenhandel. Entweder werden Bauern von diesen Banden gezwungen, Koka anzubauen und Schutzgeld zu zahlen, oder der Anbau der Drogenpflanze ist ganz einfach am rentabelsten. Um den Drogenhandel einzudämmen und den kriminellen Gruppen den Geldhahn zuzudrehen, ist es somit ein erster Schritt, den Anbau von Koka zu verhindern. Dafür muss der Staat den Bauern Alternativen zu Drogenpflanzen bieten und beispielsweise den Anbau von Gemüse und Getreide rentabler zu machen, wie es auch die kolumbianische Regierung mit der FARC-Guerilla in dem Friedensabkommen vereinbart hat.

Die kolumbianische Regierung zerstört weiterhin gewaltsam Koka-Felder. (c)Policía Nacional de los colombianos [CC BY-SA 2.0] – flickr
Die Gewalt im Land nimmt wieder zu
Aber es kommt noch schlimmer: Zahlreiche Koka-Bauern, die für die integrale Landreform und die Umsetzung des Programms zur Ersetzung der illegalen Bepflanzung protestierten, wurden in den letzten Monaten ermordet, bedroht oder vertrieben.6 Dies spiegelt die Situation in ganz Kolumbien wieder. Denn die Sicherheitslage hat sich seit dem Friedensabkommen stetig verschlechtert und besonders soziale Aktivisten leben gefährlich. Alleine zwischen Januar 2017 und März 2018 kamen 152 Kolumbianer, die sich für Frieden und Menschenrechte einsetzten, ums Leben. Für die Morde und die erneute Welle der Gewalt sind vor allem paramilitärische Gruppen, Dissidenten der FARC und andere kriminelle Organisationen verantwortlich. Diese versuchen das durch das Friedenabkommen entstandene Machtvakuum zu füllen und kämpfen um die Kontrolle der ehemaligen Gebiete und Schmuggelrouten der FARC.3 Außerdem betreibt ein Teil von ihnen sogenannte Hackhäuser, deren Existenz die Staatsanwaltschaft im Bundesstaat Nariño kürzlich bestätigte. In diesen Häusern foltern, ermorden und zerstückeln kriminelle Banden Verräter oder Angehörige konkurrierender Gruppen. Oft werden sogar Kinder und Jugendliche dazu gezwungen, diese abscheulichen Taten zu begehen. Bis 2012 kamen immer wieder Informationen über die Folterzentren an die Öffentlichkeit und seit dem erneuten Anstieg der Gewalt 2016 scheinen diese Praktiken wieder zuzunehmen. Vor allem Nariño, eine wichtige Region für den Kokaanbau und – schmuggel in Kolumbien, ist davon betroffen. Dort betreiben die den Drogenhandel in der Region kontrollierenden Gruppen mindestens 7 Hackhäuser. Einer ihrer Anführer ist der FARC-Dissident „Guacho“, der auch kürzlich an der Grenze zu Ecuador drei ecuadorianische Journalisten entführte und ermordete. Die kolumbianische Regierung reagiert auf die neue Welle der Gewalt in der Region vor allem mit militärischen Maßnahmen, einer Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen und mehr Soldaten. Darunter leidet jedoch auch die Zivilbevölkerung, denn Polizei und Militär gehen hart gegen Demonstranten und soziale Aktivisten vor. So verloren auch einige der protestierenden Koka-Bauern durch die Kugeln der Sicherheitskräfte ihr Leben.85
Die FARC muss sich juristischen Problemen und Schwierigkeiten bei der Re-Integration ihrer ehemaligen Kämpfer stellen

Die Wiedereingliederung der ehemaligen FARC-Kämpfer stellt ein Problem dar. (c) Generación Paz [CC BY 2.0] – flickr
Korruption, Vetternwirtschaft und Intransparenz zeichnet den Umgang der Regierung mit den Friedensgeldern aus
Neben einem mangelnden politischen Willen, Überforderung und Ineffizienz bei der Umsetzung der im Abkommen festgehaltenen Verpflichtungen werden den verantwortlichen Regierungsvertretern nun auch Korruption, Vetternwirtschaft und Intransparenz bei der Nutzung der Gelder aus dem „Großen Kolumbianischen Fonds für den Post-Konflikt“ vorgeworfen. Dieser Fonds, in den unter anderem die UN, die Weltbank und die Europäische Union rund 200 Millionen Dollar einzahlten, ist für die Umsetzung des Friedensvertrags und den Aufbau einer kolumbianischen Post-Konflikt-Gesellschaft gedacht. Der Umgang mit dem Fonds seitens der Regierung erregt jedoch bei den Geldgebern Besorgnis. So forderten im März Norwegen, Schweden und die Schweiz in einem Brief an Präsident Santos Auskunft über den Verbleib ihrer Gelder und äußerten sich beunruhigt über „die Langsamkeit und fehlende Transparenz bei der Vergabe von Verträgen“. Denn es wird immer offensichtlicher, dass Kolumbien mit den Mitteln nicht vertragsgerecht umgeht. Beispielsweise werden Verträge für Entwicklungsprojekte, die mit dem Fonds finanziert werden, über „Zwischenhändler“ vergeben, die von den begünstigten Unternehmen Schmiergelder verlangen. Gegen zehn dieser „Zwischenhändler“ wird mittlerweile ermittelt. Dazu gehört auch der Lebensgefährte von Gloria Ospina, der ehemaligen Direktorin des Fonds, die Anfang April entlassen wurde. Des Weiteren wurden Rechnungsprüfungen nur unzureichend und sehr intransparent durchgeführt. Zum Beispiel ist rund eine Millionen Dollar aus dem Fonds, die für die Sonderjustizgerichtsbarkeit gedacht war, nicht mehr auffindbar und taucht nirgends in den Bilanzen auf. Auch der Chef der Sonderjustiz musste mittlerweile zurücktreten.2
Der Friedensprozess in Kolumbien wird somit von Skandalen überschattet und der Frieden lässt weiterhin auf sich warten. Insbesondere die Landbevölkerung spürt kaum Verbesserungen. Zudem ist das Misstrauen zwischen den Kolumbianern, der FARC und der Regierung immer noch groß. Dies wird wohl den Gegnern des Friedensabkommens bei den kommenden Präsidentschaftswahlen im Mai nutzen, was den Friedensprozess weiter gefährden könnte. So führt Iván Duque, Kandidat der Partei „Centro Democrático“, die Umfragen an.12 Duque steht dem Abkommen mit der FARC kritisch gegenüber und will Änderungen daran durchsetzen. Ein Lichtblick sind jedoch die Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerillaorganisation ELN, die letzen Donnerstag in Kuba wieder aufgenommen wurden. Doch auch diese will Duque nicht fortführen, sollte er die Wahl gewinnen.13
- Domradio.de: Kolumbiens Präsident Santos beim Katholikentag. „Für Kolumbien keine Alternative zum Frieden“; Stand: 14.05.2018 [↩]
- Amerika21: Korruptionsskandal um Millionengelder für den Frieden in Kolumbien; Stand: 14.05.2018 [↩] [↩]
- EPO: Kolumbien. NGOs fordern rigorose Umsetzung des Friedensvertrages; Stand: 14.05.2018 [↩] [↩]
- Domradio.de: Reportage. Kolumbianischer Staatspräsident beim Katholikentag; Stand: 14.05.2018 [↩]
- Amerika21: Korruptionsskandal um Millionengelder für den Frieden in Kolumbien; Stand: 14.05.2018 [↩] [↩] [↩]
- Amerika21: Kokabauern protestieren in Kolumbien; Stand: 14.05.2018 [↩] [↩]
- Human Rights Wach: Human Rights and Drug Policy. Briefings for the UN Commission on Narcotic Drugs; Stand: 14.05.2018 [↩]
- Amerika 21: Exhumierungen und Folterzentren. Kolumbien weit entfernt von Frieden; Stand: 14.05.2018 [↩]
- ZDF: Ein Jahr Friedensabkommen. Der Exodus der FARC-Rebellen; Stand: 15.05.2018 [↩]
- Amerika21: Kolumbien. Regierung und Farc-Partei ziehen Bilanz über Friedensprozess; Stand: 15.05.2018 [↩]
- Amerika21: Farc-Politiker Santrich in Kolumbien weiter im Hungerstreik; Stand: 15.05.2018 [↩]
- El tiempo: Duque, 36,6%, y Petro, 26.3% siguen adelante a 35 días de elecciones; Stand: 15.05.2018 [↩]
- El País: Ivan Duque. „No hay que hacer trizas los acuerdos con las FARC, pero sí modificaciones importantes“; Stand: 15.05.2018 [↩]