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Mexiko

Regierungsform / Innenpolitische Verhältnisse

Die präsidiale Bundesrepublik Mexiko ist ein Föderalstaat mit 31 Bundesländern. Von 1929 bis 2000 wurde sie von der Partei PRI (Partei der Institutionalisierten Revolution) regiert, die neben dem Staatspräsidenten auch alle Spitzenpositionen in der Regierung, dem Parlament und der Rechtsprechung mit Parteiinternen besetzte. 2000 verlor die PRI die Präsidentschaftswahl an Vicente Fox Quesada, den Kandidaten der Oppositionspartei PAN (Partei der Nationalen Aktion).1

Im Jahr 2006 übernahm der PAN-Kandidat Felipe Calderón das Amt des Präsidenten. Kurz nach der Ernennung erklärte Calderón den Drogenhändlern den „Krieg“. Er übertrug dem Militär die Hauptrolle bei der Bekämpfung des Rauschmittelhandels und ging hart gegen potentielle Schmuggler und Kartell-Mitglieder vor. Durch sein konsequentes Vorgehen erhoffte er sich, seine Popularität zu steigern. Doch der extreme Einsatz des Militärs verschlimmerte die Lage und die Opferzahlen stiegen extrem an – von 2007 mit 2.600 auf 11.500 Tote im Jahr 2010.2

Daraufhin wurde 2012 wieder ein PRI-Kandidat, Enrique Peña Nieto, Staatspräsident. Er versprach, mit einer Mischung aus Sozialpolitik und einem verstärkten Sicherheitsapparat sein Land zu befrieden, die Ungleichheiten und die Armut zu lindern, das Bildungssystem zu verbessern und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.3 Der „Pakt für Mexiko“, den Peña Nieto kurz nach seinem Amtsantritt unterschrieb, umfasste u.a. eine Fiskalreform, eine umfassende Bildungsreform und eine Energiereform, die den Erdölsektor auch für ausländische Investitionen öffnen und somit die Wirtschaft stärken sollte.1 Allerdings schwand die Begeisterung der Bürger in den folgenden Jahren aufgrund mangelnder sichtbarer Erfolge.4

Die primäre innenpolitische Herausforderung bleibt auch unter Peña Nieto die Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Die zunehmende Militärpräsenz auf Mexikos Straßen erinnert an bürgerkriegsähnliche Ausnahmezustände, besonders in Städten wie Tijuana oder Juarez. Großeinsätze der Bundessicherheitskräfte sind in Bundesstaaten wie Michoacán, Tamaulipas oder Guerrero die Norm.1

Trotz der militärischen Präsenz fühlen sich viele Bürger nicht geschützt und gründen sogenannte Bürgerwehren, um Städte und Dörfer von der Gewaltherrschaft der Kartelle zu befreien.5 Die Bürgerwehren sollen die Interessen des Volkes vertreten und Zivilisten schützen. Allerdings kommt es bei Einsätzen der Bürgermiliz immer wieder zu Übergriffen, Ermordungen6 und blutigen Auseinandersetzungen mit der organisierten Kriminalität und staatlichen Sicherheitsbehörden.1

Außenpolitik / Verhältnis zu Nachbarländern

Peña Nieto setzt zunehmend auf internationale Zusammenarbeit und zeigt Bereitschaft, sich stärker in Fragen von globaler Bedeutung zu engagieren. So befürwortet er beispielsweise die Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen, durch die Einwilligung zur Beteiligung bei Friedenseinsätzen. Die Zusammenarbeit mit Europa und Asien nimmt auf wirtschaftlicher Ebene zu. Bislang hat Mexiko mit 46 Ländern Freihandelsabkommen abgeschlossen. Aufgrund seiner Wirtschaftskraft als fünfzehnstärkste Volkswirtschaft und G20-Mitglied, der geostrategischen Lage zwischen Lateinamerika und den USA und auch zwischen Atlantik und Pazifik besitzt Mexiko international Gewicht.7

Mit den anderen lateinamerikanischen Ländern arbeitet Mexiko sowohl im wirtschaftlichen Bereich als auch im Kampf gegen den Drogenhandel zusammen. Zusätzlich zu einer Reihe von bilateralen und regionalen Freihandelsabkommen haben Mexiko, Peru, Chile und Kolumbien im April 2011 die Pazifikallianz gegründet, „die den Freihandel untereinander erleichtern und neue Handelswege zu den Märkten in Asien und im Pazifikraum eröffnen soll“.7

Das US-mexikanische Verhältnis ist nach wie vor schwierig. Geschätzte 12 Millionen mexikanische Immigranten und ca. 34 Millionen US-Bürger mit mexikanischen Wurzeln befinden sich in den USA. Außerdem besuchen 24 Millionen US-Amerikaner jährlich Mexiko. In Folge des Freihandelsabkommen zwischen Mexiko, den USA und Kanada von 1994 (NAFTA) gehen bis zu 80 Prozent der mexikanischen Exporte in die USA, was ein Viertel des mexikanischen Sozialprodukts ausmacht.7

Allerdings ist der US-mexikanische Verhältnis durch die organisierte Kriminalität stark gestört: Das Ausmaß des Drogenhandels in Mexiko wäre niemals so groß, „fände das Land auf der anderen Seite seiner Nordgrenze nicht den weltweit größten und lukrativsten Markt für illegale Suchtstoffe vor“.2 Die im Austausch für Drogen gelieferten Waffen aus den USA werden für die Aufrüstung der Kartelle genutzt und befeuern wiederum Kämpfe in den mexikanischen Städten. Mexiko drängt die USA zu stärkeren Kontrollen und der Eindämmung des Drogenkonsums.7

Wie sich Donald Trumps Sieg in der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl auf das US-mexikanische Verhältnis auswirken wird, bleibt bislang offen. Mexikanische Politiker und Bürger befürchten Währungsturbulenzen, Neuverhandlungen der Nordamerikanischen Freihandelszone sowie Blockaden der Auslandsüberweisungen und Deportationen von Millionen Mexikanern ohne Papiere. Schon kurz nach Trumps Sieg stürzte der Peso „auf historische Tiefstände“. Nichtsdestotrotz zeigte sich Peña Nieto zu einer Zusammenarbeit bereit.8

Menschen- und Freiheitsrechte

Die Regierung unter Peña Nieto verabschiedete eine Verfassungsreform, die die Erarbeitung von bundeseinheitlichen Gesetzen zum gewaltsamen Verschwindenlassen, Freiheitsentzug, Entführung sowie Menschenhandel und Folter ermöglicht. Mexiko ist Mitglied in allen einschlägigen Menschenrechtsverträgen und bekennt sich zu den internationalen Menschenrechten. Nichtsdestotrotz kommt es laut Berichten der Vereinten Nationen zu regelmäßigen Übergriffen von Polizei und Militär, willkürlichen Verhaftungen, außergerichtlichen Hinrichtungen, Verschwindenlassen und Erzwingen von Geständnissen durch Folter.1 In der Regel geschehen die Übergriffe im Kampf gegen das organisierte Verbrechen und werden so gut wie gar nicht verfolgt.9

Besonders für die Bedrohung und Ermordung von Menschenrechtsverteidigern und Journalisten, die hohe Zahl an Tötungen von Frauen und die Übergriffe auf Transmigranten steht Mexiko international in der Kritik. Das Verschwinden von 43 Lehramtsstudenten im Bundesstaat Guerrero im September 2014 ist einer der bekanntesten Fälle: Trotz der Unterstützung durch die internationale Expertenkommission OAS wurde die Tat bis heute nicht aufgeklärt.1 Mexiko gilt als eines der gefährlichsten Länder für Journalisten weltweit. Zwischen 2000 und 2015 wurden 103 Journalisten getötet und 25 weitere entführt. Vor allem im Bereich der Kriminalitätsberichterstattung verwenden viele inzwischen ein Pseudonym oder veröffentlichen ihre Artikel anonym.9

Drogenproblematik

Jahrzehntelang war Mexiko in erster Linie ein Transitland für Drogen. Schätzungsweise 90 Prozent des in den USA konsumierten Kokains kamen über die US-mexikanische Grenze. Doch zusätzlich zum Schmuggel operieren Kartelle neuerdings auch im Landesinneren, beispielsweise beim illegalen Anbau von Marihuana und Schlafmohn oder bei der Produktion von synthetisch hergestellten Drogen, die in den Vereinigten Staaten und Kanada auf große Nachfrage stoßen. Der Fokus der mexikanischen Kartelle bleibt allerdings auf dem Schmuggel.10 Der Drogenkonsum in den USA ist die Grundlage für die Drogenprobleme in Mexiko.11

Seit 2006 wurden mindestens 80.000 Morde in Verbindung mit organisierter Kriminalität registriert. Dahinter stecken größtenteils mexikanische Drogenkartelle: zu den größten gehören das Beltran Leyva, das Gulf-Kartell, das Juarez-Kartell, La Familia Michoacana, das Los Zetas Kartell, das Sinaloa-Kartell, und das Tijuana/Arellano Felix Kartell. Mexikanische Drogenkartelle erwirtschaften jährlich zwischen 19 und 29 Milliarden Dollar durch den Drogenhandel in die USA. Sie kontrollieren nicht nur Rauschmittelströme, sondern auch den Menschen- und Waffenhandel und üben die Kontrolle über die beanspruchten Gebiete aus.12 Besonders umkämpft sind mexikanische Grenzstädte wie Tijuana, Nogales und Ciudad Juárez, da sie einen unmittelbaren Zugang in die USA bieten. In Juárez bekämpfen sich vor allem das Sinaloa- und Juárez-Kartell.10

Von der Drogenwirtschaft betroffen sind nicht nur die Polizei, das Militär und die Mitglieder des organisierten Verbrechens, sondern auch Unschuldige, die in die Schusslinie geraten oder aufgrund ihrer Armut und Verzweiflung keine andere Wahl haben, als mit den Kartellen zusammenzuarbeiten. Extrem viele mexikanische Bürger sind in den Drogenhandel verwickelt – nicht nur korrupte Beamte, sondern wegen fehlender Perspektiven und Arbeitslosigkeit auch viele junge Menschen. Aufgrund des hohen Blutzolls der letzten Jahre ist Mexiko zum Sinnbild für die unmenschliche Brutalität der Drogenkartelle und des sogenannten „War on Drugs“ geworden.10

Drogengesetze

Drogenbesitz wird in Mexiko streng geahndet. Die Mindeststrafe beträgt zehn, die Höchststrafe 25 Jahre.13 Allerdings wurde 2009 ein Gesetz erlassen, das den Besitz kleiner Mengen an Marihuana, Kokain, Heroin und LSD für den persönlichen Gebrauch entkriminalisiert.14

Im Oktober 2013 wurde gemeldet, dass die Stadtverwaltung Mexiko Citys eine Reform der Gesetzgebung plant, die den Konsum von Marihuana weiter legalisieren und dadurch regulieren soll.15 2015 wurde der Privatkonsum von Cannabis schließlich vom Obersten Gerichtshof erlaubt. Mit 4:1 Stimmen bestimmte das Gericht, „dass Anbau, Ernte und persönlicher Gebrauch von Marihuana grundsätzlich nicht strafbar sind“. Die Kommerzialisierung bleibt jedoch illegal. Die Regierung missbilligte die Entscheidung.16

Maßnahmen der Regierung / Kooperation mit anderen Staaten

Calderón erklärte 2006 den Drogenhändlern den „Krieg“. Er übertrug dem Militär die Hauptrolle bei der Bekämpfung des Drogenhandels und ging extrem gegen potentielle Schmuggler und Kartell-Mitglieder vor.2 In den folgenden Jahren konnte die mexikanische Regierung diverse Erfolge vorweisen: Festnahmen wichtiger Drogenbosse und die Beschlagnahmung von Rekordmengen an Rauschgift, Munition und Drogengeldern.17

Allerdings zahlt Mexiko dafür einen extrem hohen Blutzoll. Seit Calderón den Drogenhändlern „Krieg“ erklärte und militärisch gegen den Schmuggel vorging, sind die Todesraten extrem gestiegen – zehn Jahre später liegen die Schätzungen insgesamt bei ungefähr 150.000 Toten und 28.000 Vermissten. Durch das harte Vorgehen der Bürgerwehren, des Militärs und der Drogenkartelle ist es inzwischen schwer zu sagen, wen die Zivilisten am meisten fürchten.18

Bereits bei seinem ersten Staatsbesuch in Mexiko im April 2009 gestand Präsident Obama eine Teilschuld der Vereinigten Staaten am mexikanischen Kampf mit den Drogenkartellen und versprach eine stärkere Zusammenarbeit beider Staaten.19 Neben der Nachfrage nach Drogen aus dem amerikanischen Raum sind es vor allem aus den USA stammende Waffen, die den Drogenkrieg in Mexiko am Leben halten. Das vorrangige Ziel der Amerikaner ist es, die Waffenlieferungen nach Mexiko einzudämmen und die Nachfrage nach Drogen im eigenen Land zu reduzieren.11

Entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit der Bundesregierung

Die Bundesregierung arbeitet seit über 30 Jahren entwicklungspolitisch mit Mexiko zusammen. Im Mittelpunkt der Kooperation stehen insbesondere die Bereiche Erneuerbare Energien und Umwelt- und Ressourcenschutz.20 Zudem ist Deutschland Mexikos fünftgrößter Handelspartner.21

Seit 2010 wird ein Sicherheitsabkommen zwischen Mexiko und Deutschland verhandelt. Die Umsetzung im Jahr 2015 und die damit verbundene deutsche Unterstützung im mexikanischen Drogenkrieg wurde allerdings verzögert. Grund dafür waren rechtlich und politische fragwürdige Waffengeschäfte und das ungeklärte Schicksal der 43 Studenten. Vorgesehen ist die Unterstützung und Stärkung der mexikanischen Polizei in ihrem Kampf gegen die Drogenwirtschaft.22 Davon abgesehen arbeiten Deutschland und Mexiko bei der Begrenzung des Waffenhandels zusammen.23

 

Quellen

  1. Auswärtiges Amt: Innenpolitik – Stand Oktober 2016 [] [] [] [] [] []
  2. Bundeszentrale für politische Bildung: Calderons gescheiterter Feldzug gegen die Drogenkartelle – veröffentlicht am 26.09.2011 [] [] []
  3. Spiegel Online: „Die Mafia zerschlagen“ – veröffentlicht am 04.02.2013 []
  4. PewResearchCenter: Mexicans see less progress on drug war; split on Pena Nieto – veröffentlicht am 02.05.2013 []
  5. Foreign Affairs: The Rise of Mexico’s Self-Defense Forces – veröffentlicht im Juli/August 2013 []
  6. n-tv: Bürgermilizen schießen um sich – veröffentlicht am 07.06.2015 []
  7. Auswärtiges Amt: Außenpolitik – Stand Oktober 2016 [] [] [] []
  8. Spiegel Online: Böser neuer Nachbar – veröffentlicht am 11.11.2016 []
  9. Human Rights Watch: Mexiko: Events of 2015 – Stand 2015 [] []
  10. Planet Wissen: Drogenkrieg in Mexiko – Stand 20.07.2016 [] [] []
  11. YouTube: Doku – Mexicos Drogenkartelle – veröffentlicht am 03.03.2016 [] []
  12. CNN: Mexico: Drug War Fast Facts – Stand Mai 2016 []
  13. Auswärtiges Amt: Mexiko: Reise- und Sicherheitshinweise – Stand 01.12.2016 []
  14. The New York Times: Mexico Legalizes Drug Possession – veröffentlicht am 01.08.2009 []
  15. Time: North America’s Largest City Moves to Legalize Pot – veröffentlicht am 14.10.2013 []
  16. Handelsblatt: Freies Marihuana gegen die Mafia – veröffentlicht am 08.11.2015 []
  17. Wikipedia: Drogenkrieg in Mexiko – zuletzt aufgerufen am 01.12.2016 []
  18. The New York Times: A Decade of Failure in the War on Drugs – 09.10.2016 []
  19. ABC:  Obama admits shared responsibility for Mexican drug war – veröffentlicht am 18.04.2009 []
  20. BMZ: Situation und Zusammenarbeit – zuletzt aufgerufen am 01.12.2016 []
  21. STIMME.de: Steinmeier fordert gemeinsamen Kampf gegen Kriminalität – veröffentlicht am 05.06.2016 []
  22. Der Tagesspiegel: Rückenstärkung für die Diplomatie – veröffentlicht am 12.04.2016 []
  23. STIMME.de: Steinmeier fordert gemeinsamen Kampf gegen Kriminalität  – veröffentlicht am 05.06.2016 []

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