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Wie der Drogenhandel in Lateinamerika die Demokratie und Pressefreiheit bedroht

Die Netflix-Serie Narcos, welche über den Drogenkönig Pablo Escobar berichtet, ist eine der meistgestreamtesten Serien der letzten Jahre. Sie beleuchtet den Aufstieg des Medellin-Kartells mit Hilfe von Korruption und Gewalt zu einem der mächtigsten Drogenkartelle der Welt. Bedauerlicherweise ist die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit kaum vorhanden. Das, was auf dem Fernsehbildschirm flackert, ist oftmals – auf noch brutalere und tragischere Weise – Realität.

Seit Januar 2018 wurden weltweit 63 Journalisten, 4 Medienmitarbeiter sowie 11 Blogger und Bürgerjournalisten getötet, davon 17 in Lateinamerika. Reporter ohne Grenzen belegen den Zusammenhang zwischen den Ermordungen und der jeweiligen journalistischen Tätigkeit der Opfer. Außerdem sind zum jetzigen Stand 165 Journalisten, 18 Medienmitarbeiter und 150 Blogger und Bürgerjournalisten in Haft. Grund für die Ermordungen ist die Berichterstattung über tabuisierte Themen wie beispielsweise politische Korruption und Drogenhandel. Zwischen dem Drogensektor, den korrupten politischen Strukturen, den Ermordungen und Inhaftierungen von Journalisten besteht ein direkter Zusammenhang.

„Demokratien leben von öffentlicher Debatte und Kritik. Wer gegen unbequeme Journalistinnen und Journalisten polemisiert oder gar hetzt und die Glaubwürdigkeit der Medien pauschal in Zweifel zieht, zerstört bewusst die Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft“, sagte ROG-Vorstandssprecherin Katja Gloger. 1)

Durch Intransparenz, Zensur und der Bestechung von Justiz und Regierung wird die Pressefreiheit angegriffen. In der Folge leidet die Demokratie, welche durch die freie und gleiche Meinungsbildung und Berichterstattung belebt wird. Das Menschenrecht der Pressefreiheit ist die Basis einer demokratischen Gesellschaft. Die Verletzung dieses Freiheitsrechts steht gleichzeitig für die Missachtung der allgemeinen Menschenrechte in einem Land.

In der westlichen Hemisphäre wurden zwischen Januar 2010 und November 2015 150 Journalisten ermordet. Davon ein Drittel in Mexiko, welches Platz 147 von 180 auf der Rangliste der Pressefreiheit einnimmt. Viele weitere wurden gekidnappt oder sind spurlos verschwunden. Die Zahl der Gewalt gegen Journalisten in Mexiko steigt stetig an. Da die Täter keine Strafe erwartet, betreiben viele Medien Selbstzensur und betreiben keine Berichterstattung über bestimmte Verbrechen, um sich zu schützen. Aufgrund des geringen Verdienstes von Journalisten in Mexiko steigt die Gefahr der Korruption. Dies führt zu einem Teufelskreis von Zensur, Verheimlichung von Verbrechen und Stillschweigen von Missständen. „Es gibt in Mexiko Korruption auf allen Ebenen, auch Politiker, Polizei und Militärs stehen auf der Seite der Kartelle und sind gefährlicher als diese, weil sie straflos handeln”, kritisiert die Investigativreporterin Anabel Hernandez aus Mexiko-Stadt. 2) 3) 4) 5)

Der Bundesstaat Veracruz ist dabei laut der Organisation Reporter ohne Grenzen der gefährlichste Ort für Medienarbeiter in der westlichen Hemisphäre. Aufgrund der geographischen Lage und seinem Hafen ist Veracruz ein bedeutender Umschlagplatz. Bei Kämpfen um Schmuggelrouten zwischen den Drogenkartellen Los Zetas und Jalisco Nueva Generación werden Journalisten und Menschenrechtsaktivisten immer wieder angegriffen. Die Banden zählen zu den größten Herausforderungen der Pressefreiheit weltweit. Gouverneur Javier Duarte hinterließ 2016 eine verstörte Medienlandschaft zurück. Er bedrohte während seiner Amtszeit unter anderem Journalisten öffentlich und wurde danach aufgrund von Geldwäsche- und Korruptionsvorwürfen von Interpol gesucht. Im April 2017 wurde er schließlich festgenommen und zu 9 Jahren Haft verurteilt. Dabei wurde keiner der Journalistenmorde unter Duarte aufgeklärt. Er installierte Spione, welche selber als Journalisten auftreten sollten, um kritische Reporter zu überwachen. Da die kriminellen Strukturen in Veracruz so tief verwurzelt sind, ist auch unter Nachtfolger Miguel Ángel Yunes ein Systemwandel nahezu utopisch. Kartelle und Polizisten arbeiten eng zusammen, sodass eine transparente Bestrafung von Gewalttätern und Kriminellen unmöglich ist. Wenn Journalisten die korrupten Strukturen aufdecken, drohen ihnen Gewalt und Repression. Leider sind staatliche Schutzprogramme ineffizient, da auch diese Arbeit intransparent ist und durch lokale Behörden umgesetzt wird, welche selber in illegale Machenschaften verwickelt sind. Aufgrund dessen vertrauen die Journalisten den Schutzprogrammen nicht. 6) 7)

Venezuela erreicht den Platz 143 auf der Rangliste der Pressefreiheit. Das Land ist eines der wichtigsten Transitstaaten des internationalen Drogenhandels und hat eine Schlüsselposition zwischen dem Drogenexporteur Kolumbien und dem Importland USA inne. Auch hier wird die Pressefreiheit verletzt. Beispielsweise hat das Regime Nachrichtensender blockiert, die über die Verbindung von Regierungsvertretern wie Vizepräsident Tareck El Aissami und dem Drogenschmuggel berichtet haben.  8)

Auch in Kolumbien werden Journalisten durch Kriminelle, militärische Kräfte (Paramilitärs), Politik und Sicherheitsbehörden bedroht und angegriffen. Bei Berichterstattung über Drogenkriminalität müssen die Reporter Überwachung und Gewalt fürchten. 9)

Platz 141 auf der Rangliste der Pressefreiheit belegt Honduras. Seit 2009 wurden dort über 30 Journalisten ermordet. Kaum eine dieser Taten wurde bestraft. Drogenbosse haben auch in diesem Land einen großen Einfluss auf die Medienlandschaft. Die honduranische Journalisten Tomy Morales erzählt: „Viele Journalisten erhalten Drohungen, wenn sie etwa Korruption in den örtlichen Behörden aufdecken“. 10)

Guatemala besetzt Platz 116 auf der Rangliste der Pressefreiheit. Da eine kleine Zahl von Unternehmern im Besitz der wichtigsten Fernsehsender und Tageszeitungen ist, kommt es sehr häufig zu korrupten Netzwerken zwischen kriminellen Gruppen, Politik und Medieninhabern. 11)

Der Drogenhandel zählt mit dem Erdöl- und Waffenhandel zu einem der drei größten Wirtschaftssektoren weltweit. Die Globalisierung schafft offene Märkte, welche den illegalen Drogenhandel vergünstigt und vereinfacht. Dabei spielt die USA eine wichtige Rolle als weltweit größter Konsumentenmarkt für Drogen aus Lateinamerika. Wo Nachfrage herrscht, wird Angebot kreiert. Im Falle des Drogenhandels leiden darunter nicht nur Opfer des Drogenkriegs, sondern auch die Demokratie, weil die Drogenkartelle korrupte Beziehungen zu Politikern und Justiz aufbauen, welche wiederum die neutrale Berichterstattung bedrohen. Die Ermordungen von Journalisten führen zu einer Selbstzensur der Medien. Somit wird das Menschenrecht der Pressefreiheit verletzt und die Demokratie der Gesellschaft tiefgehend geschwächt. 12)


Fußnoten (Hinweise, Quellen, Links)

  1. Reporter ohne Grenzen: Rangliste der Pressefreiheit; Stand 07.12.208
  2.   Focus Online: Wo das Gesetz des Schweigens gilt; Artikel vom 11.07.2013
  3. Reporter ohne Grenzen: Verbrechen gegen Journalisten verfolgen; 28.06.2018
  4. Reporter ohne Grenzen: Mexiko; Stand 07.12.2018
  5. Reporter ohne Grenzen: Veracruz: Journalists and the State of Fear; Bericht vom 11.02.2016
  6. BBC News: Fugitive Mexican governor Javier Duarte arrested in Guatemala; Artikel vom 16.04.2017
  7. Reporter ohne Grenzen: Veracruz: Journalismus im Staat der Angst; Bericht vom 07.02.2017
  8. Frankfurter Allgemeine: Maduros Meinung ist das Gesetz; Bericht vom 10.11.2017
  9. Reporter ohne Grenzen: Kolumbien; Stand 07.01.2018
  10.  Deutschlandfunk: Pressefreiheit in Honduras; Artikel vom 06.12.2017
  11. Reporter ohne Grenzen: Guatemala; Stand 07.01.2018
  12. Amerika 21: Mexiko im Kriegszustand; Artikel vom 04.12.2010

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