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Chile

Regierungsform / Innenpolitische Verhältnisse

Chile ist eine Präsidialrepublik. Der Präsident ist zugleich Staatsoberhaupt und Regierungschef. Er wird für vier Jahre gewählt. Die präsidiale Macht ist durch institutionelle Schranken begrenzt, bei keiner Wahl nach der Pinochet-Diktatur (1973-1990) ist es zu Unregelmäßigkeiten gekommen.1 Bei der Wahl 2013 konnte sich die Sozialistin Michelle Bachelet durchsetzen. Sie ist so etwas wie ein politischer Superstar: Die erste Frau an der Spitze des chilenischen Verteidigungsministeriums, von 2006 bis 2011 die erste Präsidentin Chiles, im Anschluss Leiterin der Uno-Frauen-Organisation in New York, weil die Verfassung eine sofortige Wiederwahl ausschließt und jetzt, nach Verstreichen der Karenzzeit, sogar die erste Ex-Präsident*In, die nach dem Ende der Pinochet-Diktatur wieder ins Amt gewählt wurde. Sie verspricht einen „tief greifenden gesellschaftlichen Wandel“, den „Abbau der Ungleichheit und mehr soziale Gerechtigkeit“ durch eine wirtschaftliche Entwicklung, „die endlich allen zugutekommt und nicht nur einigen wenigen“.234 Da sowohl Regierungskoalition – das um die Kommunisten erweiterte Parteienbündnis Neue Mehrheit (Nueva Mayoria) – als auch Opposition in keiner der beiden Kammern des Parlaments die absolute Mehrheit haben, muss Bachelet für die Umsetzung dieser ambitionierten Ziele auch die Unterstützung oppositioneller bzw. unabhängiger Abgeordneter gewinnen. 3

Außenpolitik / Verhältnis zu Nachbarländern

Seit der Redemokratisierung 1990 ist das Land von der internationalen Bühne nicht mehr wegzudenken. 2003 bis 2005 saß Chile als nicht-ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und gegenwärtig ist der Chilene José Miguel Insulza Generalsekretär der Organisation amerikanischer Staaten (OAS). Insgesamt ist Chile ein aktives Mitglied der verschiedenen UN-Programme und beteiligt sich an UN-Friedensmissionen. Im Augenblick bewirbt sich das Land um einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat. In den letzten Jahren war Chile immer wieder Gastgeber von Konferenzen und Gipfeltreffen verschiedener internationaler Organisationen. Als Mitgliedsstaat des „Gemeinsamen Marktes Südamerikas“ (Mercosur) und der „Organisation für asiatisch-pazifische wirtschaftliche Zusammenarbeit“ (APEC) ist Chile ein wichtiger Akteur in der internationalen Wirtschaft und der Freihandelszone der westlichen Hemisphäre.5

Das Verhältnis Chiles zu seinen Nachbarstaaten verbessert sich ständig. Nachdem Argentinien und Chile Ende der 1990er den Grenzstreit weitgehend beigelegt haben und 2004 die Grenzen weiter geöffnet wurden, haben die Länder 2009 einen umfassender Vertrag über Integration und Zusammenarbeit abgeschlossen. Mit Peru besteht zwar immer noch ein Streit um die Seegrenze im Pazifik, im Zuge dessen Peru eine Klage vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag eingereicht hat (ein Schiedsspruch wird für Anfang 2014 erwartet), dennoch sind beide Staaten bemüht ihre Beziehungen in anderen Bereichen auszubauen. Daher ist Peru mittlerweile das zweitwichtigste Zielland für chilenische Investoren. Lediglich im Verhältnis zwischen Chile und Bolivien ist keine Entspannung in Sicht. Grund hierfür ist die Forderung Boliviens nach einem, im 19. Jahrhundert verlorenen Zugang zum Pazifik.6

Menschen- und Freiheitsrechte

Seit Ende der Diktatur spielt die Achtung der Menschenrechte in Chile eine große Rolle. Das Land ist Vertrags­staat der meisten internationalen und interamerikanischen Menschenrechtsübereinkommen.7 Bei der Aufarbeitung der Diktatur macht das Land nach anfänglichen Schwierigkeiten große Fortschritte. So konnte eine Anfang der 1990er Jahre eingesetzte Wahrheitskommission viel zur Klärung der Geschehnisse und der Ermittlung der Opferzahlen beitragen. Eine offene Wunde bleibt allerdings das Schicksal der vielen „Verschwundenen“ deren Verbleib in den allermeisten Fällen ungewiss geblieben ist. Zudem wurden aufgrund des „Amnestiegesetzes“, einem Überbleibsel des Militärregimes, nur wenige der Täter zur Rechenschaft gezogen. Diese Faktoren erschweren eine gesellschafltiche Versöhnung. Positiv hervorzuheben ist jedoch, dass die Aufarbeitung der Vergangenheit nicht als abgeschlossen betrachtet wird und nach wie vor eine große Rolle im öffentlichen Diskurs einnimmt – ein Zeichen lebendiger Demokratie. Anerkannte Opfer von Menschenrechtsverletzungen der Pinochet-Ära erhalten staatliche Mindestrenten sowie Vergünstigungen bei Gesundheits- und Bildungsmaßnahmen.8

In der südlichen Region um Temuco flammt jedoch regelmäßig der so genannte „Mapuche-Konflikt“ auf, in dem es auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen kommt. In Chile lebt eine indigene Minderheit von 1 bis 1,6 Millionen Menschen, von denen sich 90% zur Gemeinschaft der Mapuche zählen. Sie fordern die Rückgabe traditionellen Siedlungs- und Stammesgebietes und bemängeln das in den 1990ern angestoßene Rückgabeprogramm als zu langsam. Außerdem kritisieren sie, dass Angehörige der Mapuche im Falle einer Straftat durch Anwendung von Anti-Terror-Gesetzen und der Militärstrafgerichtsbarkeit meist unverhältnismäßig hart bestraft werden.7 Auch Human Rights Watch kritisiert das unverhältnismäßige Vorgehen der chilenischen Polizeikräfte gegen Mapuche scharf.9 Staatspräsident Piñera räumte 2010 ein, dass die Indigenen in Chile „seit Jahrhunderten nicht die ihnen zustehenden Chancen“ bekommen hätten. Die Regierung versucht durch ein umfassendes Programm den wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsrückstand um Temuco, dem Hauptsiedlungsgebiet der Mapuche, zu überwinden.7

Auch in Hinblick auf die Pressefreiheit zeigen sich gravierende Mängel in Chile. So kam es 2011 immer wieder zu Verhaftungen und Polizeigewalt gegen Journalisten und vor allem Fotografen, die kritisch über das staatliche Vorgehen gegen die Studentenproteste berichteten.10

Drogenproblematik

Chile ist vor allem Transitland für Kokain, das für die Region aber auch für Europa bestimmt ist, und für wichtige Vorprodukte auf dem Weg nach Bolivien. Außerdem wird Geld gewaschen, vor allem im Freihandelshafen Iquique im Norden des Landes. Auch steigt vor allem der Kokainkonsum in Chile selbst.11 Im Juli 2011 wurde berichtet, dass die Zahl der Fälle von illegalem Drogenmissbrauch in Chile 2010 stark angestiegen war.12

Drogengesetze

Die aktuelle Gesetzgebung (Gesetz 20.000) ist seit Februar 2005 in Kraft und ersetzt Gesetz 19.366 aus dem jahr 1995, das den Handel mit illegalen Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen verbot. Seit der Gesetzesreform ist das Mitführen kleiner Mengen eine Ordnungswidrigkeit, für die man eine Geldstrafe zahlen muss. Der private Gebrauch jeglicher Drogen ist nicht verboten, der Konsum in der Gruppe steht allerdings unter Strafe. Da es keine feste Mengenbegrenzung gibt, bleibt die Unterscheidung zwischen Konsum und Handel im Ermessen des zuständigen Richters. Auch Cannabis und verwandte Rauschmittel finden sich auf der „Liste harter Drogen, die im hohen Maße Vergiftung und Abhängigkeit hervorrufen“. Auf Delikte, die im Zusammenhang mit diesen Stoffen stehen, sieht die Gesetzgebung Höchststrafen vor.13

 

Ausblick: Auf dem amerikanischen Kontinent werden die Rufe nach Legalisierung lauter, Uruguay hat Marihuana bereits legalisiert.14 Auch Chile bleibt vom zunehmenden Zweifel am „war on drugs“ nicht unberührt. Zwar bekräftigte der ehemalige Präsident Piñera wiederholt die Ablehnung seiner Regierung gegenüber einer möglichen Entkriminalisierung, dennoch gewinnen die Legalisierungsbefürworter an Einfluss und Zustimmung. Ein Gesetzesvorschlag sieht vor, den Anbau von Marijuana für den persönlichen und therapeutischen Gebrauch zu legalisieren. Auf diese Weise soll dem Geschäft der Drogenkartelle der Boden entzogen werden. Die Befürworter argumentieren unter anderem damit, dass die bisherige Gesetzgebung den Kern des Problems verfehle: Während sich im Zeitraum von 2002 bis 2011 die Verhaftungen im Zusammenhang mit Drogenhandel etwa verdoppelt haben, ist die Anzahl der Verhaftungen ohne Bezug zu Drogenhandel (z.B. Konsum) um das 32-fache gewachsen.15 Auch die nun regierende Präsidentin hatte im Wahlkampf 2013 angekündigt, die Einstufung von Marihuana als harte Droge neu zu prüfen.316

Maßnahmen der Regierung / Kooperationen mit anderen Staaten

Seit 2011 ist der sogenannte „Northern Border Plan“ in Kraft, eine Kooperation mit Peru und Bolivien, zwei der größten Kokainproduzenten in der Region. Konkret handelt es sich dabei und eine verstärkte, technikbasierte Überwachung des 947km langen Grenzabschnitts, um den transnationalen Drogenschmuggel einzudämmen. Laut Angaben der Regierung sei das Projekt so erfolgreich, dass es nun auch an der Ostgrenze zu Argentinien eingerichtet werden soll.17

Neben dem harten polizeilichen Vorgehen setzt die Regierung vermehrt auf das Angebot von Rehabilitionsprogrammen und Präventionsprojekten mit dem Ziel, den Konsum von Drogen zu vermindern und somit die Nachfrage auf dem Schwarzmarkt zu senken.18

Entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit der Bundesregierung

Bezüglich der Drogenproblematik betreibt die deutsche Bundesregierung keine explizite Zusammenarbeit mit Chile. Kooperationsprojekte finden im Bereich der erneuerbaren Energien, im Sozialbereich und institutioneller Entwicklung statt. Besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der Förderung der indigenen Minderheiten.19

Quellen

  1. Wikipedia: Chile []
  2. Basler Zeitung: Michelle Bachelet will ein anderes Chile []
  3. Welt.de: Chiles neue Präsidentin will „tief greifenden Wandel“ [] [] []
  4. Spiegel.de: Präsidentschaftswahl in Chile – Sozialistin Bachelet triumphiert []
  5. Wikipedia: Chile, foreign relations []
  6. Auswärtiges Amt: Außenpolitik Chile []
  7. Auswärtiges Amt: Innenpolitik Chile [] [] []
  8. Horch und Guck: Die schrittweise Aufarbeitung der Pinochet-Diktatur in Chile – nicht mehr verfügbar []
  9. hrw: Chile []
  10. Freedom House: Chile; Beitrag von 2014  []
  11. Index Mundi: Chile Illicit Drugs []
  12. Beitrag nicht mehr verfügbar []
  13. Drug Law Reform in Latin America: Chile []
  14. Spiegel:  Neues Marihuana-Gesetz in Uruguay: Wenn der Staat zum Groß-Dealer wird []
  15. Santiago Times: Drug Reform in Chile: Legalize It? – nicht mehr verfügbar []
  16. Students For Sensible Drug Policy: Legalization Enthusiasm on the March in Latin America – Artikel nicht mehr verfügbar []
  17. Terrorism Watch: Chile: Northern Border Plan Stops Narco-Trafficking, Smuggling []
  18. Drug Law Reform: Chile  []
  19. Auswärtiges Amt: Chile []

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