Unschuldige Bauern werden in den schmutzigen Drogenkrieg gezogen
In Boomzeiten der Kokaproduktion erfüllte sich für einige Kleinbauern und Migranten der Traum vom schnellen Geld. Dabei geraten sie jedoch immer wieder ins Visier der Drogenfahndung und Eradikation. Sie werden in ein Ausbeutungs- und Gewaltverhältnis zu kriminellen Organisationen des Drogenhandels verstrickt, das in ihrem Bewußtsein möglicherweise durch die relativ hohen Einkünfte verdrängt wird. In Peru und Kolumbien beispielsweise agieren Terroristen- und Guerillaorganisationen als Schutzmacht der Kokabauern und ziehen sie so in den „schmutzigen Krieg“ mit der Staatsmacht hinein. In der Karibik und in Zentralamerika wird der Drogenhandel oft durch lokale Gangs geschützt, die in engen Zusammenhang mit den mexikanischen Drogenkartellen stehen. In Myanmar begehen immer mehr Männer Diebstähle oder verkaufen Drogen, um ihre Abhängigkeit zu finanzieren. Auch die zunehmende Stellung einiger Staaten als Transitland, vor allem Westafrikas, der Karibik und Mittelamerikas hat zu steigenden Zahlen im Missbrauch von Drogen und den damit verbundenen Straftaten (z.B. Geldwäscheaktivitäten) geführt. Das Geld, welches durch den Drogenhandel erwirtschaftet wird, finanziert in den meisten Fällen weitere illegale Akteure und deren Aktivitäten. In Bolivien beispielsweise wird das Drogengeld u.a. zum Bau von Casinos und Bars verwendet. Dies zieht zusätzlich kriminelle Vorgehensweisen, wie Prostitution nach sich.
Unschuldige Fischer werden für kriminelle Machenschaften missbraucht
Drogentransitstaaten wie beispielsweise Ecuador haben ebenfalls mit den Auswirkungen der Drogenwirtschaft zu kämpfen, denn selbstverständlich sind auch die Wege vom Produktionsort bis zum Absatzmarkt von entscheidender Bedeutung für die Kartelle. So geraten vor Ecuadors Küsten zunehmend Fischer ins Visier der Drogenkuriere. Diese überfallen die Fischerboote, rauben Vorräte und Diesel oder bringen auf den Booten Kokainpakete an. Falls die Betroffenen sich weigern zu kooperieren, droht man ihnen mit harten Bestrafungen – ebenso, wenn sie die Polizei einschalten.
Drogenkartelle erweitern ihr Geschäftsfeld

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Selbst Gegenmaßnahmen können die Gewalt noch anheizen
Selbst Maßnahmen zur Bekämpfung des Drogenhandels haben bereits zur Verschärfung von Kriminalität und Gewalt geführt. In Kolumbien wurden im Zuge dessen indigene Völker und Kleinbauern von ihren traditionellen Siedlungsgebieten vertrieben und somit zur Kriminalität gezwungen. Auch in Mexiko hat ein strikteres Drogenverbot die Gewalt noch zusätzlich angeheizt.
Die Anstrengungen, Drogenhändler zu verhaften und ihre Organisationen zu zerschlagen, münden wiederum in neuer Gewalt. Immer wenn ein Kartell zerschlagen wird, ist es für ein anderes eine günstige Gelegenheit für ein neues Geschäft und der „Gewinner“ setzt wieder Gewalt ein, um seine Kontrolle über die Drogenrouten durchzusetzen. Gerade in Mexiko hat die drogenbezogene Gewalt in den letzten Jahren floriert. In den betroffenen Regionen gehen die Menschen teilweise nicht mehr auf die Straße, ohne Vorkehrungen zu treffen oder kurz in Gedanken durchzuspielen, ob und wo man überfallen werden könnte. Gleichzeitig wird die Gewalt auch angewandt, um staatliche Interventionen abzuwenden. Wenn die Korruption nicht mehr funktioniert, fällt die Wahl schnell auf Gewalt, mit der Polizei, Militär und Staatsanwaltschaften vom Eingreifen abgeschreckt werden sollen. Die Gewalt in Mexiko ist auch Strategie der Kommunikation, um Konkurrenten und staatliche Akteure zu warnen und fernzuhalten.
Mehr Drogenkonsum bedeutet mehr Kriminalität und Gewalt
Die meisten Länder, in denen der Konsum von Drogen ansteigt, können auch einen Zuwachs an Kriminalität und Gewalt feststellen. In Südafrika beispielsweise sind derzeit 60-80% der Verbrechen auf den Missbrauch von Drogen zurückzuführen, nicht selten werden Menschen auf offener Straße ausgeraubt und erstochen. Besonders im Laufe der vergangenen Jahre hat der Drogenkonsum im Land extrem zugenommen. In manchen Teilen des Landes sind ganze Townships abhängig von Drogen. Südafrikas Drogenkonsum ist mehr als doppelt so groß wie der weltweite Durchschnitt.
Ohne Frage hängt die ansteigende Gewalt im Zusammenhang mit Drogen in ihrem Ursprung von anderen Faktoren ab: Die schlechte wirtschaftliche Lage des Landes, die hohe Arbeitslosenquote, ein marodes Bildungssystem, eine Vielzahl von Menschen, die unter der Armutsgrenze leben. Die Drogen sind hierbei ein gefährlicher Katalysator, der verzweifelte Menschen zu extremen Mitteln greifen lässt. Hemmungen sinken und die Gewaltbereitschaft steigt.
Auf dem Drogenmarkt gilt das „Gesetz der Gewalt“
Da es bei einem illegalen Markt keine gemeinsam erabeiteten Regelwerke (Handelsgesetz, Schiedsgericht, Kartellamt etc.) gibt, reguliert er sich durch das Aktivwerden seiner Akteure, oftmals durch die Anwendung von Gewalt.
Mexiko leidet am meisten unter der Gewalt des Drogenkriegs
In keinem anderen Land ist die Gewalt derzeit so gut sichtbahr wie in Mexiko. Die Zahl der Todesopfer, die der mexikanische Drogenkrieg fordert, übersteigt zur Zeit sogar die Zahlen aus kriegsgebeutelten Ländern wie dem Irak und Afghanistan. Besonders betroffen sind hierbei die an die Vereinigten Staaten grenzenden Bundesstaaten.
Alarmierend ist die Zahl an unschuldigen Opfern, die der Drogenkrieg bislang gefordert hat. Mexikanische Medien berichten von tausenden von Verschwundenen. Viele von ihnen werden in Massengräbern gefunden, teilweise erst Jahre nach ihrem Tod. Die meisten weisen Spuren von Folter und Misshandlung auf. Es handelt sich beispielsweise um Immigranten, die auf der Suche nach einem besseren Leben von den Kartellen aufgegriffen werden, um Kinder und Jugendliche, die ihre Träume aufgeben, um sich der Kriminalität zu ergeben. Es sind Menschen, die verzweifelt nach Wegen suchen, ihrer Armut zu entkommen bzw. ihre Familien zu ernähren.
Die Anwendung von Gewalt beschränkt sich aber keineswegs auf die Drogenkartelle. Mittlerweile ist die Folter eine geläufige Methode der mexikanischen Behörden, um Verdächtigen Geständnisse zu entlocken. Gerade in den Jahren der Amtszeit von Ex-Präsident Felipe Calderón (2006-2012) wurde verstärkt auf diese Vorgehensweise zurückgegriffen und sie nimmt angeblich weiter zu.
Die Gewalt hält auch Einzug in Mittelamerika

Ein Mitglird der Mara Salvatrucha | Wikimedia Commons
Neben Mexiko sind mittlerweile auch mittelamerikanische Staaten in großem Stile am Drogenhandel beteiligt. Neben der geographischen Lage an einer großen Drogentransitroute bieten sich diese Länder auch aus anderen Gründen für die Drogenwirtschaft an: Es handelt sich vorwiegend um institutionell-schwache Staaten mit einem hohen Grad an Korruption innerhalb des Polizei- und Justizapparats. Zusätzlich besteht in diesen Ländern seit geraumer Zeit eine bedeutende Banden- bzw. Gangkultur. Dieser lokalen Gruppen bedienen sich die mexikanischen Kartelle, denn sie eignen sich besonders gut als Handlanger für ihre Drogengeschäfte.
Guatemala beispielsweise hat derzeit eine der höchsten Mordraten weltweit. Man schätzt, dass mindestens die Hälfte aller Morde mit dem Drogenhandel in Verbindung steht, ob nun als Folge von sich bekämpfenden Banden oder von Beschaffungskriminalität. Obwohl ein Land wie Guatemala schon seit langer Zeit mit einem hohen Maß an Gewaltverbrechen umgehen muß, hat das Eingreifen der mexikanischen Kartelle die Lage verschärft.
Frauenmorde in Mexiko

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Menschen werden von Drogenkartellen zum Schmuggel von Drogen gezwungen
Drogen zu schmuggeln kann ein lebensgefährliches Unterfangen sein. Trotzdem gehen überall auf der Welt täglich Menschen freiwillig das Wagnis ein, bei dem Versuch Drogen heimlich über Grenzen zu transportieren, zu sterben. Anderen wird keine Wahl gelassen.
Gerade in Ländern, in denen die Drogenkartelle ansässig sind, scheint die Erpressung wehrloser Personen ein gängiges Mittel zu sein, um neue Drogenkuriere zu beschaffen. Es werden zum Beispiel dutzende, mittellose Flüchtlinge gekidnappt, die, wenn sie sich weigern für die Drogenkartelle zu arbeiten, mit ihrer Hinrichtung rechnen müssen. Aber auch Menschen, die nicht auf der Flucht sind, können jederzeit ins Visier der Kartelle kommen. In Amerika sind Fälle bekannt, in denen Menschen unter Androhung von Gewalt gegen ihre Familie Drogen von Mexiko aus, in die USA schmuggeln wollten, oder dies taten. Gleiches trifft auf Zwangsprostituierte zu. Die mittellosen und eingeschüchterten Frauen werden ebenfalls unter der Androhung von Gewalt dazu gezwungen neben ihrer Haupttätigkeit Drogen zu transportieren oder mit diesen zu „dealen“.
Auch sogenannte „blind mules“, also Leute, denen ohne ihr Wissen Drogen in ihr Gepäck oder Auto platziert wurden sind keine Seltenheit. Wenn nicht eindeutig nachweisbar ist, dass die mit Rauschgift gefüllten Päckchen nicht dem unwissenden Schmuggler gehören, muss dieser mit einer hohen Gefängnisstrafe rechnen und wird somit unverschuldet in die Kriminalität gezwungen.
Quellen:
EMCDDA: New EMCDDA policy briefing on Khat
Palaung Women´s Organization: Poisoned Hills
Rathgeber, Theodor: Indianische Gemeinschaften suchen Auswege aus dem Drogenanbau in Lateinamerika
Friedrich-Ebert-Stiftung: Drogengeschäfte – Zur Entwicklung der internationalen Drogenmärkte
Heinrich-Böll-Stiftung: Drogen, Dollars, Demokratie
GIZ: Drogen, Entwicklung und Gewalt
GIZ: Drogen und Entwicklung in Lateinamerika
Huffington Post: How Stolen Smartphones End Up In The Hands Of Colombian Cartels
Proceso.com.xm: Ya hay pistas de autores de fosas de Jalisco; van 58 cuerpos exhumados
Mittelbayerische: Alltägliche Grausamkeiten in Südafrika – Artikel nicht mehr verfügbar
christiandrugreport: SA-Statistics
UNODC: Homicide Statistics 2013
Die Zeit: Guatemala im Würgegriff der Kartelle
Reuters América Latina: Casos de tortura crecen en México en medio de lucha antinarco: Al
InSightCrime: Ecuador´s Cocaine Pirates: Part I
Heinrich Böll Stiftung: Frauenmorde in Mexiko: Der Kampf gegen ein „Kultur des Schweigens“
Criminologia: Der Femizid von Ciudad Juárez
IGFM: Mexiko: Grauen ohne Grenzen – nicht mehr verfügbar
n-tv: Drogenbanden „rekrutieren“ Personal – 60 Flüchtlinge verschleppt
lanacion: Cómo caí en una red de trata
Latin American Herald Tribune: Mexican Cartells Forcing Migrants to Smuggle Drugs
Neue Gefahren
Mit Drogen wie „Koks“ oder Heroin werden zuweilen auch Handlanger für kriminelle Handlungen geködert. Am effektivsten lässt es sich mit Süchtigen verhandeln. Manche von ihnen führen für Stoff jeden Auftrag aus und werden erpressbar. Wichtig für Auftraggeber: Drogen machen mutig. Literatur: „Die Toten am Fort Point“, AAVAA, 12/2013 oder „Das Bildnis des Todes“, nexx-Verlag, 12/2014.