Das Komitee der Familienangehörigen der verhafteten Verschwundenen in Honduras (COFADEH) hat informiert, dass auch sechs Jahre nach dem Massaker nahe der an der Mosquito-Küste liegenden Stadt Ahuas noch immer keine nennenswerten Fortschritte bei den Ermittlungen erzielt wurden. Somit ist der Vorfall aus dem Jahr 2012, als bei einer von der DEA geleiteten Mission mit dem Ziel Drogenschmuggler abzufangen vier Menschen starben, offiziell noch immer nicht vollständig aufgeklärt.1
Die DEA kooperierte damals im Rahmen der „Operation Anvil“ mit honduranischen Behörden, um Drogenlieferungen auf dem Weg nach Norden aufzuhalten. Im Mai 2012 – wir berichteten – verfolgte deshalb eine Anti-Drogeneinheit, bestehend aus honduranischen Polizisten und Soldaten sowie DEA-Agenten, am Río Patuca eine Gruppe von Drogenschmugglern, die mehrere hundert Kilogramm Kokain auf ein Motorboot luden. Als diese jedoch die heraneilenden Helikopter der Einheit entdeckten, stießen sie das Boot mitsamt der Ware in den Fluss und flohen in den Dschungel. Drei Agenten, einem von der DEA und zwei Honduranern, gelang es jedoch, dem Boot zu folgen und an Bord zu steigen. Als dann jedoch ein zweites Motorboot, direkt auf die Agenten zusteuernd, auf dem Fluss auftauchte, eröffneten diese das Feuer und töteten vier Menschen.2
Die DEA gab später an, dass sich auf dem zweiten Boot ebenfalls Drogenschmuggler befunden hätten, die das Kokain aufnehmen wollten. Die Agenten seien beschossen worden und hätten, um sich zu verteidigen, das Feuer erwidert. Der tatsächliche Tathergang war aber ein anderer.2
Bei dem Boot, das auf die Agenten zusteuerte, handelte es sich um ein Wassertaxi voller unbewaffneter Passagiere, das schon seit sechs Stunden flussaufwärts nach Ahuas unterwegs war. Es waren die Agenten auf dem Motorboot, die das Feuer eröffneten. Als die Menschen auf dem Wassertaxi flohen und ins Wasser sprangen, wurde zusätzlich noch von einem Hubschrauber aus auf sie geschossen. Ein Mann, zwei schwangere Frauen und ein vierzehnjähriger Junge konnten dem Kugelhagel nicht entkommen. Drei weitere Menschen wurden verletzt.23
Die DEA wies immer alle Schuld von sich und der Anti-Drogen-Einheit und beharrt auf ihrer Version, wonach keine unbewaffneten Zivilisten, sondern Drogenschmuggler getötet worden seien. Die Agenten hätten bloß aus Selbstverteidigung heraus gehandelt. Als Beweis wurde ein Video angeführt, das den Vorfall zeigt – aufgenommen von einem Überwachungsflugzeug, das die Mission unterstützte. Dieses zeige laut DEA klar einen Schusswechsel zwischen den beiden Booten. Das Video wurde lange streng unter Verschluss gehalten. Doch letztes Jahr im Oktober wurde es aufgrund des Freedom of Information Act (FOIA) für jedermann sichtbar veröffentlicht. Der FOIA ist ein Gesetz zur Informationsfreiheit, das jedem das Recht einräumt, Zugang zu staatlichen Dokumenten zu verlangen.24
Bruce Koenig, ein forensischer Experte, wertete das Video im Auftrag von ProPublica und der New York Times aus. Laut ihm sieht man darin mehrmals Licht, das aufblitzt, als die Agenten auf dem Motorboot ihre Waffen abfeuern. Vom Wassertaxi wird nicht zurückgeschossen, weil von diesem keine Lichtblitze ausgehen. Außer einem, der allerdings von einer Kugel stammt, die im Motor des Wassertaxis einschlägt.2
Die DEA tat sich auch zuvor schon schwer damit, glaubhafte Beweise für ihre Version der Geschichte zu finden. Auf dem Wassertaxi konnten keine Waffen gefunden werden. Weder das Motorboot, noch einer der Hubschrauber wiesen Einschusslöcher auf. Keiner der Agenten hatte eine Schussverletzung. Die DEA gab an, die Honduraner hätten die Mission geleitet. Doch auch das stimmt so nicht. Bereits vor einigen Monaten erschien ein Bericht des US-Außen- und Justizministeriums, der der DEA-Version die Glaubwürdigkeit abspricht. Die Honduraner seien nicht besonders gut ausgebildet gewesen, die DEA-Agenten hätten die Kontrolle über die Mission behalten und die kritischen Entscheidungen getroffen. Als vom Hubschrauber aus geschossen wurde, hielt zwar ein Honduraner das Maschinengewehr in der Hand, allerdings nachdem er von einem Amerikaner den Befehl dazu bekommen hatte. Der Bericht fand keinen Beweis dafür, dass auf die Agenten tatsächlich geschossen wurde.23
Doch die offizielle Aufklärung des Falles ist seit nunmehr sechs Jahren nicht wirklich vorangekommen. Eine 2016 von COFADEH in Honduras eingereichte Verfassungsklage wurde vom Obersten Gerichtshof abgelehnt. Schon im August 2017 sagte Berta Oliva, die Direktorin der Menschenrechtsorganisation, die die Angehörigen der Opfer rechtlich vertritt, dass die Fortschritte gleich Null seien. Von der Staatsanwaltschaft sei die COFADEH nie einbestellt worden. Dieser Fall sei ein weiterer Ausdruck der Straflosigkeit in Honduras, so Oliva.1
Trotz des Reports des Außen- und Justizministeriums und Aufrufen von Kongressmitgliedern erhielten die Angehörigen der Opfer seitens der USA weder eine Entschuldigung noch eine Entschädigung. Es fühle sich so an, als sei man auf der Suche nach Gerechtigkeit mit einem unüberwindbaren Hindernis konfrontiert, so Annie Bird, leitende Direktorin der guatemaltekischen Menschenrechtskommission und Autorin zahlreicher Berichte über den Vorfall.5
- Amerika 21: Honduras: Keine Fortschritte bei Aufklärung des Massakers in Mosquitia; Artikel vom 15.05.18 [↩] [↩]
- ProPublica: The DEA Says It Came Under Fire During a Deadly Drug Race. Its Own Video Suggests Otherwise; Artikel vom 23.10.17 [↩] [↩] [↩] [↩] [↩] [↩]
- New York Times: The Deadly Result of a D.E.A.-Backed Raid in Honduras; Artikel vom 02.07.17 [↩] [↩]
- Foia.gov: What is FOIA?; Stand 17.05.18 [↩]
- NACLA: The Ahuas Killings Five Years Later: Collateral Damage of the Drug War; Artikel vom 27.10.17 [↩]