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Kirgisistan

Regierungsform / Innenpolitische Verhältnisse

Während die Verfassung von 2007 dem Präsidenten weitreichende Kompetenzen zugestand, stellt Kirgisistan seit der 2010 angenommenen Verfassung eine Mischform aus parlamentarischem und präsidentiellem System dar. Zwar obliegen dem Präsidenten weiterhin wichtige Vollmachten, aber er ist gleichzeitig auf eine Amtszeit beschränkt. Außerdem wurden die Kompetenzen des Parlaments und des Premierministers gestärkt.1

Im April 2010 wurde im Zuge der April-Revolution der damalige Präsident Bakijew gestürzt und durch eine Übergangsregierung ersetzt. Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen im Süden des Landes im Juni 2010 zwischen Kirgisen und Usbeken starben nach offiziellen Angaben 470 Menschen. Ende des Monats fand ein Referendum über die Verfassungsreform statt und die Übergangspräsidentin Rosa Otunbajewa wurde als Präsidentin bis zu den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2011 bestätigt. Im Zuge dieser Wahlen gewann der bis heute amtierende Präsident Almazbek Atambajew. Zwar scheint in diesem Amt Kontinuität eingekehrt zu sein, allerdings gab es seit den ersten Parlamentswahlen im Oktober 2010 bereits drei verschiedene Regierungskoalitionen.2

Auch wenn sich die politische Lage allmählich stabilisiert, durch schwere ethnische Unruhen und die weiterhin angespannte Sicherheitslage, den schwelenden Generationenkonflikt, weitverbreitete Armut, einen unterfinanzierten Staatsapparat und schwelender Korruption wird die Weiterentwicklung Kirgisistans stark gehemmt.3

Außenpolitik / Verhältnis zu Nachbarländern

Kirgisistan ist als kleines Land im Besonderen auf außenpolitische Stabilität und gute nachbarschaftliche Beziehungen angewiesen. Die kirgisisch-russischen Beziehungen sind traditionell sehr eng und Russland stellt weiterhin den wichtigsten Handelspartner. Doch auch das kirgisisch-chinesische Verhältnis gewinnt zusehends an Bedeutung. Kirgisistan ist zu einem wichtigen Umschlagplatz für chinesische Waren herangereift. Zudem beteiligt sich China am Ausbau der Infrastruktur, vor allem im Hinblick auf verbesserte Handelsrouten.4 Doch auch die USA sind in Kirgisistan aktiv. Neben wirtschaftlichen Beziehungen pflegen die USA vor allem erhebliche Bemühungen, um die regionale Sicherheit zu erhöhen und demokratische Institutionen zu stärken.5 Die USA sind aber auch darüber hinaus an guten Beziehungen nach Kirgisistan interessiert, da die Luftwaffenbasis Manas in Kirgisistan seit 2001 der wichtigste Luftfracht-Umschlagplatz der Amerikaner für den Einsatz in Afghanistan ist. Anhand dieses Stützpunktes werden auch die Probleme sichtbar, die der Versuch, sowohl gute Beziehungen zu den USA als auch nach Russland zu unterhalten, mit sich bringt. So bot Russland im vergangenen Jahr Kirgisistan umfangreiche Investitionen sowie einen Schuldenerlass an, sollte das amerikanische Militär das Land zügig verlassen. In diesem Fall ist ein Interessenkonflikt noch vermeidbar, da die Amerikaner sich bereits auf dem Rückzug aus Afghanistan befinden.6

Neben den teilweise konkurrierenden Beziehungen zu den Großmächten pflegt Kirgisistan auch enge Beziehungen zur EU, zu der mittlerweile ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen besteht, das vor allem entwicklungspolitische Ziele verfolgt.7

Das Verhältnis zu den Nachbarländern ist zumindest derzeit nicht frei von Komplikationen. Zwar entwickelt sich Kasachstan zusehends zu einem wichtigen Handels- und Wirtschaftspartner, aber im Verhältnis zu Usbekistan und Tadschikistan herrschen noch einige offene Fragen über den Grenzverlauf vor. Die Beziehungen zu Usbekistan leiden des Weiteren vor allem unter verminten Abschnitten an der gemeinsamen Grenze, die immer wieder Todesopfer fordern.8

Menschen- und Freiheitsrechte

Die Situation der Menschen- und Freiheitsrechte in Kirgisistan ist zwar weiterhin kritisch, allerdings sind Fortschritte erkennbar. So wurden die Grundrechte in der neuen Verfassung deutlich gestärkt.1 Des Weiteren wurde die Todesstrafe per Gesetz bereits 2007, also mit der vorletzten Verfassungsreform, abgeschafft. Allerdings wird die Durchsetzung der Menschenrechte in der Praxis durch mangelnde rechtsstaatliche Tradition noch häufig erschwert.9

So sind Fälle von Folter und Misshandlungen weiterhin zu verzeichnen, trotz eines staatlichen Programms zur Folterbekämpfung. Sie werden eingesetzt, um Geständnisse zu erzwingen. Vorgebrachte Beschwerden von Misshandelten vor Gericht werden häufig vom Innenministerium als „absurd“ zurückgewiesen. Willkürliche Festnahmen gegenüber ethnischen Usbeken scheinen zwar abzunehmen, doch Menschenrechtsverletzungen im Umgang mit ihnen, vor allem im Zuge der Aufklärung der gewalttätigen Ausschreitungen vom Juni 2010, stellen weiterhin ein massives Problem dar. Auch die Justiz ist für die kaum abnehmenden Fälle von Folter und Misshandlung verantwortlich, da diese es versäumt, vorgebrachten Beschwerden gegenüber Sicherheitskräften nachzugehen.10

Drogenproblematik

Kirgisistans Drogenproblematik ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass es als Haupttransitstaat für illegale Drogen, überwiegend Heroin, von Afghanistan nach Europa und Russland fungiert. Die geographische Lage, die bereits erwähnten limitierten Ressourcen der Regierung, die Korruption und eine kaum ausgeprägte Strafverfolgung machen aus Kirgisistan einen „optimalen“ Umschlagplatz. So gelangt ein Großteil der Drogen über gefährliche Bergpässe entlang der Grenze zu Tadschikistan nach Kirgisistan. Schätzungsweise 75 bis 80 t Heroin erreichten 2012 auf diesem Weg das Landesinnere.11

Doch Kirgisistan ist mittlerweile auch für die Produktion von Marihuana und Haschisch bekannt. Beides wird sowohl auf inländischen als auch größeren Drogenmärkten verkauft.12 Sowohl der verstärkte Anbau von Drogen13 als auch der Drogenschmuggel sorgen für eine hohe Verfügbarkeitsrate von illegalen Drogen zu mittlerweile erschwinglichen Preisen, die zu einem akuten Konsumproblem führen. So ist auch zu erklären, dass Kirgisistan die höchste HIV-Infektionsrate in Zentralasien hat.14

Verstärkt wird die ohnehin schon vielschichtige Drogenproblematik durch die Ablösung der kleinen, kriminellen und lokalen Gruppen durch mehrere große, gut organisierte Drogenkartelle.15

Drogengesetze

Personen, die gegen kirgisisches Gesetz verstoßen, indem sie Drogen besitzen, konsumieren oder sogar handeln, müssen mit schweren Strafen, insbesondere langen Gefängnisstrafen rechnen.16

Allerdings besteht in Kirgisistan die Möglichkeit, sofern bei der Festnahme nur geringe Mengen an Drogen sichergestellt werden, das Delikt als Ordnungswidrigkeit auszulegen und damit eine Gefängnisstrafe zu umgehen und stattdessen Sozialstunden zu absolvieren.17

Maßnahmen der Regierung / Kooperation mit anderen Staaten

Im Juli 2012 stellte eine von Präsident Atambajew beauftragte Kommission fest, dass es dem Drogenaufsichtsdienst nicht gelinge, ein effizientes Drogenkontrollsystem einzurichten und die Bemühungen der Exekutiv- und Selbstverwaltungsorgane angemessen zu koordinieren.18 Daraufhin wurden der Chef des Drogenaufsichtsdienstes und seine beiden Stellvertreter entlassen.19

Diese internen Querelen zeigen, dass Kirgisistan auf internationale Hilfe angewiesen ist. So arbeitet die kirgisische Regierung mit diversen internationalen Partnern, z.B. der Anti-Drogen Koalition Amerikas, zusammen, um zum einen die Prävention, aber zum anderen auch die Strafverfolgung zu stärken.11

Die USA haben sich in Kirgisistan zum Ziel gesetzt, die dortige Regierung im Bereich der Strafverfolgung zu unterstützen. Die USA engagieren sich vor allem im Bereich der Ausbildung und der Bereitstellung von technischem Material. Des Weiteren machen sich die Vereinigten Staaten für eine verbesserte Kommunikation und Zusammenarbeit mit Kirgisistan und weiteren Staaten der Region stark, um vor allem die jeweiligen Grenztruppen effektiver einzusetzen.11

Entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit der Bundesregierung

Das Gesamtvolumen der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit seit 1993 beträgt ca. eine Viertel Milliarde Euro, die Mittel, die über Programme multinationaler Institutionen wie die EU nach Kirgisistan fließen, nicht berücksichtigt. Im Mai 2012 wurden im Zuge der deutsch-kirgisischen Regierungskonsultationen die Schwerpunkte „Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung“ und „Reform im Gesundheitswesen“ der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit bestätigt. So unterstützt Deutschland Kirgisistan finanziell bei der Umsetzung eines nationalen Gesundheitsprogramms. Im Rahmen der technischen Zusammenarbeit ist die Bundesregierung vor allem im Bereich der nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung aktiv und unterstützt die kirgisische Regierung dabei, die Rahmenbedingungen für einen einkommens- und beschäftigungswirksamen Strukturwandel zu verbessern.20

Die GIZ konzentriert sich bei ihrem Engagement, das in den frühen 1990er-Jahren begann, neben der nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung vor allem auf den Bildungssektor. Hier unterstützt die GIZ mit mehreren Projekten sowohl die Schulbildung als auch die berufliche Bildung. Des Weiteren ist sie in Folge der Unruhen 2010 auch bei entwicklungsorientierten Not- und Übergangshilfe im Süden Kirgisistans aktiv und engagiert sich auch im Bereich der Konfliktprävention bei Jugendlichen.21

Quellen

  1. Auswärtiges Amt: Kirgisistan Staatsaufbau – aufgerufen am 01.08.13 [] []
  2. Auswärtiges Amt: Kasachstan Länderinfos Innenpolitik – aufgerufen am 02.08.13 []
  3. GIZ: Kirgisistan Entwicklungszusammenarbeit – aufgerufen am 01.08.13 []
  4. Auswärtiges Amt: Kirgisistan Länderinfos Außenpolitik – aufgerufen am 01.08.13 []
  5. Department of State: US relations – aufgerufen am 01.08.13 []
  6. NZZ: Amerikas Außenposten in Zentralasien – aufgerufen am 01.08.13 []
  7. Auswärtiges Amt: Kirgisistan Beziehungen zur EU – aufgerufen am 01.08.13 []
  8. Auswärtiges Amt: Kirgisistan Beziehungen zu den Nachbarstaaten – aufgerufen am 01.08.13 []
  9. Auswärtiges Amt: Kirgisistan Menschenrechte – aufgerufen am 01.08.13 []
  10. Amnesty International: Kirgisistan Jahresbericht 2013 – aufgerufen am 01.08.13 []
  11. Department of State: International Narcotics Control Strategy Report – aufgerufen am 01.08.13 [] [] []
  12. EMCDDA: Country overview – aufgerufen am 01.08.13 []
  13. CIA: World factbook – aufgerufen am 01.08.13 []
  14. Washington Times: Drug trade – aufgerufen am 01.08.13 []
  15. RIANOVOSTI: Kartellbildung in Kirgisistan – aufgerufen am 01.08.13 []
  16. Department of State: Country specific information – aufgerufen am 01.08.13 []
  17. EMCDDA: Country overview – aufgerufen am 02.08.13 []
  18. RIANOVOSTI: Präsidentenkommission will Drogenaufsichtsleitung auflösen – aufgerufen am 01.08.13 []
  19. Zentralasien-Analysen: Chronik Kirgistan – aufgerufen am 01.08.13 []
  20. Auswärtiges Amt: Kirgistan Länderinfos Bilaterale Zusammenarbeit –  aufgerufen am 01.08.13 []
  21. GIZ: Kirgistan Entwicklungszusammenarbeit – aufgerufen am 01.08.13 []

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